Können wir das Überleben des Journalismus sichern?

Im letzten Teil unserer Serie über Geschäftsmodelle für die Nachrichtenmedien schauen sich Caroline Cheetham und Paul Broster das Modell der exklusiven Mitgliedschaften an. Mit ehrlicher Traurigkeit wurde die schockierende Ankündigung gemacht, dass im nächsten Monat die letzte Printausgabe der Independent erscheinen wird. Seit ihrer Gründung im Jahre 1986 ist diese Zeitung jederzeit journalistisch innovativ gewesen, obwohl sie mit der zunehmenden Herausforderung konfrontiert war, ein Printmedium in der digitalen Welt vermarkten zu müssen. Andreas Whittam Smith, der Mitbegründer der Independent, gab an, dass es ein “schmerzvoller Tag” war, aber wie berichtet wurde, sagte er, dass sich die Print-Zeitung einfach nicht mehr rentiert hat: “Der Journalismus der Independent wurde niemals mehr geliebt und respektiert als heute, aber die Kosten können nicht mehr getragen werden.”

Und natürlich hat er Recht. Unsere Journalismus- und Medienwissenschaftsstudenten kommen niemals mit einem Stapel Zeitungen unter dem Arm in die Universität. Und die Zeitungen, die wir im Nachrichtenraum unseres hochentwickelten MediaCityUK-Campus bereitstellen, bleiben praktisch unberührt. Aber unsere Studenten – und die jungen Leute generell – konsumieren mehr Nachrichten und Inhalte als jemals zuvor. Es kommt ihnen nur einfach nicht in den Sinn, dass sie möglicherweise etwas dafür bezahlen müssten. Und genau darin liegt das Problem für diejenigen unter uns, die die Nachrichten schreiben und produzieren. Wenn diese Industrie kein tragfähiges Geschäftsmodell findet, werden die Jobs, die unsere aufstrebenden, talentierten und kreativen Studenten anstreben, gar nicht mehr existieren.

Viele Zeitungen, darunter auch die Times, haben auf Paywalls zurückgegriffen (die Kollegen von der Sun haben ihre eigene Paywall aufgebaut, aber die zurückkehrende News-UK-Chefin Rebekah Brooks hat die Idee nach kaum mehr als zwei Jahren verworfen und sagte, dass die Priorität darin läge, die Leserschaft der Zeitung zu vergrößern). Andere Zeitungen wie die Mail und die Trinity Mirror sind bei dem werbefinanzierten Modell geblieben, mit der Begründung, dass umso mehr zahlende Werbekunden angelockt werden, je mehr Leser sie haben. Obwohl die Mail Online den Umsatz mit ihrer Website dramatisch steigern konnte, kann dies nicht die Verluste vom Rückgang der Print-Werbung ausgleichen, da die Auflagen der Print-Zeitung immer weiter zurückgehen.

Der Guardian war hierbei die vorrausschauendste der britischen Zeitungsunternehmen, wenn es um Experimente mit alternativen Zukunftsmodellen geht. Unter dem langjährigen Redakteur Alan Rusbridger war die Zeitung ein standhafter Verweigerer von Paywalls und zog es vor, die Idee des “freien Journalismus” zu verfechten. Und zumindest in redaktioneller Hinsicht war das wegweisend: Die Zeitung war ein Pionier des “Digital First”-Ansatzes, indem sie ihre Artikel zuerst auf ihrer Website brachte und erst am nächsten Morgen in gedruckter Form. In Bezug auf die Leserschaft hat sich dies ausgezahlt – der Guardian hat den am zweitmeisten besuchten Onlineauftritt britischer Zeitungen – direkt nachdem der Mail – und zählt zu den fünf meistgelesenen Online-Zeitungen weltweit.

Dennoch ist das Geschäftsmodell des Guardian im Begriff zu scheitern. Anfang diesen Jahres hat die Guardian angekündigt, sie würde Kürzungen von 20 Prozent vornehmen – etwa 50 Millionen britische Pfund – in dem Bemühen, innerhalb von drei Jahren die KOsten decken zu können. Die Führungskräfte räumten ein, dass die jährlichen Betriebskosten 268 Millionen britische Pfund erreicht hatten, eine Steigerung von 23 Prozent innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren, verglichen mit 10 Prozent Wachstum der Einnahmen. Es ist wahrscheinlich, dass etwa 100 Arbeitsplätze im Zuge dieser Rationalisierungswelle eingespart werden müssen. Diese würden den mehr als 70 redaktionellen Jobs folgen, welche 2012 eingespart worden waren, um einen vorsteuerlichen Verlust von 75,6 Millionen britische Pfund zu kompensieren.

