Facebook und die Teenager: Es ist kompliziert.

Der letzte Versuch von Facebook, sich als interessante Plattform für Teenager aufzustellen, wurde heimlich, still und leise zu Grabe getragen. Die Lifestage-App der Social-Media-Plattform (die so erfolglos war, dass die meisten wahrscheinlich gerade zum ersten Mal davon hören), wurde vor etwa einem Jahr unter einigem Getöse, aber mit ziemlicher Gleichgültigkeit ins Leben gerufen und hielt sich seitdem nur schwer.

Dennoch hat Facebook, wie es im Silicon Valley öfter mal vorkommt, auf das Scheitern eines Unternehmens schnell mit einem neuen reagiert und ein neuen Service zum Videostreaming enthüllt. Facebook Watch soll kurze Videos ins Portfolio aufnehmen, die live oder vorher aufgezeichnet werden und eigene, professionelle Inhalte enthalten. So kann die Plattform direkter mit den „Likes“ von YouTube, Netflix und traditionellen TV-Sendern in Konkurrenz treten.

Lifestage war nur ein Teil einer langen Serie von Facebooks Versuchen, gegen die Welle junger Leute anzukämpfen, die immer mehr auf verschiedensten Plattformen interagieren. Mit Facebook Watch scheint die Firma sich von dem Fokus, junge Leute zu behalten, abgewandt zu haben und stattdessen auf eine weit größere Basis an Benutzern abzuzielen. Vielleicht hat Facebook gelernt, dass es einfach nie cool sein wird – aber das heißt nicht, dass es nicht trotzdem beliebt sein kann.

Lifestage hätte mit dem immer beliebter werdenden Snapchat, der App, mit der man Fotos und Videos teilt und die besonders unter Teenagern beliebt ist, konkurrieren sollen. Doch der Ableger erreichte nie die Anzahl an Benutzern, die es gebraucht hätte, um das Unternehmen zu erhalten. Was beunruhigend für Facebook ist, dass nach den kurzlebigen Services Facebook Poke und Facebook Slingshot, die beide ebenfalls in ihr stilles digitales Grab verbannt wurden, bereits der dritte gescheiterte Versuch war, den Erfolg von Snapchat bei Teenagern nachzuahmen. Mit eher lauer Begeisterung hat Facebook außerdem einige Features von Snapchat, wie etwa die Stories-Funktion, in seine Haupt-App eingearbeitet.

Dies rührt daher, dass der Social-Media-Markt nach wie vor unheimlich schnell expandiert. Der Konkurrenzkampf ist heftig und zahlreiche Firmen wetteifern mit Neugründungen und aufsteigenden Marken, um die Aufmerksamkeit der wachsenden und immer stärker vernetzten Benutzer. Es ist nicht mehr der Fall, dass ein oder zwei Firmen das Monopol in der Social-Media-Landschaft besitzen. Die meisten Jugendlichen benutzen nach und nach mehr als eine Plattform, um online zu interagieren (wobei dieser Trend außerhalb der westlichen Welt etwas anders zu sein scheint). Junge Leute experimentieren mit neuen Formaten und Arten der Interaktion – dies reicht von kurzen Videos und Nachrichten, die nicht dauerhaft gespeichert werden, zu anonymen Feedback-Apps wie Sarahah, die bei Teenies sehr beliebt ist und Medienpädagogen zum Schluchzen bringt.

Trotz dieser Schwierigkeiten ist Facebook nach wie vor mit Abstand die beliebteste Social-Media-Plattform der Welt und hat mehr als zwei Milliarden Benutzer weltweit. Jüngste Daten zeigen, dass es unter Teenagern und jungen Benutzern beinahe so beliebt ist wie Snapchat. Ebenso verhält es sich mit der Foto-Plattform Instagram, die mittlerweile auch Facebook gehört.

Das Problem liegt hier selbstverständlich darin, dass durch die Beliebtheit und vor allem durch das klare, nutzerfreundliche Design nun auch die Eltern, Lehrer, Chefs und sogar die Großeltern die Plattform nutzen. Für die Teenager bedeutet das, dass die Plattform zu einem Problem geworden ist. Sie steckt voller konkurrierender und zwiespältiger Verpflichtungen, da nun verschiedenste Aspekte und Umstände ihres Lebens an einem einzigen Platz zusammenlaufen.

