Vom Hörbuch zum Podcast: Audible wandelt sich (und macht sogar Nachrichten)

Wer Hot Pod bei Nieman Lab oder die Podcast-Neuheiten allgemein verfolgt hat, wird bereits erfahren haben, dass Audible sein Team mit Audio-Talenten vornehmlich aus dem öffentlichen Rundfunk verstärkt hat, um seine eigenen Inhalte auszubauen, und er wird wissen, dass die Podcast- und Audio-Welt bereits darauf gewartet hat, was Audible als Teil des Onlineshopriesen Amazon auf den Markt bringen würde – denn sie können weitaus mehr als nur Hörbücher produzieren. Die lang ersehnten eigenen Inhalte sind nun erschienen, und zwar in der Form eines neuen Bereichs für „Channels“ in der Audible-App. Diese Abteilung, die sich aktuell im Beta-Stadium befindet und auf iOS- und Android-Geräten von einigen Audible-Mitgliedern getestet wird, streamt jetzt ausgewählte kurze Audioformate. Sie reichen von vorgelesenen Versionen von Artikeln der New York Times bis hin zu kompletten Shows von „PRI’s The World“ und Episoden des Formats von Charlie Rose. Neben speziellen Nachrichtenstreams tischt Audible mit seiner eigenen Multi-Quellen-Sammlung (Beispiele: „The Daily Rush“, „The Weekender“, „The Conversation: Guns“), die auch relevante Geschichten von Nachrichtenkanälen mit einbeziehen wird, ordentlich auf. Die Guns-Sammlung beinhaltet zum Beispiel eine Lesung der Kolumne von Fred Hiatt über eine waffenfreie Gesellschaft. Fred Hiatt ist bekanntlich redaktioneller Herausgeber der Washington Post, die wie Audible und Amazon von Jeff Bezos geleitet wird. Die geposteten Inhalte sorgen in den Audible-Kanälen für eine hohe Absatzrate, jedoch scheinbar keine höhere als andere Kanäle wie die Times und das Wall Street Journal; die Wichtigsten werden in alphabetischer Reihenfolge angezeigt. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von weiteren Angeboten abseits von Nachrichten – Lesungen von Tschechow-Geschichten, Comedy-Mixtapes und mehr. Hier soll der Fokus aber auf den Nachrichten-Angeboten liegen. Die Benutzer können speziellen Streams folgen und Beiträge im kostenfreien Bereich namens „Channels“ herunterladen. Es gibt keine reine Suchfunktion, jedoch können registrierte Benutzer Standard-Kategorien wie Kunst und Unterhaltung, Wirtschaft, Nachrichten, Politik und Globales sowie Wissenschaft durchsuchen. Es gibt außerdem eine Kategorie für Shows und Podcasts, die spezielle Audible-Inhalte bietet. (Wir haben eine aktuelle Liste von Verlegern angehängt, die einen Teil der Nachrichten-Kategorie ausmachen). Für Verleger, die bereits Audioinhalte produzieren, erscheint die Kooperation mit Audible unkompliziert: PRI arbeitet beispielsweise schon seit dem letzten Jahr mit Audible zusammen und liefert jetzt täglich Episoden von „The World“ und einige eigene Programmausschnitte via RSS Feed, so der Abteilungsdirektor des digitalen Vertriebs, Morgan Church. Kurzinhalte in der Kanal-Auswahl werden von Audible-Redakteuren ausgesucht, textbasierte Geschichten werden von einem Sprecher vorgelesen („Mein Name ist Christy Burns, und ich lese aus der U.S.-Rubrik der New York Times“). Die Markteinführung geschah im Stillen, da sich Channels noch im Beta-Stadium befindet und noch nicht für jeden Nutzer zugänglich ist. Gerüchte darüber wurden online jedoch schon im Herbst letzten Jahres laut und vor ein paar Tagen postete ein Reddit-User dazu:

„Um ehrlich zu sein, wollte ich mein Abonnement im nächsten Monat kündigen, aber mir gefällt die Idee der neuen Kanäle sehr gut“, schreibt Reddit-Nutzer Karmometer. Ein Verantwortlicher von Audible antwortete und wies darauf hin, dass die Kanäle keine vollständigen Hörbücher beinhalten würde und die Inhalte stattdessen immer zwischen einer Minute und einer Stunde lang seien. Die Basis-Mitgliedschaft von Audible kostet 14,95 US-Dollar im Monat; das Streamen der neuen Inhalte ist frei und unbegrenzt für die Mitglieder möglich. Neue Inhalte würden während der Beta-Phase regelmäßig hinzugefügt, so ein Audible-Sprecher, und sobald das Produkt offiziell auf den Markt komme (jedoch verriet er kein Wort über den Zeitpunkt), würden sogar noch mehr eigene Inhalte von Audible verfügbar gemacht. Auf die Frage, ob nichtregistrierte Benutzer ebenfalls Zugriff auf die Channels hätten, heißt es:

Wir streben danach, unsere Innovationen für mehr und mehr Kunden zugänglich zu machen und planen, die Ergebnisse aus der Beta-Phase in unsere Vertriebsstrategie einfließen zu lassen. Bleiben Sie auf dem Laufenden!

Die möglichen Auswirkungen von Audibles Schritt in Richtung Kurz-Audios, insbesondere im Bereich der Nachrichten, ist offensichtlich. Amazon ist ein gigantisches Unternehmen. Audible hat eine große und etablierte Zahl an Abonnenten. (Wenngleich sie im Stile Amazons keine Mitgliederzahlen veröffentlichen, heißt es, dass die Benutzer letztes Jahr 1,6 Milliarden Stunden Audio-Dateien heruntergeladen haben). Es ist leicht abzusehen, wie die „Washington Post“ mit ein bisschen Investition der treibende Motor der Audio-Nachrichten werden könnte. Wie Nicholas Quah in einer Aushabe von Hot Pod vom letzten Sommer sinnierte:

Ich warte auf den Augenblick, in dem Audible den Boden mit unseren Gesichtern wischt. Ich meine, wir können rennen und kämpfen wie wir wollen, doch am Ende kriegt Bezos uns alle.

Wie wir bereits erwähnten und wie Adam Davidson bereits ausführlich beschrieben hat, scheint es, dass wir eine Phase erreicht haben, in der sich Podcasts – traditionell verbreitet durch offene RSS-Kanäle, die jeder Podcast-App den Download erlauben – vertikalisieren und zu einer vom Produzenten bestimmten Erfahrung werden. Denken Sie an Earwolfs Howl, Acasts App, Gimlets Mitgliedschaft und jetzt Audibles Channels. Audible hat in diesem Kampf einen entscheidenden Vorteil: Es startet mit einer Grundlage von festen, zahlenden Mitgliedern, statt wieder bei Null anfangen zu müssen. Es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich diese Art der Silo-Strategie auf dem Markt sein wird, doch Davidson argumentiert, dass dieser Ansatz die vielversprechende Hoffnung für die Etablierung eines substantiellen Nachrichten-Ökosystems außerhalb des öffentlichen Radios sein könnte:

  • Schon bald wird es einen oder zwei große Hauptakteure mehr geben, die einen Senkrechtstart versuchen werden, bei dem Podcasts an erster Stelle stehen: sie werden eine mächtige App haben, mit einer großen öffentlichen Präsenz zum Teilen, Suchen und Entdecken. Sie werden das ganze Geschehen kontrollieren, von der Konzeption der Inhalte bis hin zum Vertrieb und den Werbeanzeigen. Sie werden ein bisschen wie die Produkte von Facebook und Apple funktionieren, indem sie davon profitieren, ihre Benutzer innerhalb ihrer eigenen Angebote zu halten und ihnen stetig neue fesselnde Inhalte bieten.
  • Sie werden es auf das Genaueste so machen und gutes Geld damit verdienen. Sie werden führende Shows haben wollen, die eine beträchtliche Menge an Aufmerksamkeit und Lob bringen, selbst wenn sie Verlust machen. An diesem Punkt werden wir die Entstehung neuer, großer Shows beobachten können. Sie werden wahrscheinlich mit anderen Partnern kooperieren – vielleicht mit ProPublica oder der NY Times oder sogar NPR. Mein Eindruck ist, dass sich Audible, Panoply, Acast und Scripps/Earwolf möglicherweise bereits in diese Richtung bewegen…
  • Diese großen Hauptakteure werden bestrebt sein, neue Zielgruppen zu gewinnen und sicherzustellen, dass die bereits vorhandenen Mitglieder die App jeden Tag besuchen, eine längere Zeit dort verweilen und nicht zu einer anderen App wechseln. Ich schätze, dass die Nachrichten ein essentieller Teil dieser Wettbewerbsstrategie werden. Nachrichten allein werden den Katalog nicht füllen, während Dauerbrenner-Shows keinen unmittelbaren Grund darstellen, unbedingt sofort weiterzuhören. So wird eine Menge an Shows, zu der auch die Dauerbrenner gehören (wie zum Beispiel bedeutende Shows wie Planet Money, die einem dabei helfen, aktuelle Ereignisse aus den Nachrichten zu verstehen) neben einer täglichen Nachrichtensendung – mit einem leidenschaftlichen, smarten, engagierten Moderator sowie substantiell und überzeugend produziertem Inhalt – in den Mittelpunkt gestellt. Diese werden aller Vorraussicht nach eine unwiderstehliche Mischung und keine Niete sein.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “Nieman Journalism Lab” unter CC BY-NC-SA 3.0 US. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) „Audible“ by Johan Larsson (CC BY 2.0)


ist Redakteurin des NiemanLab. Vorher arbeitete sie in der Redaktion der Harvard University Press und berichtete für Boston.com und das New England Center for Investigative Reporting.


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