Seit Elon Musks Twitter-Übernahme kehrt einfach keine Ruhe im Netzwerk ein. Ein „Geistesblitz“ jagt den nächsten, Twitter heißt jetzt „X“ und sogar den blauen Vogel hat Musk längst herzlos abgeschossen. Musk selbst instrumentalisiert das Netzwerk zudem als Sprachrohr für seine politischen Ansichten, mischte sich nicht nur in den US-amerikanischen, sondern nun auch in den deutschen Wahlkampf ein. Kein Wunder, dass viele Nutzer bereits auf der Suche nach einer neuen Heimat sind. Doch was sind die besten Twitter-Alternativen oder gibt es überhaupt wirklich ein?
Wir stellen euch die populärsten Alternativen zu Twitter vor, blicken aber auch den Tatsachen ins Gesicht: Ein Netzwerk lässt sich nicht einfach durch andere Netzwerke ersetzen. Womöglich ist X selbst sogar die einzige wirkliche Alternative, die wir haben. Oder brauchen wir Twitter überhaupt noch in unserem Leben?
Mastodon – Dezentral im Fediverse
Die besten Twitter-Alternativen kann eigentlich nur Mastodon eröffnen. Es war der erste Konkurrent, der nach dem Twitter-Deal große Medienaufmerksamkeit erregte.
Vom generellen Look & Feel unterscheidet es sich nur wenig von X. Was es jedoch unterscheidet ist sein dezentralisierter Ansatz. Es gibt nicht „den einen“ Mastodon-Server, sondern gleich eine Vielzahl dieser. Man kann sich trotzdem untereinander verbinden. Die offene Schnittstelle erlaubt es sogar, dass man sich sogar über Mastodon hinaus mit Nutzern auf anderen dezentralen Plattformen. Mastodon ist Teil des Fediverse, zu dem auch einige andere Social Media-Alternativen gehören.
Die verschiedenen Instanzen innerhalb Mastodons können aber selbst bestimmen, welche Communities sie etwa aus ihrer eigenen Bubble aussperren wollen. Das kann für harmonischere Communities sorgen, zugleich aber auch als Zensur gesehen werden. Wobei das im Prinzip nicht anders ist wie bei Reddit oder Facebook-Gruppen. Nutzer selbst haben diese Möglichkeiten für sich selbst übrigens auch. Durch die Guidelines der unterschiedlichen Instanzen entsteht so eine sehr individuelle Nutzererfahrung.
Ein interessantes Feature sind die Content-Warnings, die man selbst beim Verfassen eines Toots erstellen kann. Im Vergleich zu X unterstützt Mastodon weniger Medientypen. Dafür gibt es keine zeitliche Einschränkung bei Videos. Dafür schränkt das Limit von 99MB Länge und Qualität deutlich ein.
Zuletzt gab es mit Version 4.3 einige interessante Anpassungen. Durch die überarbeitete „Wem folgen?“-Funktion erhaltet ihr nun passende Vorschläge die auf Sprache und Profil angepasst sind. Weitere Quality-of-Life-Änderungen sind die Möglichkeit mehrere Bilder in einem Post manuell neu anzuordnen und dass Benachrichtungen nun gruppiert werde.
Threads – Facebooks Twitter-Alternative
Threads hatte mit seinem Releasezeitpunkt ideale Ausgangssituation zu einer starken Twitter-Alternative zu werden. Elon Musk hatte gerade erst eine Limitierung der Zahl täglich anschaubarer Tweets durchgesetzt, als Meta quasi aus dem Nichts am 5. Juli 2023 Threads veröffentlichte. Zunächst tatsächlich mit beeindruckenden Zahlen. Noch im Releasemonat schaffte es die App dank Instagram-Verknüpfung auf 100 Millionen Nutzer. Im November 2024 verkündete Instagram-Chef Adam Mosseri 275 Millionen monatlich aktive Nutzer auf Threads.
Auch Threads wirkt wie eine dreiste Kopie seines Vorbilds und erschien eigentlich zu einem optimalen Zeitpunkt. Eine interessante Twitter-Alternative ist Threads aber durchaus. So ist es stark mit der meta-Welt verbunden: Nutzer loggen sich mit ihrem Instagram-Account ein. Damit startet man gegebenenfalls mit einer viel größeren Follower-Basis. Threads erlaubt Posts mit bis zu 500 Zeichen und ihr könnt gewohnt Links, Bilder und Videos (max. 5 Minuten) einbetten. Neuerdings wurde die Bearbeitungsmöglichkeit eines Posts von 5 auf 15 Minuten erhöht. Obwohl Instagram sehr stark auf Hashtags setzt, sind die Hashtags bei Threads nur sehr rudimentär eingesetzt und nutzen nicht einmal die Raute, sondern werden nur als ein Hashtag verlinkt.
