Blendle startet sein neues Bezahlmodell in den USA

Blendle, die niederländische Plattform, bei der Nutzer pro Artikel bezahlen, hat vor wenigen Tagen in den Vereinigten Staaten eine limitierte Betaversion herausgebracht. Blendle kooperiert nun mit 20 Medienhäusern – einschließlich hochkarätigen Verlagen wie der New York Times, dem Wall Street Journal, der Washington Post, The Economist und dem Time Magazine. Der Test wird darüber entscheiden, ob sich Blendles Micropayment-Modell auf einen Markt, der voll von kostenfreien Inhalten ist, überhaupt halten kann.

Blendle bringt alle Artikel seiner Verlagspartner in einer gemeinsamen App zusammen und bietet dann den Nutzern die Möglichkeit, sie einzeln zu erwerben, unabhängig davon, wo sie ursprünglich veröffentlicht wurden. Die US-Markteinführung wird zunächst auf 10.000 Nutzer beschränkt sein und der Preis wird zwischen 19 und 39 Cent für Zeitungsartikel und zwischen 9 und 49 Cent für Artikel aus Magazinen betragen. Wenn die Nutzer mit einem Artikel unzufrieden sind, können sie eine Rückerstattung fordern. Jedes Verlagshaus setzt seine eigenen Preise fest und behält 70 Prozent der Umsätze, während Blendle die übrigen 30 Prozent bekommt. Das Modell ähnelt den Einnahmen von Apples App Store – was passend ist, wenn man bedenkt, dass Blendle dem “Nachrichten-iTunes”-Modell am nächsten ist, das viele Leute über Jahre hinweg gefordert haben.

Eine Vielzahl englischsprachiger Publikationen hat Blendle in Europa genutzt, seit die Plattform 2014 in den Niederlanden und letztes Jahr in Deutschland gestartet ist. Das Verlagshaus der New York Times sowie der deutsche Axel Springer-Verlag haben im Oktober 2014 drei Millionen Euro in das Unternehmen investiert.

Blendle plant außerdem, zusätzliche Optionen einzuführen, die es den Nutzern erlauben, einzelne Publikationen zu abonnieren. Blendle-Mitbegründer Alexander Klöpping sagte, das Unternehmen würde Abonnements zunächst in Europa einführen, sie aber “schon bald in die USA bringen”.

In den Niederlanden und in Deutschland haben sich bereits 650.000 Personen für den Service registriert. Blendle bietet neuen Nutzern ein Startguthaben, damit sie den Service zunächst kostenlos ausprobieren können. Laut Klöpping verknüpfen etwa 20 Prozent der registrierten Nutzer eine Kreditkarte mit ihrem Kundenkonto. Wie viele Artikel gekauft wurden, möchte er jedoch nicht sagen.

Natürlich muss man aber noch abwarten, wie sich der Micropayment-Service auf den amerikanischen Markt übertragen wird. Esquire hat eine Zeit lang versucht, Lesern für einzelne Onlineartikel gewisse Kosten zu berechnen; GQ hat damit experimentiert, Preise für Artikel zu verlangen, wenn ein Ad-Blocker verwendet wird und im vergangenen Jahr hat The Winnipeg Free Press aus Kanada als erste nordamerikanische Zeitung ein Micropayment-System eingeführt. Bis einschließlich Februar verzeichnete The Free Press 4.000 registrierte Konten und berechnete im neuesten Einnahmebericht, dass sie dieses Jahr 100.000 Kanadische Dollar (76.365 US-Dollar) mit diesem Programm erwirtschaften würden.

Der deutsche und der niederländische Markt (mit jeweils 80 Millionen Einwohnern bzw. 17 Millionen Einwohnern) sind kleiner als der amerikanische Markt (319 Millionen Einwohner). Als Blendle in diesen Ländern auf den Markt gekommen ist, konnte es fast jede große Zeitung und jedes Magazin auf seine Plattform aufnehmen. In den USA ist dies nicht der Fall, da englischsprachige Inhalte in viel größeren Mengen kostenlos online verfügbar sind. (Ein weit größerer Anteil europäischer Publikationen verwendet im Vergleich zu US-amerikanischen Medienunternehmen unumgängliche Paywalls).

Infolgedessen preise Blendle das Produkt bei amerikanischen Nutzern als Ausweg aus dem Dickicht der Online-Inhalte an, um Artikel von hoher Qualität zu erhalten, so Klöpping. “Die Botschaft unterscheidet sich deutlich”, sagt er. “In den USA betonen wir viel stärker die Tatsache, dass wir Nutzern dabei helfen, Inhalte in Publikationen zu entdecken, die sie normalerweise nur selten lesen würden.”

Und sobald Nutzer die Blendle-App haben, sagt Klöpping, sei er zuversichtlich, dass sie bereit wären, für Artikel zu zahlen, die sie anderweitig umsonst bekommen könnten.

Wenn Publikationen einige ihrer Artikel kostenfrei auf ihre Seite stellen, hat das keine Auswirkungen darauf, wie Leute dafür bezahlen”, sagt Klöpping.

Wir sehen hier keinen Rückgang der Zugriffe. Es ist eigentlich ziemlich logisch: Wenn man in der App ist und sie einem einige Artikel liefert, die einen interessieren, werden sich viele Leute nicht die Mühe machen, eine Überschrift zu googlen, um herauszufinden, wo sie den Artikel umsonst bekommen können.

