Die Frau mit den vielen Namen: Zu Besuch bei Niamh Bushnell

Eine irische Zeitung hat sie jüngst als Zarin bezeichnet. Für viele ist sie aber schlicht und einfach “The Commish”. Ein Besuch im Büro der Dubliner Startup-Beauftragten Niamh Bushnell. “The Commissioner will see you now” – oder so ähnlich hätte meine Erwartung des Empfangs im Bürogebäude der Dubliner Commission for Startups sein können. Von einer Zarin war in einer Zeitung die Rede, von einer wichtigen Schnittstelle zwischen Tech und Regierung, deren “Eingaben zum bevorstehenden Haushalt den Finanzminister beeinflussen müssen” in einem anderen Blatt. So locker, “down to earth” und voller Energie wie mir Niamh Bushnell dann aber persönlich die Tür aufmachte, so gab sich die Dubliner Startup-Beauftragte dann auch im Interview. Wie “The Commish” ist die ganze Dubliner Startup-Szene “offen für alles”.

Wie wird man zur ersten Startup-Beauftragten der irischen Hauptstadt? Es gibt hier die Redewendung “Been there, done that, bought the T-shirt”. Niamh Bushnell hat ihr Leben im Bereich Tech verbracht. Von der Gründung einer Research-Firma mit ihrem Bruder, über VP Software bei der irischen Wirtschaftsförderung “Enterprise Ireland” in New York, bis hin zur Investorin hat sie Einblicke aus allen Blickwinkeln gewinnen können, die für ihren Job so wichtig sind.

“Mission Possible”

Ihre Mission – Dublin zur einer starken Stimme zu machen, das Image der irischen Hauptstadt zu pflegen und sie zu einer wichtigen Plattform zu machen, von der aus Startups sich lokal, national und international entwickeln können. Die “Mission Possible” begann für Niamh Bushnell am 1. Oktober 2014. Was war die größte Herausforderung in den ersten 100 Tagen? “Zu lernen wer die wichtigen Akteure sind” lautet die Antwort. Sie sei quasi permanent durch die Straßen der Silicon Docks am Dubliner Hafen gelaufen, um Menschen kennenzulernen und von Machern zu lernen.

Dass die Startup-Szene, die sie in Dublin vorfand, durchaus überschaubar war, sieht sie überhaupt nicht negativ. “Wenn man aus New York kommt, könnte man sich unter Umständen von der Größe Dublins täuschen lassen, aber den Fehler habe ich nicht gemacht”, sagt Bushnell und betont die Vorteile die es hat, dass hier alle wichtigen Spieler in der “Mission Possible” so nah beisammen sind. Die großen Multinationals sind für Startups sowohl zu Fuß leicht zu erreichen, als gleichzeitig auch offen für Kooperationen.

Und dort, wo in den großen Firmen noch Mauern bestehen, da sieht Niamh Bushnell eine ihrer Hauptaufgaben darin, so lange zu klopfen bis diese Mauern fallen: “Wenn die Multinationals erst einmal die Kreativität und die Innovation kennenlernen, die in vielen Startups schlummert, dann ist diese spezielle Aufgabe umso leichter zu absolvieren.

Das liebe Geld

Ebenfalls gut zu Fuß zu erreichen ist für die Startup-Beauftragte das Finanzministerium. Ich habe Niamh Bushnell kurz vor der Vorstellung des Haushalts 2016 getroffen und sie gefragt, welche Hoffnungen sie daran knüpft. Oder gibt es sogar Forderungen an den Minister? “Unserer Meinung nach muss das Steuer-System für Gründer grundlegend überholt werden”, stellt Niamh Bushnell die Erwartungen der 40 Mitglieder starken “Dublin Startup Leaders Group” an die Regierung klar. Private Fördermittel von Angel-Investoren müssten freigemacht werden, um Unternehmern Gründungen zu erleichtern.

Ich bin selbst Angel-Investor in den USA”, sagt Bushnell, die dort in mehrere Unternehmen investiert hat. In Irland würde sie es aber zu diesem Zeitpunkt nicht machen, da die nötigen steuerlichen Anreize nicht gegeben seien. Der Blick über die irische See nach London zeige, was möglich ist. Dort gibt das “Seed Enterprise Investment Scheme” (SEIS) Investoren Steueranreize, um in Startups zu investieren. Daher auch der eindringliche Wunsch an den Finanzminister: “Wir wollen SEIS im Haushalt sehen.

Weiter mit dem lieben Geld – “Letzte Woche, diese Woche, irgendeine Woche …”

Die Erwartungen, die die Dubliner Startup-Community an den Haushalt 2016 richtete, waren also hoch. Doch die Politik enttäuschte. Noch in der Woche bevor der Finanzminister an die Mikros trat, waren seine Kabinetts-Kollegen in der Startup Week durchs Land gereist und hatten jeden Gründer, dem sie die Hand schütteln konnten, für das Engagement gelobt, das junge Unternehmen an den Tag legen. Eine Woche später die Realität, die Niamh Bushnell so zusammengefasst hat:

Die gleiche Regierung, die letzte Woche Startups so gelobt hat, hat diese Woche ein großes NEIN gesagt. NEIN zur Förderung von Angel -Investment in Irland. NEIN zur Nutzung von Aktienoptionen, um talentierte Mitarbeiter anzulocken. NEIN zu einer Steuerpolitik, die es Dublin ermöglichen könnte, noch besser mit London zu konkurrieren.

