IFA 2022: Das sind die Trends der Messe

Die größte europäische Elektronik-Messe IFA Berlin ist aus der Corona-Pause zurück. Sowohl kleine als auch namhafte Hersteller nutzen die Gunst der Stunde, um ihre aktuellen Neuheiten vorzustellen, aber auch um über Trends zu informieren. Wir waren in den letzten Tagen auf dem Berliner Messegelände unterwegs und geben einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen.

Smartphones, Notebooks und TVs lassen sich biegen und falten

Bereits seit einigen Jahren versuchen sich die großen Hersteller an faltbaren Endgeräten. Mittlerweile ist die Entwicklung so weit vorangeschritten, dass eine Vielzahl an Produktkategorien mit den flexiblen Displays daherkommen. Zuerst ist dabei Samsung zu nennen, dessen Smartphones Fold 4 und Flex 4 ihre Deutschlandpremiere feiern. Die Materialanmutung ist hochwertig und das Scharnier robust. Durch den Klappmechanismus ergeben sich neue Einsatzmöglichkeiten – etwa im Zusammenspiel mit der Kamera. Einziger Wermutstropfen ist die Dicke im zusammengeklappten Zustand: Sie entspricht zwei herkömmlichen Smartphones.

Erstmals live zu erleben sind auf der IFA Berlin die beiden Notebooks Asus ZenBook 17 Fold sowie Lenovo ThinkPad X1 Fold. Die Geräte bestehen nahezu komplett aus einem Bildschirm und sind multifunktional nutzbar: Ob als klassisches Notebook, großes Display mit externer Tastatur oder Notebook mit physischem Keyboard bieten sie viele Einsatzmöglichkeiten. Besonderen Wert haben die Unternehmen auf die Langlebigkeit des Klappmechanismus gelegt. 30.000 Zyklen hat etwa Asus getestet. Leider ist die Haptik der Prototypen verbesserungswürdig. Die Geräte sollen im vierten Quartal für 4.000 Euro ihren Marktstart feiern.

Asus ZenBook 17 Fold
Wer auf große Displays steht, sollte sich das Asus ZenBook 17 Fold genauer anschauen. Image by Jonas Haller

Die Branchengröße LG zeigt mit dem OLED Flex einen biegbaren Bildschirm, der sowohl Monitor als auch SmartTV sein will. Während das 42-Zoll-Gerät im Gaming Modus mit kurzem Sitzabstand an den Ecken gebogen werden kann, verwandelt es sich für den Filmabend zu einem flachen Fernseher. Zwei 40 Watt Lautsprecher versprechen zudem einen angenehmen Sound. Im November soll das Produkt im Handel verfügbar sein – Preis offen.

Weiße Ware wird schlauer und vernetzter

Die Vernetzung von Haushaltsprodukten ist nicht erst seit diesem Jahr ein bestimmendes Thema auf der IFA Berlin. Mittlerweile etablieren die Hersteller wie Siemens, Miele, Bosch und Samsung ihre eigenen Ökosysteme mit dazugehörigen Apps. Diese liefern entsprechende Benachrichtigungen, wenn die Waschmaschine fertig oder das Essen gekocht ist. Miele geht einen Schritt weiter und hat CookAssistant und Smart Food ID vorgestellt. Die Küchengeräte erkennen nicht nur automatisch, um welche Zutat es sich handelt, sondern eine App liefert Rezepte für das beste Kochergebnis gleich mit. Die Einstellungen lassen sich anschließend direkt auf Herd, Ofen und Co übertragen.

Samsung geht noch einen Schritt weiter und zeigt mit SmartThings ein ganzheitliches Netzwerk. Alle 2023er Geräte des Unternehmens können miteinander kommunizieren und so erscheint etwa auf dem Kühlschrank-Display eine Nachricht, wenn die Waschmaschine fertig ist. Um Energie und Wasser zu sparen, erkennt die Waschmaschine den Verschmutzungsgrad und passt das Programm entsprechend an. Weiterhin entfernen spezielle Filter 54 Prozent des ausgewaschenen Mikroplastik aus dem Abwasser für eine bessere Aufbereitung.

Samsung SmartThings
Geht es nach Hersteller Samsung, so sind unsere Küchengeräte in Zukunft alle vernetzt. Image by Jonas Haller

Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Kollaboration spielen immer wichtigere Rolle

Vor dem Hintergrund der steigenden Energiepreise gehören Nachhaltigkeit und Effizienz zu den wichtigen Schlagworten der Messe. Das macht sich bei den besonders energiehungrigen Geräten bemerkbar: Die Hersteller optimieren Programme und geben uns Nutzenden per App einen besseren Einblick in Verbräuche und zu erwartenden Kosten. Weiterhin kooperiert etwa Samsung mit Hersteller von Solarkollektoren für eine optimale Nutzung erneuerbarer Energien. Eine neue Solar-Fernbedienung für den Smart-TV macht den nervigen Batteriewechsel obsolet.

Aber auch im Smart Home gibt es neue Entwicklungen hin zum energieoptimierten Heim. Der Münchner Hersteller von intelligenten Heizungssteuerungen Tado erweitert die App um den Balanced-Modus. Kommt ein zeitvariabler Tarif zum Einsatz, so werden etwa Warmwassertanks kostengünstig im Zeitraum des geringsten Preises aufgefüllt. Auch im Hinblick auf die erneuerbaren Energien ist die Funktion wegweisend: Bei einem großen Überschuss am Tag wird die Energie im Warmwasserspeicher für den Abend und die Nacht “gelagert”.

Für die Kommunikation der Produkte untereinander ist die Entwicklung des Standards „Matter“ in den letzten Zügen. Noch in diesem Jahr soll das übergeordnete Ökosystem an den Start gehen. Auf der IFA Berlin zeigen die zahlreichen Hersteller erste Funktionsmuster: Smarte Heizkörper-Thermostate von Netatmo kommunizieren mit Eve-Steckdosen, die wiederum mit Yale-Sicherheits-Gadgets verbunden werden können.

Netatmo Matter
Smarte Türdetektoren können dank Matter mit Lichtpanels kommunizieren. Image by Jonas Haller

Private Sicherheit wird smarter

Digital steuerbare Schlösser sind nicht neu. Hersteller wie Nuki oder HomeMatic haben entsprechende Aufsätze bereits im Portfolio. Doch auf der IFA Berlin gibt es auch neue Produkte zu sehen – etwa von Yale. Neben einem vernetzten Türschloss zeigt das niederländische Unternehmen einen smarten Riegel für den Wandschrank. So lassen sich Medikamente oder aggressive Reinigungsmittel vor dem Nachwuchs sicher verwahren. Des Weiteren wurde ein digitaler Safe vorgestellt, der nicht nur per Smartphone geöffnet, sondern auch überwacht werden kann.

Neu im Geschäft der smarten Türschlösser ist das französische Unternehmen Netatmo. Vor 10 Jahren mit einer Wetterstation auf den Markt gegangen, deckt der Tausendsassa mittlerweile so ziemlich jede Smart-Home-Kategorie ab. Neuester Sprössling ist ein Schließzylinder, der lokal mittels Telefon per Bluetooth oder über einen physischen NFC-Schlüssel genutzt werden kann. Zwar ist die Installation etwas schwieriger, allerdings ist der Betrieb auch sicherer. Kinder müssen kein Smartphone besitzen, um in die Wohnung oder das Haus zu gelangen.

Netatmo Schloss
Das smarte Netatmo Schloss funktioniert auch mit einem physischen NFC-Schlüssel. Image by Jonas Haller

Wie auch etliche Mitbewerber hat Netatmo Sicherheitskameras im Angebot. Neu auf der IFA Berlin wird eine Weiterentwicklung mit Sirene vorgestellt. Mögliche Einbrecher werden durch schrille Geräusche abgeschreckt. Um Fehlalarme zu vermeiden, können bestimmte Bereiche auch tot gestellt werden. Zudem erkennt das System, ob sich ein Mensch oder nur ein Tier der Tür nähert. Ähnliche Produkte ohne Sirene zeigen auch Ring oder Yale auf der Messe.

Per Solarpanel und Akku zur elektrischen Unabhängigkeit

Kaum vorbei kommt man auf der IFA Berlin an großen, portablen Batterien, die per Solarpanel geladen werden können. Eigentlich für Camping oder Schrebergarten gedacht, gewinnen sie in Zeiten gestiegener Energiekosten auch für die eigenen vier Wände an Bedeutung. Auf den ersten Blick ähneln sich die Produkte von Jackery, Ecoflow oder Zendure stark. Die Kapazität liegt bei bis zu 3600 Wh und die Solarfelder können mit bis zu 400 W laden. Damit können die Boxen an einem sommerlichen Sonnentag wieder mit Strom versorgt werden.