Die jungen Leute, mit denen ich für meine Untersuchung spreche, meinen, dass der große Anklang und das einfache Design von Facebook für sie eine einmalige Erfahrung sind. Facebook ist ein Ort mit potenziellen sozialen Landminen, mit der Angst, dass die verschiedensten Nutzer alles sehen, was gepostet wird – was zu Angst, Ausflüchten und Untätigkeit führt.

Dieses breite Publikum zu bewältigen bedeutet, dass junge Leute die öffentlichen Seiten von Facebook seltener nutzen und stattdessen auf Aspekte wie Gruppen und Privatnachrichten bauen. Das erklärt, warum sie anscheinend immer mehr auf Plattformen wie Instagram und Snapchat setzen, um mit ihresgleichen zu interagieren – ein Trend, der auch von anderen Forschern festgestellt wurde.

So gesehen scheint der Versuch, Teenager zu ermutigen, dieselben Features wie auf Snapchat zu benutzen, wenn die Marke Facebook doch so mit einem stark öffentlichen und sozial schwierigen Umfeld assoziiert wird, an sich fehlerhaft. Wir können nicht sagen, in welche Richtung sich die Firma in Zukunft entwickeln wird, aber es scheint naheliegend, dass sie Schwierigkeiten haben wird, jemals wieder so zentral für die Onlineerfahrungen von jungen Leuten zu werden, wie sie einmal war.

Facebook Watch zielt auf größeres Publikum ab

Das Einrichten von Facebook Watch suggeriert jedoch, dass die Firma vielleicht ihre Lektion gelernt hat. Das neue Service ist ein Versuch, einen umfassenderen Ort zu kreieren, der seine größere Benutzerbasis ansprechen kann und Inhalt, Ideen und Platz nicht nur auf Teenager und junge Leute ausrichtet.

Mit der Ankündigung des Services zum Teilen von Videos hat Facebook bekanntgemacht, dass man „gemeinschaftsorientierte“ Ergebnisse braucht. Nutzer werden Videovorschläge bekommen, die darauf basieren, was andere – insbesondere ihre Freunde – sich ansehen. Auf diese Art ermöglicht Facebook den Benutzern, Inhalte zu finden, die ihre Interessen und Freundschaften jeglicher Art widerspiegeln. Anstatt zu versuchen, eine bestimmte demografische Gruppe beizubehalten und nur auf sie abzuzielen, scheint Facebook Watch den breiteren Anklang der Plattform zu würdigen.

Dies scheint mit dem Schritt, weniger als reines soziales Netzwerk aufzutreten, und hin zu einem umfassenderen Zentrum für Neuigkeiten und Inhalte übereinzustimmen, den Facebook hier vornimmt. Dank Facebook Watch brauchen Benutzer die Plattform nie zu verlassen, da sie sowohl Inhalte, die im Netz eingebettet sind, als auch eigene Videos, die von der Seite zur Verfügung gestellt werden, ansehen können. Und weil Facebook hinsichtlich der Videoinhalte bereits an zweiter Stelle nach YouTube steht, sieht dieser Schritt abermals aus wie ein Versuch, sich auf einen breiteren Markt als nur den der Teenager auszurichten.

Die Tatsache, dass Facebook zunehmend seine diverser werdende Benutzerbasis nährt, kann zu einem Problem für junge Leute werden, die um ihre Interaktionen auf der Plattform besorgt sind. Wenn man jedoch den massiven Erfolg von YouTube bei den meisten Teenagern berücksichtigt, dient Watch vielleicht dazu, Teenager zurück zu Facebook zu locken. Es gibt wirklich nur eine Art, die Beziehung zwischen jungen Leuten und Facebook zu beschreiben: Es ist kompliziert.

Dieser Artikel erschien zuerst auf „The Conversation“ unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) „Sad and grumpy teenage girl“ by draganagordic/AdobeStock.com


The Conversation

Harry T Dyer ist digitaler Soziologe und Dozent an der Universität Ostanglien. Er hat einen vielseitigen akademischen Hintergrund mit Abschlüssen in Linguistik und Sozialwissenschaften. Seine Forschung bewegt sich in der Präsentation von Online-Identitäten.


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , , , , , , , , , , , ,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert