Warum Smartphones oft schlechte Laune machen

Mehr als die Hälfte der Deutschen nutzen Smartphones. Die Meisten verbringen auch sehr viel Zeit in sozialen Netzwerken. Facebook, Instagram, Twitter und Snapchat tragen dazu bei, dass wir unsere Bilder und Erlebnisse mit anderen teilen. Doch welche Auswirkungen hat der häufige Konsum eigentlich auf unseren Alltag und wie beeinflussen Smartphones unsere Emotionen?

Sarah Diefenbach hat sich mit diesem Thema genauer beschäftigt. Sie ist Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, studiert hat sie Psychologie mit Nebenfach Informatik. Schwerpunkte ihrer Forschung sind das Konsumentenerleben im Bereich interaktiver Produkte und die Betrachtung von Mensch-Technik-Interaktion aus einer psychologischen Perspektive. Gemeinsam mit Daniel Ullrich hat sie das Buch „Digitale Depression: Wie neue Medien unser Glücksempfinden verändern“ [Affiliate Link] geschrieben. Ullrich ist Post-Doc am Lehrstuhl für Medieninformatik der LMU München. Er promovierte zum Thema Intuitive Interaktion mit technischen Produkten. Seine Forschungsschwerpunkte sind Nutzererleben und positive Erlebnisse mit Technik, insbesondere mit intelligenten Systemen und Robotern.

Sarah Diefenbach
Sarah Diefenbach erforscht Emotionen und die alltägliche Nutzung von Smartphones

Ihr gemeinsames Buch handelt davon, dass viele Menschen ihre Glücksmomente zerstören, indem sie alles mit ihrem Smartphone festhalten wollen. Dadurch, dass wir unser Glück ständig tracken, posten und teilen wollen, verlernen wir, es direkt zu erleben. Wir posten Fotos in sozialen Netzwerken, um uns gut zu fühlen, wir wollen das Glück intensivieren, indem wir es mit anderen teilen.

Allerdings treten wir damit auch in einen Wettbewerb. Alle posten Fotos und suchen Bestätigung durch möglichst viele Likes. Neben den vielen tollen Urlaubsfotos der Kontakte scheint das eigene Leben plötzlich belanglos. Doch das ist nur eine der vielen Alltagssituationen, die unser Glück gefährdet. Egal ob wir mit jemandem essen gehen oder im Zug sitzen, Technik und digitale Medien sind meistens in unserem Alltag vertreten. Diese ständige Präsenz kann auch zu Konflikten führen und unsere Gefühle beeinflussen.

Im Interview erzählt Sarah Diefenbach unter anderem, worauf es bei der Nutzung von Smartphones ankommt und wie unsere Emotionen davon beeinflusst werden.

Marina Blecher: Finden Sie, dass wir unsere Umwelt anders wahrnehmen als diejenigen, die kein Smartphone benutzen? Und wenn ja, wie?

Sarah Diefenbach: Das kann man auf jeden Fall sagen. In unserem Buch beschreiben wir die Smartphones als eine Linse, durch die wir unsere Umwelt permanent wahrnehmen. Man könnte fast sagen, das Smartphone nimmt für uns wahr, erklärt uns, wie wir die Welt zu sehen haben. Besorgniserregend ist, dass wir uns dieser Filterfunktion oft nicht bewusst sind. Auch was uns Amazon empfiehlt oder was Google uns als Treffer vorschlägt, ist ja schon eine Vorselektion. Es wird immer schwerer, zwischen direkter Wahrnehmung und gefilterter Realität zu unterscheiden.

In Ihrem Buch schreiben Sie auch darüber, dass es in manchen Situationen unglücklich macht, wenn man sich zu viel mit dem Smartphone beschäftigt. Gibt es auch Studien dazu, dass die sozialen Medien emotionale Auswirkungen haben?

Ja, da gibt es einige Studien. Eine, die ich sehr anschaulich und interessant finde, handelt von Facebook. Je mehr Zeit man auf Facebook verbringt, umso überzeugter ist man, dass andere ein besseres Leben haben und glücklicher sind als man selbst. Eine andere Studie zeigt, dass die Nutzung von Facebook oft schlechte Laune macht – dennoch nutzt man es immer wieder. Da stellt sich natürlich die Frage: Liegt es daran, dass die Leute diesen Effekt nicht vorhersagen können? Oder ist es eine Art Sucht – man weiß, dass es nicht gut tut, aber man kann nicht anders? Oder einfach nur dieser Wunsch nach schneller Ablenkung?

