Soll Twitter werben – und wie?

Twitter, Lieblingsdienst der Bloggerszene, schaltet neuerdings Werbungen. Oder auch nicht, so ganz genau weiß man das noch nicht. Diskutiert wird trotzdem heftigst: Darf Twitter seine Nutzer mit Werbung behelligen?

Twitter ist einer dieser Dienste, die sich nicht auf den ersten Blick erschließen. Doch wer dieser „Mischung aus Bloggen und Chatten“ (Peter Schink im Blogpiloten-Interview) erstmal verfallen ist, kommt davon nicht mehr los.


Twitter: Peter Schink im Blogpiloten-Interview from Blogpiloten on Vimeo.

Genutzt wird Twitter vor allem von Webworkern, Bloggern und all jenen, die ihr Leben über’s Netz leben – die beste Zielgruppe für neue Webservices, aber auch die kritischste: Jedes Feature, jeder Knopf, jede Neuerung wird gründlichst untersucht, bewertet und diskutiert. Jede Neuerung! – das versteht sich im Netz von selbst. Etwas abstrus wirkt dagegen das jüngste Twitter-Strohfeuer. Thema: Werbung auf Twitter. Soweit so gut, gäbe es da nicht einen kleinen Haken: Ob tatsächlich Werbungen geschaltet werden oder zumindest geplant sind, ist überhaupt nicht bekannt.

Darf Twitter Werbungen schalten? Wollen sie das überhaupt?

Es ist kein Geheimnis, dass Twitter irgendwie und irgendwann Geld verdienen muss. Bislang ist der Dienst nicht nur kostenfrei, sondern auch dafür berüchtigt, kein Geschäftsmodell entwickelt zu haben. Um die laufenden Kosten Twitters zu decken, wäre es der logische Schritt, Werbungen in der einen oder anderen Form zu schalten. Zwar hat Twitter-Gründer Evan Williams im Interview anklingen lassen, Werbechannels einzelner Marken nicht abgeneigt zu sein. Konkrete Pläne für Werbung auf Twitter gebe es aber derzeit nicht, so Mitgründer Biz Stone: „We’re not putting ads on Twitter.com. As far as I can tell, a customized background image had some folks confused and speculating.“

Dennoch war die Aufregung in der Twittersphäre groß, als der Branchenblog TechCrunch mit einer erstaunlich faktenfreien Meldung daher kam. Seit dem läuft die Debatte auf Webmaster-Blog oder auch hier nachlesen kann.

Social Ads, also Werbungen, die sich die sozialen Netzwerke der potentiellen Kunden zunutze machen, sind die große Hoffnung der Online-Werbeindustrie. Besonders viele Web 2.0-Dienste wie Facebook oder StudiVZ setzen darauf, durch Social Ads soziale Netzwerke in Bares umzuwandeln. Ob diese Art von Werbung tatsächlich effektiver ist als normale Werbung ist zwar noch immer umstritten. Sicher ist nur, dass die Nutzer selbst in der Regel wenig begeistert sind von dieser Art Werbung. Doch sind Social Ads derzeit die Erfolg versprechendste Option für Startups, gerade für einen Dienst wie Twitter, der von seiner starken Community lebt.

Irgendwer muss für Twitter bezahlen

Was gegen Werbungen auf Twitter spricht ist mir unterdessen nicht ganz klar, vorausgesetzt sie ist vernünftig implementiert. Doch gibt es natürlich Alternativen für Gratisdienste Geld zu machen, wie Long Tail-Autor Chris Anderson in WIRED aufzeigt: Bei klassischer Werbung bezahlen Firmen für Aufmerksamkeit der Nutzer. Im Freemium-Modell ist der Basisdienst umsonst, Premiumdienste müssen bezahlt werden. Quersubventionierung kann einen Dienst kostenlos bereitstellen, solange an anderer Stelle entsprechende Einnahmen generiert werden, wie bei Billig-DVDs im Elektromarkt. (Zwei weitere Modelle, abnehmende Grenzkosten und das Eintauschen von Arbeitszeit gegen Leistungen würden hier zu weit führen.)

Darauf läuft es auch im Fall Twitter hinaus: Irgendjemand muss für die Arbeit und Serverleistungen bezahlen, die wir alle auf Twitter nutzen, daran führt kein Weg vorbei. Ob in Form von Werbeeinblendungen, von Brand-Channels großer Marken oder eines bezahlten, werbefreien Premiumdienstes, Twitter kann nicht ohne Einnahmen auskommen. Sicher wird das Twitter-Team ein wenig experimentieren müssen, bis sie hier den richtigen Weg finden. Über einen Mangel an Feedback seitens der Community werden sie sich dabei sicher nicht beschweren können. Bis dahin spekulieren die Twitterati fleißig weiter.

Doch wie sagt Evan Williams in bestem Twitter-Stil: „…I’m cool w/ random speculation tho!“ – Mit wilden Spekulationen habe ich kein Problem!

war Netzpiloten-Projektleiter von 2007-2010. Heute hilft er als freier Berater Unternehmen, ihre Strategien erfolgreich ins Netz zu übertragen. Über Social Media und digitale Kultur schreibt und twittert Peter auch privat unter TheWavingCat.com. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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6 comments

  1. Alexa, das ist richtig. Genau diese Tatsache habe ich zum Anlass genommen, das in Japan praktizierte Modell zu kritisieren. Weil es eben nicht mit dem Nutzungsverhalten von Twitter-Usern übereinstimmt. Darum ist es auch gut, dass mein Post hier verlinkt wurde. Aber ich gebe gerne auch einen weiteren Hinweis darauf: http://blog.adplace.com/v1/?p=140

  2. Ich bin ja als Vermarkter nicht ganz unbefangen und grundsätzlich für die Vermarktung interessanter Websites zu begeistern ;-)

    Aber wie das auf Twitter tatsächlich funktionieren soll ist eher fraglich. Displaywerbung ist wohl eher nicht wirklich möglich, da viele (so auch ich) über AdOns oder kleine Tools wie TwitterFox oder Twirl den Dienst nutzen und somit selten direkt auf die Website gehen.

    Und die art von „Spam“ wie es teilweise bei skype, Messenger und Co. der Fall ist,also rein werbliche „Messages“ werden sicherlich nicht wirklich positiv aufgenommen.

    Ich bin gespannt, wie der Dienst sich zukünftig Refinanzieren will. Mit Display ADs wir das sicherlich nicht gelingen…

  3. Alexa, Sachar, danke für die Info!

    Lars, gute Frage! Ein guter Teil der User geht tatsächlich über das Webinterface, insofern machen Bannerwerbungen durchaus noch Sinn. Aber die Zukunft sieht sicherlich anders aus. Mein Tipp (reine Spekulation!) wären Channels für Corporate Clients, also große Firmenkunden. Diese könnten ihre Nachrichten pushen: Je nach Modell in den Public Stream, kontextbasiert an einzelne Nutzer oder auch ausschließlich innerhalb ihres eigenen Kanals, der für Kunden interessant gemacht wird, indem Freebies vergeben werden oder spannende News veröffentlich werden. („Twittere mit deinem Star!“ im Fall von Nike zum Beispiel.)

    Das Schöne bei diesem Modell: Die Firmen können es von ihren Marketingbudgets bezahlen, das ist günstig und organisatorisch leicht für sie abzubilden. Und für die Nutzer bleibt Twitter komplett gratis. Im Optimalfall gibt es sogar ein paar spannende Marketingideen, die Nutzern und Werbern Mehrwert bieten. Bleibt der Mehrwert für die Nutzer aus, hat sich die Werbefinanzierung erledigt.

    Was meinst du – wie könnte die Werbung sonst aussehen?

  4. Peter, auch wenn viele User Twitter direkt über twitter.com nutzen, meine ich nicht, dass Banner-Werbung funktionieren wird. Weil diese Form Werbung auf das klassische Web 1.0 ausgerichtet ist. Mehr dazu auch hier: http://blog.adplace.com/v1/?p=142

    Deine Idee mit den Sponsored Accounts gefällt mir sehr gut – aber nur dann, wenn sie den Nutzern echten Mehrwert (also exklusive Infos Gewinnspiele) bietet.

    Wobei ich mich frage, wie Twitter Unternehmen davon abhalten möchte, den Dienst kostenlos zu nutzen. Das steht jedem frei. Wieso sollten sie nun anfangen, dafür Geld zu zahlen? Vielmehr meine ich, dass Twitter ruhig die Gespräche seiner Nutzer per Targeting überwachen sollte, um dann kontextbezogene Text-Tweets einzuschieben. So alle 30 Minuten.

  5. Prinzipiell hab’ ich auch nichts gegen Werbung, solange sie nicht zu aufdringlich ist (blinkende Flashbanner, die die CPU auf 100% hochschnellen laesst, Flash-Hovers und aehnlichen Kram).

    Ein meiner Meinung nach sehr gelungenes Konzept der Werbeeinblendung haben die Jungs von Twitterific gefunden: Es wird 1 mal pro Stunde zwischen die Tweets einfach ein Werbe-Tweet eingesetzt. Stoert nicht, sieht schoen aus und dadurch kann das Tool kostenlos bleiben.

    Sowas aehnliches koennte ich mir auch fuer den kompletten Service vorstellen, vielleicht sogar alle halbe Stunde.

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