Ihr Smartphone könnte gut für Ihre Psyche sein

Mit Smartphones und der heutigen Technik ist es möglich, psychisch kranken Menschen in Form von Apps zu helfen oder von Zuhause aus Therapiesitzungen abzuhalten. Wenn es um die geistige Gesundheit geht, werden Smartphones und Social Media fast immer in Zusammenhang mit Gefahr gebracht. Viele Experten äußerten ihre Besorgnis, dass Technologie für die immer weiter ansteigenden psychischen Krankheiten verantwortlich sein könnte. Es gibt jedoch auch Hinweise darauf, dass Ihr Smartphone gut für die Psyche sein kann.

Das Gehirn ist ein empfindliches Organ, das auf Stimulation reagiert und diese nachahmt. Forscher haben die Nutzung von Smartphones und den Effekt auf die tägliche Plastizität des Hirns untersucht. Man fand heraus, dass schon die Fingerbewegungen, die nötig sind um das Smartphone zu benutzen, ausreichen, um die Hirnaktivität zu verändern. Dass die Technik derart in der Lage ist, unsere Hirne zu verändern, hat die Frage aufgeworfen, inwiefern die Tätigkeiten am Bildschirm mit dem erhöhten Auftreten von ADHS, Depressionen oder Schlaflosigkeit zusammenhängen könnten. Die Technologie wurde auch schon für Cybermobbing, Isolation, Kommunikationsschwierigkeiten und verringertes Selbstbewusstsein verantwortlich gemacht. Alle diese Tatsachen könnten psychischen Krankheiten auslösen.

Positives Potential

Den Fokus nur auf die negativen Erlebnisse mancher Menschen zu richten, wird dem Potential der Technik so jedoch nicht gerecht. Sie kann ein Werkzeug sein, um psychische Probleme zu behandeln und zugleich die Lebensqualität und das Wohlgefühl steigern. Es gibt beispielsweise Programme für Depressionen und Angststörungen, die dazu kreiert worden sind, die Laune zu verbessern, die Menschen anzutreiben und ihnen dabei zu helfen, ihre Schwierigkeiten zu überwinden. Diese Programme verwenden gesteuerte Selbsthilfeprinzipien auf Kognitionsbasis und haben sich als sehr effektiv herausgestellt.

Auch gelten Computerspiele als sehr wirkungsvolle Therapie für Erwachsene. Da sie Spaß machen und weitestgehend anonym benutzt werden können, stellen sie eine Alternative zu traditionellen Therapien dar. Beispielsweise hat man herausgefunden, dass das Fantasy Rollenspiel SPARX ebenso effektiv wirkte wie eine direkte Gesprächstherapie in klinischer Behandlung.

Der Forscher David Haniff hat Apps zur Verbesserung des Gemütszustands von Menschen die unter Depressionen leiden erfunden, indem er ihnen erfreuliche Bilder, Video- und Audiodateien, beispielsweise von ihren Familien, zeigte. Er entwickelte zudem ein Computerspiel, das einer betroffenen Person dabei helfen konnte, ihre Depression zu behandeln. Gleichzeitig hat man herausgefunden, dass Smartphone-Apps, die unterschwellig entspannende Musik abspielen, um den Hörer vom Lärm und den Sorgen des alltäglichen Lebens abzulenken, dabei helfen können, Stress und Angstzustände zu vermindern.

Außerdem kann die Technik durch E-Mails, Onlinechats oder Videotelefonate eine bessere Verbindung zu Psychologen bieten. Dies ermöglicht es allen Parteien, auch weit entfernt voneinander zusammen zu arbeiten, was besonders den Patienten zugutekommt, denen es nicht möglich ist, regelmäßig einen Psychologen aufzusuchen. Solch ein Erlebnis kann stärken und Antrieb geben. Man ermutigt den Einzelnen, die Verantwortung für die eigene geistige Gesundheit zu übernehmen.

Diese Art der „Telemedizin“ hat sich bereits im Kinder- und Jugendgesundheitswesen etabliert. Hier findet es in Form von Onlinechats während Familientherapien statt, eine Form, bei der jede Partei in der Sitzung gleichermaßen zu Wort kommen kann. Aus unserer eigenen praktischen Erfahrung heraus können wir versichern, dass es jungen Menschen, die Probleme haben, sich vis-à-vis zu verständigen, leichter fällt, ihrem Therapeuten zu schreiben, um sich auszudrücken, da so der Zwang, jemandem gegenüberzusitzen und Augenkontakt zu halten, nicht besteht.

Umstände wie soziale Ängste halten Menschen oftmals davon ab, sich Hilfe zu suchen. Hier kann die Telemedizin helfen, die Krankheit von zuhause aus zu bekämpfen und die Patienten an ihre Termine zu erinnern, dementsprechend wird die Anwesenheit erhöht und die Aussteigerquote verringert.

Neue Wege zur Behandlung

Das Internet kann eine Möglichkeit sein, sich Hilfe zu suchen, insbesondere für diejenigen, die das Gefühl haben, dass Stigma zu einer psychischen Krankheit dazugehört. Mehr Zugang zu Informationen wie Videos über Mitmenschen mit psychischen Problemen, beispielsweise auch von Prominenten, kann dabei helfen, die Umstände zu normalisieren, über die sonst kaum gesprochen wird.

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Die Menschen benutzen Technik, um sich zu informieren und einen leichten Zugang zu dem Thema psychische Krankheiten zu erlangen. Dies kann in Form von Services wie Chats, Blogs und zusätzlichen Informationen über die Umstände einer psychischen Krankheit, schon reichen. Auf diese Weise kann auch eine lange Wartezeit auf professionelle Hilfe überbrückt werden, indem Hilfe früher angeboten und so die Effektivität der Behandlung verbessert wird.

Generell gesprochen kann auch der Internetzugang an sich und die Nutzung von moderner Technik wie Smartphones eine Rettungsleine zur Außenwelt darstellen. Sie bringt Menschen auf völlig neuartige Weise zusammen und eröffnet neue Kommunikationswege. Wenn sich die sozialen Netzwerke verbessern, könnte es möglich sein, dass die Menschen seltener dazu gezwungen sind, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, da sie das, was sie belastet, nach außen tragen und verteilen können.

Untersuchungen über die potentiellen Gefahren der Technik und ihre Wirkungen auf das Hirn sind ebenso wichtig für unser Verständnis der modernen psychischen Krankheiten. Die Technik ermöglicht jedoch auch neue Möglichkeiten für innovative Ideen, um für mehr Engagement und Wohlbefinden für diejenigen zu sorgen, die mit psychischen Belastungen zu kämpfen haben. Lasst uns diese Chance ergreifen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei TheConversation. Übersetzung von Anne Jerratsch.


Image (adapted) „Close up person using smartphone“ by Japanexperterna.se (CC BY-SA 2.0)

 

ist Psychologin und kognitive Verhaltens-Therapeutin. Sie arbeitet als Director of Studies und Lehrerin an der University of Surrey. Als Psychologin und Therapeutin arbeitet Sie immer wieder mit Personen, die unter verschiedenen psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Phobien oder chronischen körperlichen Gesundheitszuständen leiden.


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2 comments

  1. Der Artikel gefällt mir und bestätigt Annahmen, die ich hatte. Eine kleine Ergänzung aus meinem Beruf: WhatsApp und andere Messagingservices erleichtern die niedrigschwellige Wiederaufnahme der Kommunikation zwischen frisch verstrittenen Paaren. Man muss nicht gleich richtig sprechen, sondern kann sich ein Emoticon oder ein liebes Wort senden.;-)

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