Wir haben keinen Mark Zuckerberg, aber viele Solopreneure

Wird über netzökonomische Aspekte in der Öffentlichkeit gesprochen, denkt man automatisch an die großen Kaliber des Silicon Valley und die neuen Zuckerbergs, die sich am Horizont abzeichnen. Es werden nur jene ernstgenommen, die das ganz große Rad drehen oder zumindest prahlerisch behaupten, irgendwann in der ersten Liga der Internet-Giganten mitzuspielen. Traditionell bekommt man als Gründer auch in Deutschland den Rat, ein komplettes Unternehmen zu planen mit Rechnungswesen, Controlling, Fragen des Gesellschaftsrechts, Finanzen, Gebäude und Mitarbeitern. Bei allem soll der Gründer einen Überblick haben. Am besten noch mit BWL-Expertise. Und immer wieder kommt die Empfehlung von schlauen Beratern, wie wichtig doch die Finanzierung sei – entweder mit Bankkrediten oder Risikokapital. Der Sprung in die Selbstständigkeit führt dann ganz schnell in eine neue Abhängigkeit von Kapitalgebern. Man wird zum Angestellten in seiner eigenen Firma.

Auch die Luftblase namens Venture Capital vernebelt die Sinne vieler Startups, die nicht wissen, worauf sie sich in den Verträgen mit hundert Seiten, geschrieben von Anwälten in noblen Kanzleien, einlassen. Zu schnell geraten Enthusiasten für eine neue Geschäftsidee in den Konflikt mit klassischen Aufgaben des Managements: Ordnung halten, Routinen konzipieren und Menschen kontrollieren.

Einzelkämpfer mehr beachten

Konzepte von Einzelkämpfern, die sich als Laptop-Unternehmer im Netz erfolgreich etablieren, finden nur wenig Beachtung. Benjamin O’Daniel, Redakteur für Content Marketing-Projekte, will das ändern. In einem eBook präsentiert er Digitalexperten, die sich nicht mehr von ihren Kunden und Geschäftspartnern antreiben lassen.

“Sie wollen nicht mehr ständig im Zug, Auto und Flugzeug sitzen und quer durch Deutschland oder die Welt jetten. Sie wollen ihre Arbeitsprozesse und Einkommensquellen selbst steuern. Sie wollen raus aus dem System ‘Zeit gegen Geld’. Sie wollen gutes Geld verdienen UND ein angenehmes Privatleben führen. Und das funktioniert mit digitalen Produkten ausgesprochen gut.”

Wenn Startup-Unternehmer scheitern

Kein Personal, keine Gewerbemiete, keine hohen Betriebskosten, Steuern und Sozialabgaben. Es sind Solopreneure, weil diese Akteure sich alleine etwas aufbauen. “Sie setzen auf digitale, skalierbare Vertriebsformen. Es bedeutet keinen Mehraufwand, ob man ein eBook oder tausend eBooks verkauft”, so O’Daniel. Das Fachwissen der Solopreneure ist im Netz abrufbar und kann mit einfachen Mitteln vermarktet werden. Sie befreien sich aus dem Hamsterrad der klassischen Projektarbeit. Zu den Vorreitern zählt Ehrenfried Conta Gromberg, der im Opus von Benjamin O’Daniel zu Wort kommt. Während viele Unternehmensberater sich auf Konzerne und mittelständische Unternehmen konzentrieren, interessiert sich Gromberg für die digitalen Vorreiter.

“Mit dem Solopreneur Day startete er das erste Event dazu und hält Workshops zum Thema ab. Unter anderem sprach er auf der DNX, der Konferenz für ‘digitale Nomaden’. Dort treffen sich viele Reiseblogger, Freiberufler und Querdenker, die vor allem ein unabhängiges Leben führen wollen. Genau nach seinem Geschmack”, so O’Daniel.

Seine Leidenschaft für Solopreneure ist aus dem eigenen Scheitern als Startup-Unternehmer am Gipfelpunkt des Neuen Marktes entstanden. Ende der 1990er Jahre gründete Gromberg mit seiner Frau ein eigenes Unternehmen.

“Die Idee wurde schnell groß: Wir haben Leute eingestellt, hart gearbeitet, wenig geschlafen, eine ganze Etage als Büro gemietet. Was man eben so macht als Startup. Vier Wochen vor dem Dot-Com-Crash waren wir online. Ein selten dämlicher Zeitpunkt, um online zu gehen. Kurz danach sollte die zweite Finanzierungsrunde kommen. Die Investoren saßen vor uns und sagten: Alle unsere Schiffe sind gesunken. Wir haben leider kein Geld mehr für euch. Ein abruptes Ende”, so Gromberg.