Und finden Sie auch, dass die neuen Medien Auswirkungen auf den Umgang miteinander haben? Beispielsweise, dass die Menschen sich mittlerweile schlechter unterhalten können?

Man muss mit kausalen Aussagen dieser Art vorsichtig sein, das Verhalten zeigen wir ja immer noch selbst. Ein Beispiel aus unserem Buch ist, dass die Diskussionen nicht mehr so tiefgehend sind. Wenn man zusammen mit Freunden an einem Tisch sitzt und es gibt irgendwo Uneinigkeiten sagt einer „Ach, das schau ich schnell nach.“ Wikipedia sagt so und so – „End of Discussion“. Es wird vieles schnell abgebügelt.

Soziale Netzwerke begünstigen Vergleiche und Bewertungen: man urteilt über andere Menschen wie über Produkte aus einem Online-Shop. Ich will nicht generell den sozialen Medien die Schuld zuspielen, aber ich denke, sie unterstützen uns leider in Verhaltensweisen, die nicht gerade gut für uns sind.

Und wieso wollen wir ständig erreichbar sein und können selbst bei einem gemeinsamen Essen unsere Smartphones nicht einfach weglegen?

Ich habe den Eindruck, dass es mittlerweile so eine Art antrainierte Angst ist, etwas zu verpassen. Durch diese Norm, ständig erreichbar zu sein, wird auch erwartet, dass andere ständig antworten. Und wenn man es nicht tut, gilt es fast schon als Beleidigung oder mangelnder Respekt dem anderen gegenüber. Jedoch haben wir diese Normen selbst geschaffen und wir können auch wieder neue Normen schaffen.

Wie gehen Sie mit der Technik um? Ärgern Sie sich manchmal auch über Ihren Konsum oder achten Sie darauf, die Technik nicht so häufig zu nutzen?

Ja, ich achte darauf und deshalb ärgere ich mich selten. Aber ich finde es auch bei mir selbst interessant zu beobachten, wie sich Routinen oder Automatismen entwickeln. Wenn ich mein Notebook anmache – eigentlich nur, um eine bestimmte Information nachzuschauen – mache ich oft automatisch auch das E-Mail-Programm auf. Ich bekomme neue Nachrichten und setzte mich damit auseinander. Am Ende habe ich vielleicht vergessen, was ich ursprünglich wollte. Das sind erstmal Kleinigkeiten, aber trotzdem machen sie bewusst, wie stark diese Einflüsse sind und wie leicht man in Verhaltensweisen reinrutscht, die man nicht beabsichtigt hat.

Bei vielen Jugendlichen hat man das Gefühl, dass sie sozusagen süchtig nach ihren Smartphones sind. Ab wann sollte man sich Ihrer Meinung nach Sorgen um den Umgang mit digitalen Medien machen?

Ich finde, man kann schlecht sagen, dass es ab einer bestimmten Dosis problematisch wird. In unserem Buch schlagen wir vor, einfach mal den letzten Tag Revue passieren zu lassen. Wie oft habe ich mit Technik interagiert und wie viel davon waren positive Momente? Und wenn man dabei entdeckt, dass es eigentlich mehr Stress ist oder man sogar Menschen im direkten Umfeld vernachlässigt, wenn man das Gefühl hat, keine Erholung zu finden und niemandem gerecht zu werden – viele Menschen berichten, dass sie ständig erreichbar sind, aber trotzdem das Gefühl haben, sie sind nicht genug für andere da. Solche Beobachtungen könnten ein Anlass sein, den Konsum zu reduzieren – und gleichzeitig mehr Zeit für andere schöne Dinge zu gewinnen.


Image „Apple“ by Ed Gregory (CC0 Public Domain)

Image by Sarah Diefenbach


kommt aus Siegen und ist derzeit Praktikantin in der Redaktion der Netzpiloten in Hamburg. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , , ,

1 comment

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert