Was Philosophie über Bildung für eine bessere Zukunft sagen kann

Wie schafft man eine Generation, die Lösungen für ihre Probleme erdenken und den Herausforderungen einer sich schnell verändernden Welt begegnen kann? Das diesjährige Treffen in Davos befasst sich damit, wie wir die immensen Herausforderungen der sogenannten “vierten Industriellen Revolution” meistern können – einer Ära rasanter und komplexer technologischer Veränderungen, in der unsere Rolle in der Welt einem stetigen Wandel unterworfen ist.

Die nächste Generation von Arbeitskräften wird angemessen gerüstet sein müssen, um diesen enormen Herausforderungen gewachsen zu sein. Ich glaube, dass Philosophieunterricht – wenn er gut unterrichtet wird und hochwertige Materialien nutzt – Kindern in Großbritannien und auf der ganzen Welt während dieser Ära außergewöhnlichen Nutzen bringen kann.

Ich habe an einigen Podiumsdiskussionen beim Weltwirtschaftsforum 2016 in Davos teilgenommen und versucht, politische Entscheidungsträger und Lobbyisten in dem schweizerischen Skiort davon zu überzeugen, dass wir die praktische Philosophie in den Fächerkanon der Schulen aufnehmen müssen.

Durch meine Mitgliedschaften in der British Philosophical Association (einer britischen Organisation zur Förderung der Philosophie) und dem Projekt Philosophy in Education (PEP) unterstütze ich die Weiterführung des britischen Abitur (A Level) in Philosophie und die Einführung eines britischen Realschulabschlusses (GCSE) in Philosophie. Ich befürworte ebenfalls die Einführung zumindest eines Jahres – idealerweise mehrerer Jahre – unbenoteten Philosophieunterrichts für alle Kinder im Alter zwischen sieben und 14 Jahren.

Das Spektrum von Ideen und Argumenten, das im Philosophieunterricht angeboten wird, kann Kindern zeigen, dass es Wege des Denkens und des Lebens gibt, die von denjenigen abweichen, die sie vor ihrer eigenen Haustür auffinden können. Philosophie ist eines der Fächer, die hauptsächlich dazu beitragen, die Vielfalt der Vorstellungen eines Kindes über mögliche Lebensweisen zu erhöhen. Das gilt für alle Kinder aus allen sozioökonomischen Hintergründen.

Wir sind nicht nur Produkte unserer genetischen Anlagen und unserer Umwelt; Vernunft weist zumindest teilweise einen Weg aus diesen hinaus – aber nur, wenn die Vernunft angemessen geschult ist. Die Herausforderung dabei ist, Zirkelschlüsse zu vermeiden: Ist solch eine Ausbildung nur möglich, wenn man das Glück hat, eine gute Schule zu besuchen (oder, mit anderen Worten, ist die Entwicklung von Vernunft im Grunde tatsächlich komplett abhängig von der unmittelbaren Umgebung)?

Half-open door to Heaven(Image by Klearchos Kapoutsis(CC BY 2.0) via Flickr)
Image (adapted) „Half-open door to Heaven“ by Klearchos Kapoutsis (CC BY 2.0)

Das stimmt nur bis zu einem gewissen Punkt. Es gibt hervorragende Materialien, die weitreichend verfügbar sind, auch online. Aber Kinder müssen zumindest wissen, dass solche Materialien existieren, dass es Dinge zu entdecken gibt.

Fragen des Glaubens

Das Entscheidende ist, dass die Philosophie Kindern hervorragend beibringen kann, wie man Fragen stellt, Konzepte analysiert, induktive sowie deduktive Argumente analysiert und konstruiert und, ganz allgemein zu berücksichtigen, ob es irgendwelche guten Gründe gibt an das zu glauben, was sie beigebracht bekommen. Sie hilft ihnen, sich daran zu gewöhnen, selbstständig zu argumentieren und zu denken.

Das würde nahelegen, dass Philosophie Kindern eine bessere Chance geben könnte, Versuchen zu widerstehen, sie einer Gehirnwäsche zu unterziehen, sei es durch politische oder religiöse Extremisten, Werbung oder in der Tat durch Lehrer. Es ist bisher schwierig, gesicherte Erkenntnisse dazu zu finden, aber Untersuchungen des britischen Bildungsministeriums sprechen von “gemeldeten Einflüssen”.

