EU-Urheberrecht: Droht das Ende des freien Hyperlinks?

Am 9. Dezember will die EU-Kommission ihre Pläne für die Urheberrechtsnovelle vorstellen, doch bereits vergangene Woche sind erste Dokumente dazu geleakt. Nach ersten Analysen befürchten Experten nun, dass Verlinkungen zu anderen Seiten im schlimmsten Fall kostenpflichtig werden – der Geist des deutschen Leistungsschutzrechts lässt grüßen.

Das Jahr 2015 könnte einmal als jene Zeit in die Annalen Europas eingehen, in dem das Internet völlig umgekrempelt wurde. Zuerst hat das EU-Parlament de facto die Netzneutralität abgeschafft und durch eine Hintertür erlaubt, dass sich Firmen für Spezialdienste eine Sonderbehandlung auf der Datenautobahn kaufen dürfen. Am 9. Dezember könnten dann die Weichen dafür gestellt werden, wie künftig Verlinkungen und Content-Einbettungen im Netz funktionieren.

Denn dann will die EU-Kommission ihre Vorschläge für die Neugestaltung des EU-Urheberrechts darlegen. Der Blog IPKat hat bereits ein Dokument zum “Copyright Framework” geleakt, in dem über die Vorschläge zu lesen ist. Der Leak hat für teilweise heftige Reaktionen gesorgt. “Die EU-Kommission bereitet einen Frontalangriff auf den Hyperlink vor”, warnt etwa die EU-Parlamentarierin Julia Reda (Piratenpartei). “Nun ist der Hyperlink dran: die Politik in Europa bedroht unsere Freiheit”, schreibt Alexander Görlach im Debattenmagazin “The European”. Brüssel, so die Kommentatoren, würde eine Genehmigungspflicht für Verlinkungen planen und damit eine Grundfunktion des Netzes, eben die freie Verlinkung auf andere Webseiten, untergraben.

Keine Fakten zur Umsetzung

Explizit gemacht wurde das von der EU-Kommission aber nicht. Wer das geleakte Dokument durchliest, wird feststellen, dass sehr wenig Konkretes darin zu finden ist. Zwar wird beschrieben, dass das Leistungsschutzrecht in Deutschland und in Spanien nicht zu den gewünschten Effekten geführt hat (nämlich, dass Google für Links in seiner Suche und in Google News zu Verlagsinhalten zahlt): “For news aggregators, in particular, solutions have been attempted in certain Member States, but they carry the risk of more fragmentation in the digital single market”, so das Papier. Doch das man jetzt europaweit den Link kostenpflichtig machen will, davon ist keine Rede. “Die vom deutschen LSR inspirierten Überlegungen hinsichtlich einer Neuordnung im Bereich öffentliche Zugänglichmachung sind ebenfalls sehr unkonkret, gehen aber ganz allgemein in eine fragwürdige Richtung”, urteilt Leonard Dobusch auf Netzpolitik.org.

Konkreter wird die EU-Kommission in einer anderen Sache: Ihr ist das sogenannte Geoblocking ein Dorn im Auge, welches dafür sorgt, dass manche Inhalte aufgrund von Copyrights nicht in allen EU-Märkten verfügbar sind. In der Praxis merkt man das etwa bei Netflix, wo Nutzer in Österreich, Deutschland oder den Niederlanden auf andere Inhalte zugreifen dürfen als etwa britische oder schwedische. Die EU-Kommission will, das passt generell zur angestrebten Harmonisierung des Urheberrechts in der gesamten EU, dieses Geoblocking abschaffen. Im Frühjahr 2016 sollen erste Maßnahmen präsentiert werden, die Content-Schranken abbauen sollen.


Image (adapted) “Chain links” by Yandle (CC BY 2.0)


 

ist seit 2006 publizistisch auf Papier und Pixel tätig. Er arbeitet in Österreich als Journalist und hat die beiden Sachbücher "Phänomen Facebook - Wie eine Webseite unser Leben auf den Kopf stellt" (2010) und "Digitaler Frühling - Wer das Netz hat, hat die Macht?" (2012) veröffentlicht. In seinem Blog “Jakkse.com” und in Vorträgen schreibt und spricht er gerne über die Menschen und ihr Internet – von Social Media über Mobile Business und Netzpolitik bis zu Start-ups.


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