Es sind jene Fehler, die dazu führen, dass rund 80 Prozent der Unternehmensgründer in der Pleite landen.

Auf der Suche nach digitalen Geschäftsmodellen ohne Hamsterrad

Das war für Gromberg der Beginn für die Suche nach digitalen Geschäftsmodellen, die individuelle Freiheit und Unabhängigkeit garantieren – organisch wachsen und kein Hamsterrad produzieren. So lautet die Theorie. In der Realität müssen natürlich auch die Solo-Unternehmer Aufträge an Land ziehen und mehr als 40 Stunden in der Woche schuften. “Das ist ein hartes Geschäft. Deswegen brechen wir eine Lanze dafür, dass man sich bewegt und sich verändert. Wir würden heute kein Startup mehr gründen. Wir würden aber auch nicht mehr klassisch wie früher arbeiten”, erklärt Gromberg. Gemeint sind die Eins-zu-Eins-Beziehungen mit Kunden. Die Schwachstelle dieser klassischen Geschäftsbeziehungen: Man baut meist keine digitale Basis auf. Dabei stecke genau darin die Möglichkeit, unabhängiger und freier sein Geld zu verdienen.

Mit dem Wachsen der Contentmodelle sollte sich jeder die Frage stellen, ob ein Wechsel in eine Form des Solopreneurship möglich ist: “Als Solopreneur baue ich systematisch eigene digitale Produkte oder Services auf. Dadurch erhalte ich mehr Freiheit, variable Zeit und Unabhängigkeit. Ich bin nicht mehr abhängig von diesem einen Schicksalsmoment, ob ein Kunde mich bucht oder nicht”, weiß Gromberg. Es sei ein Denkfehler zu glauben, die eigene Expertise entfaltet sich nur im individuellen persönlichen Gespräch. Vernachlässigt werde die Skalierbarkeit:

Ob ich einen Kurs oder tausend Kurse verkaufe – der Aufwand bleibt gleich, weil digitale Prozesse auf Wiederholung angelegt sind. Ab jetzt können meine Kunden aus ganz Deutschland auf mein Fachwissen zugreifen – ähnlich wie bei einer klassischen Publikation über einen Verlag.”

Wer als Experte sichtbar sei, Orientierung bietet und bereits auf seiner Website zeigt, dass er Sinn von Unsinn unterscheiden kann, wird die Nase vorne haben. Kostenloser Content ist dabei nicht das Problem. Damit erhöhen Digitalexperten ihre Reichweite, stellen ihre Expertise unter Beweis und fördern die Vermarktung ihrer Bezahlangebote.

Keine Lohnsklaverei

Als Hemmnis für Solopreneure sieht Gromberg die Kampagne der Gewerkschaften gegen so genannte Scheinselbständige und Soloselbständige. Ähnliches verzeichnet das Notiz-Amt auch bei der Homeoffice-Debatte. Da wird in ein Arbeitsfeld aus Ahnungslosigkeit reingetreten.

“Die Soloselbstständigen, die wir begleiten, sind High Performer. Sie wollen unabhängig leben und eine persönliche Geschäftsidee umsetzen. Sie haben nichts zu tun mit Lohnsklaven, die für Centbeträge entwürdigende Kleinstarbeiten erledigen. Wenn Gewerkschaften ohne Vorkenntnisse wild nach Regulierungen rufen, führt das dazu, dass Soloselbstständigkeit noch stärker benachteiligt wird als es jetzt schon der Fall ist.”

In Deutschland fehlen keine Regeln, sondern Menschen, die frei denken. Zu den Freidenkern im eBook von Benjamin O’Daniel zählt der Ingenieur Bernd Geropp, der mit seinem Podcast “Führung auf den Punkt gebracht” monatlich etwa 60.000 Downloads verzeichnet und damit ein beachtliches Instrumentarium für seine Beratungsgeschäfte etabliert hat.

Hier sieht das Notiz-Amt einige Gründe, sich intensiver mit Solopreneure zu beschäftigen. Etwa beim netzökonomischen Käsekuchen-Diskurs.

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Man hört, sieht und streamt sich daher zum Thema: “Vom Blogger zum Solopreneur: Geschäftsmodelle für die Blogosphäre”.


Teaser & Image “Laptop-Start” by vanmarciano (CC0)


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ist Diplom-Volkswirt, lebt in Bonn und ist Wirtschaftsjournalist, Kolumnist, Moderator und Blogger. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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