Verfassungsrichter Masing kritisiert „Recht auf Vergessen“-Urteil

Der Redaktion von iRights.info liegt ein Papier des Bundesverfassungsrichters Johannes Masing vor, in dem das „Recht auf Vergessen“-Urteil des Europäischen Gerichtshofs fundiert kritisiert wird. // von Tobias Schwarz

Never Forget (Bild: MsSaraKelly [CC BY 2.0], via Flickr)

Richter Johannes Masing ist beim Bundesverfassungsgericht für Verfahren zu Pressefreiheit, Demonstrationsrecht und Datenschutz zuständig. Schon einer Woche nach Verkündung des „Recht auf Vergessen“-Urteil des Europäischen Gerichtshof hat Masing eine kritische Analyse des Urteils erstellt und vertraulich an Politik und Datenschützer verschickt. Auf iRights.info stellt Matthias Spielkamp das immer noch unveröffentlichte Papier genauer vor.

In seiner Analyse des „Recht auf Vergessen“-Urteils des Europäischen Gerichtshof kommt Bundesverfassungsrichter Johannes Masing zu dem Schluss, dass das Urteil „ein Ungleichgewicht [herstellt], das die liberalen Linien des Äußerungsrechts zu unterlaufen droht„. Matthias Spielkamp fasst die vier Hauptaussagen von Masings Papier „Vorläufige Einschätzung der ‚Google-Entscheidung‘ des Europäischen Gerichtshofs“ folgendermaßen zusammen:

  1. Es sei richtig, dass europäisches Datenschutzrecht auch für Google gelten muss.
  2. Auch ein „Recht auf Vergessen“ sei grundsätzlich eine sinnvolle Idee.
  3. Das konkrete Urteil des Europäischen Gerichtshofs stärke jedoch Googles Macht.
  4. Es schaffe zwischen Persönlichkeitsrechten und Kommunikationsfreiheit „ein Ungleichgewicht, das die liberalen Linien des Äußerungsrechts zu unterlaufen droht.

Vor allem die letzten beiden Punkte habe ich bereits letzte Woche in meinem Artikel „Das ,Recht auf Vergessen‘ gefährdet die Pressefreiheit“ angesprochen. Dass das Urteil des Europäischen Gerichtshof keine datenschutz- und presserechtkonformen Vorgaben macht, wie das „Recht auf Vergessen“ umgesetzt werden muss, versetzt die Suchmaschinen und auch Plattformbetreiber in die Rolle des Datenschützers und Zensoren zugleich. Das sie diesem ungewollten Auftrag überfordert oder desinteressiert nachkommen, zeigt zum Beispiel der von mir in meinem Artikel dargestellte Fall der Löschung eines Fotos auf Flickr. Das Fehlen von klaren und transparenten Regeln führte dazu, dass Yahoo einer unzureichend geprüften Löschanfrage Folge leistete und somit ein journalistisches Werk von der eigenen Foto-Plattform löschte.

Die Einschätzung von Johannes Masing ist leider immer noch unveröffentlicht und die Redaktion von iRights.info hat sich nach wohl überlegter Abschätzung gegen die Veröffentlichung des Originaldokuments entschieden. Trotzdem gibt es zwei Analysen des Papiers, die zumindest Masings Aussagen wiedergeben, erklären und bewerten:


Teaser & Image by MsSaraKelly (CC BY 2.0)


ist Coworking Manager des St. Oberholz und als Editor-at-Large für Netzpiloten.de tätig. Von 2013 bis 2016 leitete er Netzpiloten.de und unternahm verschiedene Blogger-Reisen. Zusammen mit Ansgar Oberholz hat er den Think Tank "Institut für Neue Arbeit" gegründet und berät Unternehmen zu Fragen der Transformation von Arbeit. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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