Stephan Urbach, geboren 1980 in Lauterbach, geschieden, lebt und arbeitet in Berlin. Nach einem abgebrochenen Lehramtsstudium und einer erfolgreichen Bankkaufmannslehre arbeitete Urbach bei AOL. Seit 2011 tut er das nicht mehr, sondern macht Politik in der Piratenpartei und ist Netzaktivist.
Urbach hat gerade erklärt, er trete zurück von der aktiven Unterstützung der Rebellen und Aktivisten in den totalitären Staaten via Telecomix und anderen philanthropischen Hacker-Gemeinschaften und betrachte die erschreckenden Geschehnisse lieber aus der Distanz – auch und gerade um sich zu schützen. Er hat erlebt, wie Aktivisten starben und gefoltert wurden, weil ihre Handlungen von Software getracked wurde, die aus Europa und den USA kommt… [Danke an wgtarier (siehe in den Kommentaren)]
In diesem Vortrag bei einer Oldenburger Veranstaltung erzählt er uns, was, wie und warum bei der arabischen Rebellion im Netz passiert ist.
Der Dichter Piotr Czerski beschreibt einmal was die Generation „Netz“ so auszeichnet und wie es um das Lebensgefühl dieser Personen, die es betrifft, bestellt ist. Der Text ist ein wirklich lesenswertes Schaubild und auch ich konnte es mir nicht verkneifen, diesen für euch, liebe Netzpiloten-Leser, noch einmal zu crossposten.
Wir, die Netz-Kinder
Es gibt wohl keinen anderen Begriff, der im medialen Diskurs ähnlich überstrapaziert worden ist, wie der Begriff “Generation”. Ich habe einmal versucht, die “Generationen” zu zählen, die in den vergangenen zehn Jahren ausgerufen worden sind, seit diesem berühmten Artikel über die sogenannte “Generation Nichts”. Ich glaube, es waren stolze zwölf. Eines hatten sie alle gemeinsam: Sie existierten nur auf dem Papier. In der Realität gab es diesen einzigartigen, greifbaren, unvergesslichen Impuls nicht, diese gemeinsame Erfahrung, durch die wir uns bleibend von allen vorangegangenen Generationen unterscheiden würden. Wir haben danach Ausschau gehalten, doch stattdessen kam der grundlegende Wandel unbemerkt, zusammen mit den Kabeln, mit denen das Kabelfernsehen das Land umspannte, der Verdrängung des Festnetzes durch das Mobiltelefon und vor allem mit dem allgemeinen Zugang zum Internet. Erst heute verstehen wir wirklich, wie viel sich in den vergangenen 15 Jahren verändert hat.
Wir, die Netz-Kinder; die mit dem Internet und im Internet aufgewachsen sind, wir sind eine Generation, welche die Kriterien für diesen Begriff gleichsam in einer Art Umkehrung erfüllt. Es gab in unserem Leben keinen Auslöser dafür, eher eine Metamorphose des Lebens selbst. Es ist kein gemeinsamer, begrenzter kultureller Kontext, der uns eint – sondern das Gefühl, diesen Kontext und seinen Rahmen frei definieren zu können.
Indem ich das so schreibe, ist mir bewusst, dass ich das Wort “wir” missbrauche. Denn unser “wir” ist veränderlich, unscharf, früher hätte man gesagt: vorläufig. Wenn ich “wir” sage, meine ich “viele von uns” oder “einige von uns”. Wenn ich sage “wir sind”, meine ich “es kommt vor, dass wir sind”. Ich sage nur deshalb “wir”, damit ich überhaupt über uns schreiben kann.
Als ich vor einigen Jahren für eine wichtige Uni-Prüfung lernen musste, habe ich kurzerhand das Programm-Kabel versteckt, um meinen Kopf und mein Zeitbudget vor zu viel Fernseh-Konsum zu schützen. Das Kabel war dann aber so gut versteckt, dass ich es später lange Zeit nicht mehr gefunden habe. Irgendwann habe ich gemerkt, dass Fernsehen doch nicht nur eine Verblödungsmaschine ist, sondern ab und zu ganz nett sein kann. Was tun? Ich habe einen Dienst entdeckt, auf dem zumindest die öffentlich-rechtlichen Sender kostenlos und vollständig gestreamt werden können: Zattoo… Weiterlesen »
Die Versuche, eine Netztheorie auf der Metapher der Stadt aufzubauen sind Legion. Die Lagerverwalter sind Verleger, die den Raum zwischen oben und unten im Staat ausdehnen. Dort soll dann die öffentliche Diskussion stattfinden. Aber ob im Zeitalter des information flow das Konfektionieren gespeicherter Fakten von gestern überhaupt eine Leistung ist, die die virtuelle Stadt benötigt, ist strittig. Es wird Zeit für einen Blick hinter die Kulissenschieberei der tausend Stimmen. Denn vor lauter Zeter und Mordio kommt die eigene Bestimmung der Bürger über den Gebrauch des Netzes aus dem Blick. Vollbremsung. Ein Blick in die gute alte Landkarte im Handschuhfach der Geschichte hilft vielleicht.