Willkommen in Deutschland: Digitale Hilfe für Flüchtlinge

Die Flüchtlinge sind da. Und nun? Für viele von ihnen beginnt damit ein komplett neues Leben in Deutschland, weit entfernt von ihrer Heimat, in einem Land das ihnen noch fremd erscheint. “Wir wollen diesen Menschen Deutschland näher bringen und ihnen den Einstieg erleichtern”, haben sich da viele engagierte Bürger gedacht – und genau zu diesem Zweck zahlreiche Webseiten und Apps entwickelt. Was steckt hinter den Apps? Was können sie? Und: Was für Hilfe bieten sie den Flüchtlingen?

Die Stadt-Apps für das Smartphone oder Tablet

Die Dresdner Welcome App war eine der ersten Smartphone-Apps, die speziell für Flüchtlinge entwickelt wurde. Entwickelt wurde die App von den Dresdner IT-Unternehmen Saxonia Systems AG und der Heinrich & Reuter Solutions GmbH. Welcome to Dresden hilft neu angekommenen Flüchtlingen in Dresden zum Beispiel bei der Arztsuche oder gibt Tipps zu ersten Schritten im Asylverfahren.

Viola Klein, Geschäftsführerin von Saxonia Systems AG sagt, die Idee zur App war eine ganz natürliche Entwicklung: “In unserem Unternehmen haben wir 230 Mitarbeiter aus 11 Nationen und sind es einfach gewohnt mit fremden Kulturen zu arbeiten. Ich finde das wunderbar, das bereichert!” Für Viola Klein gibt es viele Dinge vor denen wir Angst haben sollten, aber Flüchtlinge gehören für sie nicht dazu. Ganz im Gegenteil. So wurde die App auch gemeinsam mit Flüchtlingen entwickelt, um deren brennendste Fragen möglichst einfach und schnell zu beantworten. Die App gibt es mittlerweile für alle drei mobilen Betriebssysteme und soll bald in zehn Sprachen erscheinen. Auch andere deutsche Städte wollen die Welcome-to-Dresden-App übernehmen.

Der Witten City Guide folgt einem ähnlichen Prinzip. Die App bietet Flüchtlingen Informationstexte in verschiedenen Sprachen. Darüber hinaus können Nutzer über die “around me”-Suche wichtige Orte in ihrer unmittelbaren Nähe auf der Karte finden.

Die App war ursprünglich für Bürger und Touristen gedacht. Über den Witten City Guide konnten sie sich über alles Wichtige aus Witten informieren. Die Idee, diese App mit Informationen für Flüchtlinge zu erweitern, kam der Stadt da sehr schnell: “Natürlich fehlt es bei uns vor Ort an verständlichen Informationen und an Hinweisen in der Muttersprache von Asylbewerbern, die Neuankömmlingen wenigstens die ersten Schritte im neuen Land erleichtern”, erklärt Astrid Raith von der Stadt Witten. Schon war der Witten City Guide mit spezieller Hilfe für Flüchtlinge ins Leben gerufen.

Interaktive Stadtpläne: Afeefa Dresden und InfoCompass Berlin

Die beiden Webseiten Afeefa (kurz für: alle für einen und einer für alle) aus Dresden und InfoCompass Berlin arbeiten mit Stadtplänen, um Flüchtlingen das Navigieren in diesen beiden Städten zu erleichtern. Afeefa geht es dabei vor allem um die Vernetzung zwischen Behörden, Organisationen, engagierten Bürgern und Flüchtlingen. Die Webseite versteht sich als “Dreh- und Angelpunkt der zahlreichen und vielseitigen Angebote von und für geflüchtete und engagierte Menschen” in Dresden. Hier finden Flüchtlinge nicht nur praktische Informationen zum Aufnahmeverfahren, sondern auch aktuelle Veranstaltungen sowie eine Börse für Angebote und Gesuche für Flüchtlinge und Bürger, die helfen wollen.

Dresdner App für Flüchtlinge: afeefa – alle für einen und einer für alle
Dresdner App für Flüchtlinge: afeefa – alle für einen und einer für alle

Felix Schönfeld und Joschka Heinrich, verantwortlich für das Konzept und die Programmierung der Webseite, haben viele Stunden in die Entwicklung des Internetauftritts gesteckt. “Das Ganze fing erst als Gegenbewegung zu Pegida an und wurde dann zu einem Netzwerk engagierter Bürger. Jeder hat dabei viele Informationen über und für Flüchtlinge zusammen getragen. Da wurde schnell klar, dass wir eigentlich eine Softwarelösung brauchen.” So entstanden schließlich die Webseite, die mittlerweile in zehn Sprachen von Urdu bis Tigrinya verfügbar ist, sowie die Facebook-Kontaktseite zu Afeefa.

InfoCompass Berlin ist ebenfalls entstanden, weil sich engagierte Menschen in Berlin Reinickendorf gefragt haben: “Wie können wir Flüchtlingen vor Ort helfen?” Das Ergebnis ist eine Landkarte geworden, mit wichtigen Informationen für Flüchtlinge. Hier finden Flüchtlinge Sprachschulen, Kitas oder psychologischer Betreuung, sowie die InfoPoints von InfoCompass Berlin. Flüchtlinge können auf der Webseite oder per mobiler App alle InfoPoints in ihrer Nähe sehen. Diese Infopunkte werden drei Mal pro Woche geöffnet und engagierte Bürger verteilen hier Informationen für Flüchtlinge und stehen mit Rat und Tat zur Seite. Darüber hinaus gibt es auf InfoCompass auch InfoVideos zu wichtigen Themen.