Mit der Kapazität steigt natürlich auch das Gewicht. Während die kleinen Boxen (etwa Jackery Explorer 240) mit vier Kilogramm noch gut transportabel sind, wiegt der EcoFlow Delta Pro sage und schreibe 45 Kilogramm. Für die Verladung sind dann auch zwei Personen nötig. Allerdings beeindrucken die Laufzeiten: Ein Laptop kann 57 Mal geladen, 150 bis 170 Tassen Kaffee gebrüht und eine 1,5 Kilowatt starke Elektropfanne 2,2 Stunden erhitzt werden. Den aktuellen Ladestand, Input und Output gibt das Gerät auf dem Display aus. Eine App ermöglicht die Steuerung und Überwachung des Energieflusses von fern.

Jackery Akkupack
Je nach Anforderungsgebiet gibt es verschiedene Batteriegrößen. Image by Jonas Haller

Wer etwas mehr Energie benötigt, greift auf die modulare Zendure Superbase V zurück. Sie bietet eine Kapazität von 6,4 bis 64 Kilowattstunden und kann auch für das Laden von Elektroautos verwendet werden. Ganze fünf Kilowatt beträgt die Ausgangsleistung. Die Solid-State-Batterie ist nicht nur stoßresistenter, sondern besitzt auch eine höhere Energiedichte. Für das Laden bietet Zendure ein drei Kilowatt starkes Solarpanel an. Aber auch für Besitzer eines heimischen Solarsystems ist das Produkt interessant. Wahlweise fließt der Strom über öffentliche Ladesäulen in die Batterie. Freunde von Sprachsteuerungen freuen sich zudem über die Integration von Amazon Alexa und Google Home. Ab dem 20. September kann das Energiesystem ab voraussichtlich 2.000 Euro vorbestellt werden.

Schlaue Waagen, Armbänder und Kopfhörer verbessern die Lebensqualität

Längst sind Fitnessarmbänder und Kopfhörer nicht mehr nur für Profi- und Hobbysportler interessant. Auch für einen Überblick über Parameter des eigenen Körpers eignen sich die Gadgets. Besonders aktiv ist das französische Unternehmen Withings. Im Rahmen der IFA Berlin wurde die neue Waage Body Comp vorgestellt. Sie erweitert die beliebte Body Cardio, um einen mit Sensoren ausgestatteten Griff. Mit ihm bestimmt die Software den viszeralen Fettgehalt (um die Organe) sowie die Nervenaktivität. Mithilfe des neuen Dienstes Health+ können die Daten ausgewertet und ein angepasster Trainings- und Speiseplan erstellt werden. Ob die Funktion einen Personal Trainer ersetzen kann, wird sich zeigen.

Withings Body Comp
Mithilfe der Withings Body Camp lässt sich die Nervenaktivität bestimmen. Image by Jonas Haller

Ebenfalls beim Training behilflich sind die neuen Smartwatches von Amazfit. Die GTR 4 und GTS 4 (mini) erkennen nicht nur Sportarten von allein, sondern Krafttrainingsübungen. Ein eingebauter Lautsprecher informiert über Herzfrequenz, Trainingsdauer und -distanz oder gibt Trinkhinweise. Die Akkulaufzeit ist trotz neuem, zirkularen GPS-Modul mit 14 Tagen erfreulich lang. Dank der geringen Masse von 27 Gramm sind die Uhren am Arm kaum spürbar. Dadurch wirken sie allerdings auch etwas billig. Der Preis ist jedoch mit 200 Euro (GTS 4) respektive 230 Euro (GTR 4) durchaus fair bemessen.

Während es gute Bluetooth-Kopfhörer mit Active Noise Cancelling mittlerweile wie Sand am Meer gibt, wartet Jabra mit genau dem Gegenteil auf. Auf der IFA Berlin zeigt das dänische Unternehmen erstmals die Enhance In-Ears der Öffentlichkeit, die bis zu einem bestimmten Maß das Hörvermögen verbessern sollen. Über die Companion-App lässt sich das eigene Hörprofil konfigurieren und bestimmte Frequenzen verstärken. In Zukunft sollen weitere Hörgeräte-Features in den Consumer-Produkten Einzug halten. Des Weiteren werden sich mit dem neuen Auracast-Standard schon bald Inhalte über mehrere Geräte teilen lassen. Stichwort Broadcast. Einsatzgebiete sind Kino, Theater und Konzerthäuser, aber auch Museen, Kirchen oder Bahnhöfe. Der Konzern GN entwickelt aktuell mit Partnern eine Künstliche Intelligenz, die es erlaubt, aus der Aussprache des Gegenüber Emotionen zuverlässig zu erkennen. Ein spannendes Thema – etwa für Autist:innen. Wir bleiben dran.


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