Blendle hat Redakteure in der niederländischen Geschäftsstelle, die Artikel für einen englischsprachigen Newsletter zusammenstellen, der wiederum auf Artikel der Plattform aufmerksam macht. Man plant, in den Niederlanden und in New York mehr Redaktionsmitglieder für die englische Seite einzustellen. Blendle hat zudem einen Empfehlungsalgorithmus, wodurch Nutzer Medienhäusern sowie anderen Personen auf Blendle folgen können, um Artikel zu finden.

Es gibt deutsche und niederländische Versionen des Newsletters. Künftig soll eine Artikelsammlung zu bestimmten Nachrichtenereignissen zusammengestellt werden, wie beispielsweise zu den Terroranschlägen in Brüssel.

[Übersetzung: Bist du auf Blendle? Wir haben einen Channel mit den besten Hintergrundartikeln eröffnet. Interpretation ist wichtig.]

Beth Diaz, die stellvertretende Leiterin für Leserentwicklung und Analyse der Washington Post sagt, dass die Newsletter hilfreich gewesen seien, um Leser zu Artikeln der Washington Post und zur europäischen Versionen von Blendle zu führen. Die Washington Post und Publikationen wie The Economist und The Wall Street Journal haben bereits Artikel auf den europäischen Versionen der Seite veröffentlicht.

Wie viele Post-Artikel auf Blendle gekauft wurden, dazu möchte sich Diaz nicht äußern. Aber es sei eine eher “mäßige Quelle bezüglich Traffic und Umsätzen” gewesen. In den USA berechnet die Washington Post 19 Cent pro Artikel und wird zukünftig alles, was in ihrer Printversion veröffentlicht ist, täglich an Blendle schicken.

Laut Diaz interessiere sich die Washington Post dafür, wie sich das Micropayment-System auf eine US-Leserschaft übertragen lässt. “Ich erwarte, dass wir viele großartige Informationen bekommen werden, die uns dabei helfen, herauszufinden, ob wir unsere Strategie bezüglich unserer Partnerschaft mit Blendle und vielleicht insgesamt verändern sollten”, sagte Diaz.

Auch das Wall Street Journal hat bereits in Blendles europäischen Versionen veröffentlicht. Obwohl sie keine konkreten Zahlen nennen möchte, sagte Katie Vanneck-Smith, Servicemanagerin von Dow Jones, dass aufgrund von Blendles junger Leserschaft – mehr als die Hälfte der Nutzer sind unter 35 – Technologie-Artikel gut auf der Plattform abgeschnitten haben, während die Berichterstattung über US-Politik bisher nicht so beliebt gewesen sei. Allerdings bemerke sie, dass diese “dank Trump beginnt, aufzuholen”.

The Journal hat seit jeher Gebühren für den vollen Zugang zu seiner Website erhoben. Nach Vanneck-Smith sei Blendle nur eine weiterer Möglichkeit, die Leser dazu zu bringen, für ihre Arbeit zu zahlen. Die Artikel des Journals werden jeweils 39 Cent kosten.

Ich denke, dass dies definitiv die nächste Welle der kostenpflichtigen Angebote ist, sagt sie. Ist das etwa der einzig richtige Weg? Nein. Es wird keinen einzig richtigen Weg geben. Aber alles, was es Kunden erleichtert, professionellen Journalismus zu kaufen und dafür zu bezahlen, ist eine gute Sache. Als Branche müssen wir alles unterstützen, das die Spannung aus dem bezahlten Qualitätsjournalismus nimmt.

Time Inc. sieht in dem Service zudem die Möglichkeit, neue Leser zu erreichen. Zunächst wird die Plattform nur Artikel des Time Magazine anbieten, aber es könnten eventuell noch weitere Titel dazukommen, so Scott McAllister, stellvertretender Leiter für Digitales Marketing und Einnahmen des Verlags des Time Magazine.

Es werde noch immer über die Preissetzungsstruktur entschieden, aber laut McAllister könnte man sich dazu entschliessen, mehr Geld für größere Beiträge oder Titelgeschichten zu verlangen. Alles, was Time wöchentlich als Print veröffentlicht, werde auf Blendle verfügbar sein. Viele dieser Printinhalte seien online nur für Abonnenten zugänglich oder für Nutzer, die die volle Onlineversion des Magazins erwerben. Time hoffe darauf, dass dank Blendle ein anderes, jüngeres Publikum erreicht werden kann, welches das Magazin ansonsten nicht kaufen würde, so McAllister.

Es ist ein anderes Modell, ein anderer Konsumententyp, sagt er. Viele unserer Kunden kaufen sich das Magazin, um es durchzublättern… Dieses ist ein anderes Modell, bei dem man nach sehr spezifischen Themen oder Informationen sucht. Sicherlich gibt es bei beiden Modellen Parallelen, aber unsere Idee war eigentlich, dass es keine große Überschneidung gibt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “Nieman Journalism Lab” unter CC BY-NC-SA 3.0 US. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image “Zeitung”(adapted) by shotput (CC0 Public Domain)


schreibt für das an der Harvard Universität angesiedelte Nieman Journalism Lab über Innovation in der Medienbranche. Davor arbeitet er für die Nachrichtenagentur Reuters und berichtete über den wirtschaftlichen Niedergang von Detroit.


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