Was der Guardian von seinem Live-Chat mit WhatsApp lernte

Als Teil von seinem Mobile Innovation Lab berichtete der Guardian von der GOP-Debatte mit der beliebten Chat-App WhatsApp. Die republikanische Präsidentschaftsdebatte vor Weihnachten war von zwei Konfrontationen geprägt: Marco Rubio und Ted Cruz diskutierten über Immigration und ISIS, während Donald Trump und Jeb Bush darüber stritten, ob Trump ein „Chaos-Kandidat“ sei. Die Reporter Sabrina Siddiqui und Paul Lewis schreiben von Las Vegas aus für den britischen Guardian und berichteten, dass Trump und Bush „kaum über das Niveau einer Spielplatzstreiterei darüber, wer der stärkste war, herauskamen“, während Rubio und Cruz mit „einer Serie von feurigen Austauschen“ beschäftigt waren.

Adam Gabbatt, ein Guardian-Reporter, der über die Chat-App WhatsApp als ein Teil eines Experiments mit dem Mobile Innovation Lab des Guardians berichtete, wählte einen anderen Blickwinkel, um die Konfrontationen zu beschreiben: „Hier ist eine Nachstellung der Streitereien auf der Bühne“, schrieb Gabbat im Chat.

Der WhatsApp-Chat des Guardians war eines der ersten Experimente, die das Mobile Innovation Lab ausführte, das im Herbst 2015 gegründet wurde. Das Ziel des Experiments war, herauszufinden wie der Guardian in einer Chat-App über ein Event berichten könnte und wie es sich anfühlt, WhatsApp als eine Plattform für Neuigkeiten zu benutzen, sagte Sasha Koren, Leiter des Labs.

Die gesprächige Natur der Plattform war sowohl für die Teilnehmer, als auch für Gabbat ein Highlight, der sagte, dass er die Mischung zwischen der Ernsthaftigkeit politischer Debatten und unbeschwerten Momenten sehr genossen hat – wie z.B. die Nachstellung der Debatte mit Stockpuppen. Er sagte, dass er die Rückmeldung der Teilnehmer schätze, die aufmerksame Fragen stellten, Scherze machten und ihn gelegentlich sogar verbesserten.

Es fühlte sich an, als würde ich mit meinen Freunden reden. Ich benutze WhatsApp sowieso viel, um mit Leuten in diesem Land und Leuten Zuhause zu sprechen. Da ich nicht auf der Guardian-Website war, die nicht ewig im Internet sein wird, fühlte es sich so an, als könne ich mich entspannen und reden, als würde ich ganz normal reden – ein paar weniger Schimpfwörter, aber generell fühlte ich mich entspannt.

Gabbatt sandte während der Debatte 62 Nachrichten und obwohl er davon ausging, dass die meisten Teilnehmer die Debatte auch im Fernsehen schauen würden, versuchte er den Chat so zu strukturieren, dass auch Leute, die die Übertragung nicht anschauten, informiert waren. „Man kommentierte was passierte und erwartete, dass Leute das wussten, aber ich habe versucht das so zu machen, dass man es auch versteht wenn man nicht dabei war“, sagte er.

Wenn du es nicht angeschaut hättest, würdest du das meiste durch den WhatsApp-Überblick nicht verstehen, aber durch den Live-Blog. In meinem Kopf dachte ich: ‚Hey, wir gucken das alle zusammen, lasst uns Spaß damit haben.’ Es waren nicht nur Witze. Ich war nicht auf der Bühne, um Stand-Up-Comedy zu machen, aber ich hatte das Gefühl, dass man mehr Spaß haben kann, wenn man es nochmal auf einem zweiten Bildschirm sieht.

Der Guardian nutzte eine WhatsApp-Broadcast-Liste um den Chat abzuhalten. Broadcast-Listen machen es den Teilnehmern möglich, Nachrichten an viele Kontakte gleichzeitig zu senden. Diejenigen, die die Nachrichten erhalten, können aber nur demjenigen antworten, der die Originalnachricht geschickt hat. Deshalb berichtete Gabbat während des Chats den Zuschauern regelmäßig, was die einzelnen Teilnehmer ihm schrieben.