Den Gründern war es dabei wichtig, dass sich so auch Migranten selbst einbringen können, um andere Flüchtlinge zu beraten oder selbst Veranstaltungen zu organisieren. Den InfoCompass Berlin gibt es mittlerweile in sechs Sprachen für Berlin Reinickendorf und Westend.

Hilfe bei der Jobsuche: SelfieJobs und Workeer

SelfieJobs hat einem etwas anderen Ansatz. Die App aus Schweden wurde eigentlich für junge Menschen entwickelt, um die Jobsuche einfach und vor allem schneller zu machen. Jobsuchende erstellen bei SelfieJobs ein Profil, laden ihren Lebenslauf hoch und stellen sich mit einem kurzen Bewerbungsvideo vor. Arbeitgeber können dann bei der Suche nach Bewerbern wie bei der Dating-App Tinder auswählen: Kandidaten, die ihnen gefallen werden in eine Richtung gewischt, Kandidaten, die ausscheiden in die andere.

Die in Europa kostenlose App gibt es für mehrere europäische Städte, unter anderem auch Berlin. SelfieJob-Erfinder Martin Tall möchte diese App nun gemeinsam mit der regierungsnahen Organisation Vinnova speziell für Flüchtlinge erweitern und einen Übersetzungsmechanismus einbauen. Die Idee dahinter: Flüchtlinge können die Jobangebote in ihrer Sprache lesen und ihren Lebenslauf etwa auf arabisch oder russisch hochladen. Arbeitgeber lesen diese Lebensläufe wiederum auf Schwedisch, Deutsch oder Englisch. Auch der anschließende Bewerbungsgespräch-Chat soll übersetzt werden. “Ich glaube, das ermöglicht Migranten mindestens einen ersten Kontakt, den sie sonst aufgrund der Sprachbarrieren gar nicht hätten”, sagt Tall. Er hofft, dass Auto CV im Dezember an den Start gehen kann.

David Jacob und Philipp Kühn haben mit Workeer ebenfalls eine Webseite kreiert, die Flüchtlingen und Migranten bei der Arbeits- und Ausbildungssuche helfen soll. Das Projekt ist als Abschlussprojekt in ihrem Bachelorstudium entstanden. Jacob und Kühn wollten nicht nur einfach eine Arbeit schreiben, die in der Schublade verschwindet. Kombiniert mit persönlichem politischem Interesse am Thema Integration und Migration entstand so Workeer. Über die Idee zu Workeer sagen die Macher auf ihrer Webseite: “Mit der Plattform soll ein geeignetes Umfeld geschaffen werden, in dem diese besondere Gruppe von Arbeitssuchenden auf ihnen gegenüber positiv eingestellte Arbeitgeber trifft.”

Die App Workeer möchte Arbeit- und Ausbildungsstellen vermitteln
Die App Workeer möchte Arbeit- und Ausbildungsstellen vermitteln

Sie hoffen also, dass Migranten und Flüchtlinge so schneller eine Arbeit in Deutschland finden – und somit auch schneller ein aktiver Teil der Gesellschaft werden können. Noch ist die Webseite allerdings nur auf Deutsch verfügbar, sie soll aber demnächst in weitere Sprachen übersetzt werden.

Apps für Flüchtlinge – bisher ohne Feedback

Die Apps und Webseiten für Flüchtlinge wollen ankommenden Flüchtlingen dabei helfen, sich in Deutschland besser zurechtzufinden. Sie wurden eigens dafür von engagierten Bürgern ins Leben gerufen und sie haben eine klare Botschaft: Flüchtlinge sind hier willkommen.

Die meisten Applikationen stecken allerdings noch in den Kinderschuhen. Einige sind zum Teil noch in der Beta-Phase, bei anderen gibt es noch die typischen anfängliche technische Pannen, und Auto CV von SelfieJobs steckt sogar noch in der Entstehungssphase. Derweil entwickeln viele andere Firmen wie zum Beispiel SAP derweil ihre eigenen Flüchtlings-Apps. Hier wird die Zeit sicherlich zeigen, welche der vielen Angebote den meisten Zuspruch bekommen.

Denn auch wenn viele Applikationen mit Hilfe von Migranten erstellt wurden, eins ist bei allen Apps noch absolute Mangelware: Feedback von den Flüchtlingen. Keiner weiß bisher genau, ob und wie viele Flüchtlinge ihre Apps nutzen – und ob sie ihnen überhaupt helfen.


Image (adapted) “Welcome asylum seekers and refugees – Refugee Action protest 27 July 2013 Melbourne” by Takver (CC BY-SA 2.0)

Screenshots by Marinela Potor


 

begann ihren journalistischen Werdegang bei kleinen Lokalzeitungen und arbeitete dann während ihres Studiums als Reporterin für den Universitätsradiosender. Ihr Volontariat machte sie bei Radio Jade in Wilhelmshaven. Seit 2010 hat sie ihren Rucksack gepackt und bereist seitdem rastlos die Welt – und berichtet als freie Journalistin darüber. Über alle „inoffiziellen“ Geschichten schreibt sie in ihrem eigenen Blog fest. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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