Im Dezember 2024 folgte außerdem die seit Release angekündigte Anbindung ans Fediverse. Im Fediverse sind diese Pläne natürlich sehr umstritten, da es genau die kommerzielle Ebene wäre, die man durch die Dezentralität ausgegrenzt zu haben glaubte.
Bluesky – Konkurrenz vom Twitter-Gründer
Woanders ist der Himmel immer blauer? Das hat sich vermutlich auch Twitter-Gründer Jack Dorsey gedacht. Angekündigt wurde Bluesky bereits 2019. Damals sollte das Projekt noch zu Twitter gehören. Mittlerweile dürfte Jack Dorsey froh sein, dass es seit Frühjahr 2022 auf eigenen Beinen steht und nun zum Kreis der besten Twitter-Alternativen gehört. Bei den Wurzeln wundert es bei Bluesky wohl am wenigsten, dass es dem alten Twitter auf dem ersten Blick sehr ähnelt. Doch wie auch Mastodon und in Teilen auch Threads, setzt Bluesky auf einen dezentralen Ansatz. Blue Sky lässt euch 300 Zeichen für eure Posts und ihr könnt natürlich auch Links, Bilder und Videos einbetten (bis 50MB / 60 Sekunden). Eine nachträgliche Bearbeitung eurer Posts ist in Blue Sky allerdings nicht möglich.
Eines der stärksten Features von Bluesky sind die Feeds. Bluesky selbst erstellt Feeds basierend auf euren Followern und wen ihr selbst folgt, aber ihr könnt auch eigene Custom Feed erstellen. Um die auszureizen sind zwar ein paar rudimentäre Programmierkenntnisse nötig, doch sie geben euch eine einzigartige Kontrolle, welche Inhalte im Feed landen. Auch sonst lässt sich Bluesky sehr stark anpassen. Die Twitter-Alternative erlaubt euch nicht nur das blockieren von Nutzern, sondern ganzer Netzwerke. Auch bestimmte Wörter oder Hashtags lassen sich individuell stummschalten. Ihr könnt eure Content-Moderation auch über Moderationslisten mit anderen Nutzern teilen.
Während Threads vor allem durch die Nähe zu Instagram punktet, dürfte Bluesky die beliebteste tatsächliche Twitter-Alternative sein. War Bluesky bei Deutschen Abwanderern zunächst besonders beliebt, scheint die App nun auch international stark zuzulegen. Auf socialmediastatistik.de wurden die Nutzerzahlen für den 4. November 2024 noch mit 13,7 Millionen Nutzern angegeben, am 20. November waren es schon 20,7 Millionen und sie steigen weiterhin. Trumps Wahlsieg hat offenbar das Vertrauen vieler weiterer Nutzer in die Plattform beschädigt.
Spoutible – das Anti-Twitter
2022 fragte der US-amerikanische Tech-Unternehmer Christopher Bouzy, wer wechseln würde, wenn er ähnliche Plattform wie Twitter entwickelt. Diese Plattform sollte die Stärken von Twitter weiterentwickeln und zugleich Belästigung und Desinformation eindämmen. Wenige Monate später startete die neue Plattform Spoutible. Spoutible baut auf der Technologie von Bouzys Twitter Analyse-Tools Bot Sentinel auf. Bouzy gründete Bot Sentinel 2018 als Reaktion auf die russischen Einmischungen in die Wahl 2016. Bot Sentinel ist per maschinellem Lernen darauf trainiert problematische Accounts zu erkennen, die Falschinformationen oder Hass verbreiten.
Spoutible ist Twitter tatsächlich sehr ähnlich, nur dass die Posts hier Spouts heißen und die Hashtags Splashtags. Anstatt den 280 Zeichen habt ihr 300 Zeichen und die Spouts können bis zu sieben Minuten nach Veröffentlichung bearbeitet werden. Da Spoutible sich als Safespace sieht, gibt es eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Desinformation, Manipulation und Hass. Nutzer können auch Antworten löschen und Nutzer blockieren. Blockierte Nutzer können dann in keinster Weise mehr mit einem interagieren. Außerdem nutzt Spoutible Bot Sentinel, um problematische Accounts zu identifizieren. Auch absichtliches Fehlgendern und die Verwendung von Deadnames (bewusst abgelegte Namen, etwa bei Transgeschlechtlichkeit) sind auf der Plattform ebenfalls verboten.
Im Juni 2023 zählte die Plattform 240.000 Nutzer. Es gibt zwar keine aktuellen Zahlen, doch dürfte Spoutible weiterhin eher zu den kleineren Twitter-Alternativen gehören.