Bei aller Enttäuschung gab sich die Startup-Beauftragte aber auch kämpferisch: “Wir werden dran bleiben und weiter versuchen, Entscheidungen zu beeinflussen. Solange bis es in irgendeiner Woche richtig hinhaut.

Was sind die Dubliner Startups ohne den WebSummit wert? Verdammt viel!

Beim Interview mit Niamh Bushnell kam natürlich auch das Thema Web Summit auf. Wie groß ist der Schock des Verlusts der Konferenz an Lissabon für die Dubliner Startup-Szene? Wird es weniger Fördergelder geben, weil der Web Summit Dublin verlässt? Werden unsere Unternehmen Kunden und Konkurrenzfähigkeit verlieren? Werden die Multinationals ihre R&D-Abteilungen wegverlagern?

Nein, Nein & Nein. Unser Startup-Ökosystem wird nicht davon betroffen sein.” Der Web Summit habe Dublin fünf tolle Jahre gegeben und die Stadt zum Zentrum des Tech-Universums gemacht. Aber Dublin brauche keine Konferenz, um die eigene Tech-Wirtschaft voranzubringen: “Wir arbeiten hart daran, auf dem aufzubauen, was wir haben, um den Standort Dublin weiter zu verbessern.

Und was den Web Summit anbetrifft, so macht Niamh Bushnell fleißig Werbung für folgende Idee: “Statt darüber nachzudenken, warum Dublin nicht mehr Gastgeber ist – warum denken wir nicht darüber nach, wie wir als Dubliner Startups in Lissabon Schlagzeilen machen können? Warum zeigen wir nicht stark und lautstark Präsenz, statt in Dublin leise unter tausenden von Teilnehmern unterzugehen?”

Travel-Tech, Health-Tech, Aviation, IoT & FinTech

In welchen Bereichen sind Dubliner Startups besonders stark vertreten? Travel-Tech und Aviation sind nicht von ungefähr Bereiche, in denen Startups sich tummeln. Firmen wie CarTrawler sind Vorbilder in Travel-Tech. Die Elite der Aviation-Leasing-Industrie ist in Dublin zu finden und bildet dort ein Cluster. Und da Dublin neben Cork auch Standort für ein Pharma- und Health-Cluster ist, liegt es nahe, dass Health-Tech ein weiterer Schwerpunkt ist. PCH wiederum hat vorgemacht, wie ein Startup in “IoT” die Welt erobern kann.

Im Bereich FinTech beherbergt Dublin das “International Financial Services Centre” (IFSC). Mit der “City of London” ist die Konkurrenz nur eine Flugstunde entfernt. Doch wie heißt es so schön? Konkurrenz belebt das Geschäft. Und manchmal führt dann eine Konkurrenzsituation auch dazu, dass man sich zusammentut und Kooperationen eingeht. Niamh Bushnell ist regelmässig in der “City” zu Gast und Ihre Startups machen es ihr nach.

Kooperation auch mit deutschen Startups

Im Interview nannte Niamh Bushnell London und Berlin in einem Atemzug. Es gibt große Achtung für den Standort Berlin, aber keine Furcht: “Wir wissen, wie gut wir hier sind.” Berlin leiste tolle Arbeit im Bereich Startup, die man beobachtet. Nicht zuletzt auch im Hinblick auf mögliche Kooperationen.

Das gilt neben Berlin auch für Hamburg. Am Rande des Web Summit gab es erste Gespräche, die gleich Mitte Januar von der Community Managerin bei der Commission for Startups analysiert werden sollen. Die Hoffnung ist, noch in 2016 eine gemeinsame Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Wie sagte Niamh Bushnell noch am Rande des Web Summit im Bezug auf Hamburg? “Let’s do this!


Teaser & Image “Niamh Bushnell” by Niamh Bushnell.


arbeitet als freier Journalist in der irischen Hauptstadt Dublin. Nach einem Rundflug über multinationale Unternehmen wie AOL und Google landete er 2013 wieder bei der “alten Liebe” Journalismus und berichtet seitdem für deutsche Medien wie die “Rheinische Post” und “Spiegel Online” aus Irland und Nordirland. Irische Medien wie die “Sunday Business Post”, der “Irish Independent”, sowie die “Sunday Times” & “The Times” (Irish Editions) gehören ebenfalls zu seinem Portfolio. Für die Netzpiloten wird Rainer von den Dubliner “Silicon Docks” - wo Google, Facebook, Twitter und zahlreiche Tech-StartUps sitzen – und aus anderen Tech-Clustern wie Cork, Galway oder Limerick berichten. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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