WhatsApp setzt ein Limit von 256 Teilnehmern pro Broadcast-Liste, daher limitierte der Guardian die Anzahl der Leute, die am Chat teilnehmen konnten. Senior-Produktmanagerin Sarah Schmalbach sagte, dass die Debatte nicht so vertraulich gewesen wäre, wenn Gabbat mehrere Broadcast-Listen genutzt hätte.

Andere Firmen nutzten WhatsApp, um Benutzerdaten zu sammeln oder um Informationen so zu senden wie man Push-Mitteilungen senden würde. Schmalbach verwies auf Globe And Mail, die diesen Herbst per WhatsApp Neuigkeiten über die kanadischen Wahlen an mehr als 1.700 Abonnenten verschickten.

Das ist ein bisschen einfacher zu messen, weil man nur eine Nachricht an alle schickt, die sich angemeldet haben. Man muss keine Konversation leiten oder ein Gespräch unter vier Augen mit dem Endnutzer führen. Was das hier wirklich anders und interessant gemacht hat und warum wir die Teilnehmerzahl auf höchstens 256 Leute reguliert haben, war die Tatsache, dass wir genug Zeit haben wollten, um Antworten von Nutzern zu lesen und wenn möglich zu antworten.

Der Guardian begann zwei Tage vor der Debatte mit einem Post auf der Website für den WhatsApp-Chat zu werben. Der Chat war nicht am Limit seiner Leistung als die Debatte startete, aber die Live-Blogger des Guardians empfahlen sie ihren Lesern im Live-Blog und am Ende versuchten über 400 Leute, am Chat teilzunehmen.

WhatsApp ist nicht wirklich für das Veröffentlichen von Nachrichten gedacht und Koren sagte, dass diese Tatsache es schwierig machte, den Chat zu ermöglichen. Andere Nachrichtenorganisationen fanden es ebenfalls schwierig, WhatsApp zu nutzen um große Menschenmengen zu erreichen und Koren erklärte, dass Nutzer frustriert seien, wenn sie nicht einfach miteinander chatten könnten. „Es war wirklich schwierig zu verwirklichen“, sagte sie. „Das Programm macht es schwer Leute auszuschließen und hinzuzufügen. Während Adam chattete, arbeiteten Sarah und ich daran und es war wirklich kompliziert, den Überblick über die Antworten und Anfragen der Leute zu behalten.

Zwar wird das Lab WhatsApp in Zukunft wohl nicht mehr verwenden, plant aber weiterhin mit Chat-Apps und anderen Formen zu experimentieren, die es ermöglichen, live auf Smartphones zu berichten. Das Mobile Innovation Lab ist ein zweijähriges Projekt, das durch einen Zuschuss über 2,6 Millionen US-Dollar von der Knight Foundation finanziert wird. (Nieman Lab und The Guardian sind Partner und teilen die Ergebnisse, Nieman Lab bekommt ebenfalls Finanzierungen von der Knight Foundation.)

Basierend auf den Resultaten einer Umfrage, die das Lab nach der Debatte durchführte, scheinen Nutzer an dieser Art der Handy-fokussierten Live-Berichterstattung durchaus interessiert, wie Schmalbach erklärt:

Menschen mögen kurze kleine Videos, wie das von Adams nachgestellter Szene“, sagte Schmalbach. „Sie mögen Bilder. Sie mögen GIFs. Sie mögen es zu wissen wo wir sind und was wir machen. Das sind Anwendungen, die Chat-Apps übersteigen. Es gibt ein Verlangen nach dieser Art von Möglichkeit, über Sportereignisse, Events auf dem roten Teppich und weitere live zu berichten. Eher als das Experiment zu wiederholen, eröffnet es drei, vier oder fünf weitere Möglichkeiten für alle Arten von Plattformen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “Nieman Journalism Lab” unter CC BY-NC-SA 3.0 US. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) „WhatsApp / iOS“ by Álvaro Ibáñez (CC BY 2.0)


schreibt für das an der Harvard Universität angesiedelte Nieman Journalism Lab über Innovation in der Medienbranche. Davor arbeitet er für die Nachrichtenagentur Reuters und berichtete über den wirtschaftlichen Niedergang von Detroit.


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