Diese Idee scheint einer Veröffentlichung des British Council über Bildung und Extremismus zugrunde zu liegen. Die eigene Forschung des Bildungsministeriums legte 2010 außerdem nahe, dass es eine Verbindung zwischen verfügbaren Philosophie-Lehrmaterialien der Gruppe Philosophy for Children (P4C) und dem Schutz vor Indoktrination gibt. Es gibt derzeit eine Arbeitsgruppe, die untersucht, ob P4C der Prevent-Strategie (ein britisches Programm,um gewalttätigen Extremismus zu verhindern) zugutekommt. Ich bin allerdings nicht sicher, ob genau diese Frage unbedingt die richtige ist.

Philosophieunterricht, der am richtigen Niveau ansetzt, hat den Vorteil, inklusiv zu sein, wohingegen das Präventionsprogramm dafür kritisiert wurde, nicht inklusiv zu sein. Meiner Meinung nach ist es gesund für Kinder, ermutigt zu werden Dinge zu hinterfragen und für sich selbst zu denken – und Philosophie ist eines der Fächer, das darin besonders gut ist, unabhängig von bestimmten Lehrplänen.

Präzision und Fingerspitzengefühl

Philosophie verbessert sowohl Sprech- als auch Zuhörfähigkeit – und sie fördert die Bereitschaft zu konstruktivem Dialog. Sie erlaubt Kindern zu verstehen, dass man sich mit jemandem uneinig sein kann, ohne dass es zu Handgreiflichkeiten kommt und sie ermutigt sie, intellektuelle Kritik von persönlichen Angriffen zu unterscheiden. Sie kann deshalb eine Rolle dabei spielen, Ausdauer und Charakterstärke zu fördern.

Sowohl das klare, präzise Denken als auch die Geschmeidigkeit und Flexibilität des Geistes, die Philosophie fordert und fördert, werden Schlüsselqualifikationen am Arbeitsplatz des 21. Jahrhunderts sein, der von ständiger Innovation definiert wird.

Aber – wie wichtig das auch sein mag – Philosophie tut viel mehr, als Schülerinnen und Schüler auf das Arbeitsleben vorzubereiten. Ich glaube, dass die Aktivität der Philosophie selbst einen der Bestandteile eines erfolgreichen Lebens für Kinder bilden kann, sowohl individuell als auch kollektiv. Dieser Erfolg ist nicht nur ein Ziel für ihr zukünftiges Erwachsenen-Selbst, sondern auch wichtig für sie während ihrer Ausbildung.

Might as well jump(Image by Henrik Sandklef(CC BY-SA 2.0) via Flickr
Image (adapted) „Might as well jump“ by Henrik Sandklef (CC BY-SA 2.0)

Wenn Schulkinder heranreifen, kann die Philosophie ihnen helfen, Themen wie Erfolg, Glück und Freude und ihre mögliche (oder unmögliche) Verbindung zu reflektieren. Philosophie kann somit Kindern helfen, ihre eigenen Lebensziele herauszuarbeiten.

Zweifel anregen

Diejenigen in Davos, die sich darum sorgen, wie die Zukunft der Bildung in diesem Zeitalter der Unsicherheit aussehen sollte, können hier Trost in der Philosophie finden. Sie kann Kindern helfen zu verstehen, dass ethische Entscheidungen schon immer unter unsicheren Umständen getroffen werden mussten und dass technischer Fortschritt das nicht geändert hat (obwohl sie uns vielleicht vorgegaukelt haben, dass das Leben vorhersehbarer sei als es ist).

Philosophie kann auch dazu beitragen, Konzepte des Erfolgs zu entwickeln, die in unsicheren Zeiten existieren können, und sie kann dazu beitragen, Kinder mit der geistigen Gewandtheit und Anpassungsfähigkeit auszustatten, die unsichere Zeiten erfordern. Es ist nicht das Übermaß an Zweifel, das gegenwärtig so viele Probleme auf der Welt verursacht – ganz im Gegenteil.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) “Questioned Proposal” by Ethan Lofton (CC BY 2.0)


 

The Conversation

ist Professorin für öffentliches Verständnis der Philosophie an der Universität von Sheffield. Der Großteil ihrer Arbeit liegt im Bereich der antiken griechischen Philosophie und der Ethik. Derzeit arbeitet sie an einer neuen Übersetzung und Kommentierung von Platons Symposion und an einem Buch über Heldentum, Mut und Ruhm.


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , , , , , , , , ,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert