Licht und Schatten beim neuen Telemediengesetz

Vor Kurzem trat das Telemediengesetzes (TMG) mit neuer Fassung in Deutschland in Kraft. Dieses sorgt für bedeutende Neuerungen bei der Behandlung von Dienstanbietern. Eine klare Linie ist dabei aber nicht zu erkennen. Während die Störerhaftung endlich abgeschafft wird und somit Provider dringend notwendige Rechtssicherheit erhalten, werden Anbieter von Kommunikationsplattformen im Rahmen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes zum Urteilen über die Kommentare ihrer Nutzerinnen und Nutzer gezwungen.

Licht: Abschaffung der Störerhaftung

Kürzlich trat die Novelle des Telemediengesetzes in Kraft und wurde im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die Neufassung des Gesetzes regelt unter anderem den Umgang mit Diensteanbietern in mehreren wichtigen Aspekten neu.

Eine wichtige Neuerung ist die Abschaffung der sogenannten Störerhaftung. Die Störerhaftung besagte, dass die Betreiber eines Netzwerkes (betroffen waren vor allem offene WLANs) mit für kriminelle oder zivilrechtlich verfolgbare Handlungen ihrer Nutzerinnen und Nutzer hafteten.

Ziel des Gesetzes war das Eindämmen von Missbrauch öffentlicher Netzwerke. In der Praxis führte die Regelung aber dazu, dass sich nach einigen spektakulären und teuren Fällen (insbesondere im Bereich von Urheberrechtsverletzungen) kaum noch jemand traute, offenes WLAN bereitzustellen. Die ohnehin im Vergleich zu anderen westlichen Ländern schwach ausgebaute deutsche Telekommunikations-Infrastruktur wurde dadurch weiter beschränkt. Für die Nutzerinnen und Nutzer war das frustrierend und für die Innovation im angeblichen Hightech-Land Deutschland hinderlich.

Trotz dieser offensichtlichen Nachteile blieb die Störerhaftung lange bestehen. Erst im Jahr 2016 begann sie zu wackeln und wurde zunächst teilweise und nun zur Gänze abgeschafft. Mit diesem Schritt haben Diensteanbieter in Deutschland endlich dringend benötigte Rechtssicherheit. Dem IT-Standort Deutschland kann das nur gut tun.

Schatten: Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Ein gänzlich anderes Signal sendet jedoch die neue gesetzliche Regelung zu rechtswidrigen Äußerungen auf Kommunikationsplattformen (etwa in Foren, Sozialen Netzwerken oder Kommentarspalten). Die Betreiber solcher Plattformen sind nämlich künftig verpflichtet, rechtswidrige Inhalte innerhalb einer knapp bemessenen Frist zu löschen. Anderenfalls drohen empfindliche Geldbußen.

Ohne Zweifel sind Hasstiraden, Verhetzung und eine mitunter furchtbar schlechte Diskussionskultur, die gelegentlich in Beleidigungen, Drohungen und Nötigung gipfelt, ein reales Problem auf derartigen Plattformen. Provider wie nun im Rahmen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes dazu zu verpflichten, unter Strafandrohung rechtswidrige Inhalte zu löschen, ist jedoch der gänzlich falsche Lösungsweg .

Gerade kleinere Provider können oftmals schon aus personellen Gründen keine fachlich fundierten Entscheidungen treffen, ob ein Posting strafbar ist oder nicht. Um Strafen zu vermeiden, könnten dann viele Betroffene sich dafür entscheiden, im Zweifel alle Postings zu löschen, die ihnen bedenklich vorkommen. So könnten auch Äußerungen, die kontrovers, aber von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, gelöscht werden. Schlimmstenfalls könnte sogar alles entfernt werden, was anderen Nutzerinnen und Nutzern ein Dorn im Auge ist und von diesen gemeldet wird.

Dadurch stellt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz eine massive Gefahr für die Meinungsfreiheit dar. Für die Provider bedeutet es die Schaffung einer massiven Rechtsunsicherheit. Sie werden unter Druck gesetzt, in einer Art und Weise über die Inhalte ihrer Nutzerinnen und Nutzer zu urteilen, die in ihrer Rolle nicht vorgesehen ist.

Widersprüchliche Signale

Das neue Telemediengesetz sendet an Dienstanbieter extrem widersprüchliche Signale. An der einen Stelle wird ihre Position verbessert und abgesichert, an der anderen geschieht das genaue Gegenteil. Leider ist dies ein typisches Beispiel für die häufig ebenso ziel- wie ahnungslose Digitalpolitik in Deutschland.

Allerdings zeigt das Beispiel der Störerhaftung, dass mitunter, wenn auch mit langer Vorlaufzeit, auf die Argumente von Expertinnen und Experten gehört wird. Dementsprechend sollten es sich Gegnerinnen und Gegner des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes nicht nehmen lassen, gegen dieses verfehlte Werk vorzugehen – auch, wenn sie wahrscheinlich einen langen Atem brauchen werden.


Titel (adapted) „Wifi“ by rawpixels.com [CC0 Public Domain]


schreibt regelmäßig über Netzpolitik und Netzaktivismus. Sie interessiert sich nicht nur für die Technik als solche, sondern vor allem dafür, wie diese genutzt wird und wie sie sich auf die Gesellschaft auswirkt.


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1 comment

  1. Die Neuregelung zur Störerhaftung wird leider immer etwas einseitig dargestellt. Zum einen wurde diese zunächst nur gegen die Option einer Netzsperre ersetzt wobei noch völlig offen ist wie die Gerichte hier entscheiden werden. Kanzleien wie Waldorf & Frommer haben bereits Entscheidungen erwirkt in der WLAN-Betreiber trotz der Änderung zu Schadenersatz verurteilt wurden. Und zum anderen gilt das Prinzip des Störers insofern weiter, als dass bei Straftaten weiterhin der Anschlussinhaber Ausgangspunkt der Ermittlungen ist wenn es um schwere Straftaten geht. Von einer generellen Haftungsfreiheit kann also keinesfalls gesprochen werden. Es ist auch unrealistisch, dass WLAN auf diesem Wege zum rechtsfreien Raum erklärt wird.
    In der Konsequenz heißt das: offenes WLAN kann für den Bebtreiber nach wie vor sehr unangenehm – wenn auch nicht mehr gleich so teuer wie bisher werden.

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