X – Die beste Twitter-Alternative bleibt Twitter?
Ich habe sowohl auf Twitter als auch auf YouTube schon mehrfach die große Aufbruchsstimmung erlebt. Ein neues Netzwerk kommt, lockt mit Versprechungen und wird von Teilen der Community zum gelobten Land erklärt. Fakt ist: Drüben ist das Gras auch nicht zwingend grüner. Zunächst ist man noch berauscht. Alles ist neu und die Community um so vieles besser. Doch irgendwann endet diese Honeymoon-Phase oft – auch wenn gerade Threads und Bluesky sich echt gut entwickelt haben. Trotzdem nimmt sich zu viel Konkurrenz mit ähnlichem Konzept auch wieder Chancen.
Ein etwas zweifelhaftes Alleinstellungsmerkmal ist aktuell auch der morbide Trash TV-Charme von X. Man weiß nie, mit welcher Idee Musk als nächstes um die Ecke kommt und irgendwie möchte man auch wissen, mit welch grotesken Aussagen er als nächstes um sich schießt. Und auch wenn es danach aussieht, dass X kräftig am eigenen Ast sägt: Elon Musk wurde bereits oft belächelt, ehe Unternehmen wie Tesla dann doch zum großen Erfolg wuchsen. Seine ursprüngliche Vision der X-App ist jedenfalls größer als das ursprüngliche Twitter. Musk schaut gerne nach Asien zu WeChat oder Line. Er möchte eine „App für alles“ erschaffen, die über die Social Media-Features hinaus in vielen Lebensbereichen genutzt wird.
Während die besten Twitter-Alternativen sich um einen bekannten Markt streiten, will Elon Musk im Westen einen neuen erobern. Die Frage ist aber vor allem, wie lange die Community das mitmacht. Twitter war nie bekannt für große Änderungen – nun ist X jedoch das Netzwerk, das am radikalsten und oft auch unbedacht neue Ideen auf ihre Nutzer loslässt. Das kostet X längst zunehmend Nutzer. Auf die offiziellen Zahlen sollte man sich zudem nicht verlassen. Dafür sind aktuell zu viele Bots aktiv, die sich auf nahezu jeden neuen Post der Plattform stürzen.
Für Communities gibt es auch andere Twitter-Alternativen
Eventuell seid ihr nicht einmal auf der Suche nach den besten Twitter-Alternativen, sondern allgemein auf der Suche nach einer neuen Heimat für eure Community. Nicht wenigen ist Twitter ohnehin zu toxisch und sie wollen lieber ihre Wohlfühl-Bubble. Da eignet sich dann etwa ein eigener Discord-Server, der euch mehrere Kanäle zum direkteren Austausch gibt und der sich intern einfacher moderieren lässt.
Womöglich bieten euch Twitter und seine Alternativen ohnehin eigentlich wenig Mehrwert. In welchen Netzwerken seid ihr noch aktiv? In welchen sind die meisten eurer wichtigen sozialen Kontakte? Manche merken erst, wie wenig sie eine Plattform brauchen, wenn sie sich eine Auszeit gönnen und vielleicht sogar bemerken, dass ihnen diese guttut.
Wenn ihr das Gefühl habt das Twitter euch ohnehin nicht so wichtig ist, dann versucht einfach eine Weile ohne X und Co auszukommen. Das gibt euch mehr Zeit für andere Netzwerke oder für ganz andere Hobbies. Das könnt ihr nicht nur für Twitter ausprobieren, sondern auch bei anderen Plattformen. Ein Social Media Detox kann nur einen Tag oder auch einen ganzen Monat dauern. Gebt bei längerer Auszeit aber am besten euren Followern Bescheid. Pausiert ihr nur eine Plattform könnt ihr auch schreiben, wo man euch noch erreichen kann.
Fun Fact: Cities Skylines hat noch seinen Vogel
Keine wirkliche Alternative, da es sich um ein fiktives Social Network handelt. Die Stadtbau-Simulation Cities Skylines informiert euch über die Bedürfnisse der Bewohner über Posts im Social Network „Chirper“. Dieses hat wohl nicht gerade zufällig einen blauen Vogel als Logo. Ich frage mich, ob Entwickler Colossal Order bereits mit dem Gedanken gespielt hat, Chirper tatsächlich als Twitter-Alternative umzusetzen. Nicht nur hätte der Nutzer wieder einen blauen Zwitschervogel – nein, ihr könntet ihn auch noch mit diversen Hüten anpassen. Wehe sie killen Chirper irgendwann noch für die „C-App“.
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