Freunde mit Vorteilen

Wie also löst die Zeitung das Dilemma, innovative Inhalte kostenlos zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig als Unternehmen zu überleben? Die Leser davon zu überzeugen, Mitglieder des Guardian zu werden, könnte die Antwort sein. Der Guardian besteht darauf, dass sein System nicht einfach nur eine Paywall mit einem anderen Namen ist. Die täglichen Inhalte bleiben online kostenlos, aber Mitglieder, die zwischen 15 und 60 britische Pfund pro Monat zahlen, werden eine Menge mehr geboten bekommen – von speziellen Korrespondenten-Artikeln, bis hin zum Zutritt zu Hunderten von Guardian Live-Veranstaltungen, die Kurse sowie Diskussionsrunden mit Korrespondenten und Redakteuren umfassen.

Es wird ebenso erwartet, dass dieses Mitgliedschaftsprinzip schließlich globale Möglichkeiten für das Unternehmen eröffnen wird, mit Veranstaltungen in den USA und Australien. Es stützt sich auf die Leserschaft des Guardian, die bis zu einem gewissen Grad zum Miteigner der Zeitung wird und sich buchstäblich in die Kultur der Zeitung einkauft. Und manche argumentieren, dass der Guardian, vielleicht mehr als jedes andere Nachrichten-Unternehmen, bereits über die nötige Kunden-Loyalität verfügt, die für ein solches Vorhaben nötig ist. Jasper Jackson, Medienanalyst für The Media Briefing, sagte: “Es ist ein Appell an die Gefühle derjenigen, die sich mit der Marke Guardian identifizieren.”

Der Guardian verfolgt nicht als Erster diesen Ansatz. Slate, einer der Pioniere im Bereich der ausschließlich digitalen Nachrichtenmedien, hat ein ähnliches Programm im April 2014 gestartet. Deren Mitgliedschaft bot den loyalen Slate-Lesern die Gelegenheit, einen aktiven Beitrag in der Nachrichtenredaktion von Slate zu leisten, indem ihnen speziell Zugang zu den Autoren und Redakteuren angeboten wurde.

TPM, ein weiteres amerikanisches, ausschließlich online operierendes Beispiel, kam Ende 2012 mit einer ähnlichen Idee an die Öffentlichkeit, ebenfalls fokussiert auf das Interesse der Leser am journalistischen Arbeitsprozess und allen Lesern versichernd, dass diese neue Herangehensweise kein “Paywall” wäre und auch niemals sein würde.

Backstage-Pässe

Die neue Chefredakteurin des Guardian, Katharine Viner, ließ kürzlich vermelden:

Die neuen technischen Möglichkeiten bedeuten, dass Leser ihre Erfahrungen teilen und uns dabei unterstützen können, Themen zu finden und Entscheidungen zu treffen. Wir bieten großen Gemeinschaften die Möglichkeit, Konversationen zu führen, ob unter den Artikeln, mit unseren professionellen Lesern wie etwa Lehrern, oder zwischen Mitgliedern des Guardian bei Live-Veranstaltungen – wir sollten auf diese Beziehungen aufbauen und die Leser frühzeitig einladen, an unserem Journalismus teilzuhaben.

Letztlich repräsentiert das neue Mitgliedschaftsprinzip des Guardian ein Geschäftsmodell für Medienunternehmen, die eine loyale und interessierte Gemeinschaft um ihre Inhalte herum aufgebaut haben. Ob es sich dabei aber um das Modell handelt, das das digitale Problem für Nachrichtenproduzenten schließlich lösen könnte, muss sich erst noch zeigen.

Während also das Ende der gedruckten Independent eine traurige Sache ist, werden viele Stimmen auch verlauten lassen, dass es unvermeidlich war – und es ist nur eine Frage der Zeit, bevor andere Printmedien das gleiche Schicksal ereilt. Oder wie Evgeny Lebedev, der Eigentümer der Independent, in einem Brief an seine Mitarbeiter bekennt:

“Die Zeitungsindustrie verändert sich und diese Veränderung wird durch die Leser vorangetrieben. Sie zeigen uns, dass die Zukunft digital ist.”

Wir müssen warten und hoffen, dass die digitale Zukunft tragfähig für uns ist – die Alternativen sind zu grässlich, um sie sich auch nur auszumalen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) “hourglass-620397_960_720” by nile (CC0 Public Domain)


The Conversation

arbeitete für eine Regionalzeitung und für Radio 5 Live, Radio 4 und Radio 1 Newsbeat. 2009 startete sie ihr eigenes Medienunternehmen „School of News“. Heute ist sie außerdem Dozentin im Bereich Journalismus an der Universität von Salford und arbeitet noch immer als freie Korrespondentin für das BBC Radio Netzwerk.


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