Kommentar: Ein Jahr Huffington Post in Deutschland

Die Huffington Post Deutschland feiert am Freitag Geburtstag – Zeit für eine bis jetzt versäumte Kritik zum Jubiläum. // von Tobias Schwarz

Huffington Post Deutschland (Bild: t3n)

Diesen Herbst erlebt die deutsche Medienlandschaft eine Neuerung nach der anderen. BuzzFeed ist hierzulande gestartet, Krautreporter folgt bald und die deutsche Wired erlebt gerade einen Erneuerungsprozess. Mit einem Jahr Vorsprung startete das Blogging-Netzwerk Huffington Post im vergangenen Oktober. Man selbst scheint zufrieden mit dem Erreichten zu sein, aber in Wirklichkeit war es ein verschenktes Jahr.

Am Freitag feiert die deutsche Ausgabe der Huffington Post ihr erstes Jubiläum und laut Magdalena Rogl kann sich das erste Jahr der vom Burda-Unternehmen Tomorrow Focus betriebenen Blogging-Plattform sehen lassen. Dies twitterte Rogl gestern in eine Unterhaltung zwischen BuzzFeed-Chefredakteurin Juliane Leopold und mir, nachdem ich mich kritisch über einen weiteren deutschsprachigen BuzzFeed-Beitrag geäußert habe.

Ze German BuzzFeed

Der den BuzzFeed-Artikel anteasernde Tweet machte mich neugierig. „Mit der Wende kam das Besteck„, der Untertitel des Artikels. Doch dahinter verbirgt sich nicht wie von mir erwartet ein bissiges Listicle, indem die von mir geschätzte Juliane Leopold sich ihr Schreibtalent, ihre ostdeutsche Herkunft und BuzzFeeds Liebe zu GIFs zu Nutze macht, um dieser aktuell viel diskutierten Geschichte die nicht passende Ernsthaftigkeit zu nehmen, sondern ein doch sehr langweiliger Beitrag mit sechs Fotos und nur wenigen Worten darunter.

Meine Enttäuschung machte ich auf Twitter öffentlich, denn nach dem doch seltsamen ersten Artikel von Sebastian Fiebrig über „16 Schritte, Wie Du Dich Auf Die Russische Invasion Vorbereitest„, enttäuschte mich schon wieder ein Beitrag des erst vor vier Wochen hierzulande gestarteten BuzzFeed. Meine Kritik war aber zu voreilig, wie mir Juliane Leopold auf Twitter entgegnete und damit hat sie im Rückblick auch Recht. Auch als regelmäßiger BuzzFeed-Leser kann ich mir zur Zeit kaum vorstellen, wie sich die in den USA erfolgreiche Art und Weise gut ins Deutsche übertragen lässt.

Genau daran arbeitet Leopold mit ihrem Team und egal wie das Vorhaben ausgeht, es verdient Respekt. Hat sie Erfolg, ist die deutsche Medienlandschaft um einen spannenden Akteur reicher, der im besten Fall unterhält und gut informiert, was den derzeitigen Redakteuren zuzutrauen ist. Ein GIF-angereichertes Listicle mit 25 Lektionen, die wir aus der Lindenstraße lernen können, ähnlich wie es BuzzFeed für Serien wie die Gilmore Girls gemacht hat, wird wohl nicht klappen, aber vielleicht eine in diesem Format humorvolle, aber mit kritischen Kommentaren versehene Version über die ersten 25 gebrochenen Wahlversprechen der Großen Koalition. Zur Zeit hoffe ich noch, dass ein deutsches BuzzFeed keine Kopie der US-Vorlage wird, sondern etwas Eigenständiges entwickelt. Unterhaltsam, aber seriös und nicht zu überdreht.

Happy Birthday, Huffington Post!

Der berechtigten Ermahnung Leopolds zu mehr Fairness und Geduld schloss sich dann wie bereits erwähnt Magdalena Rogl von Tomorrow Focus an, die auf den anstehenden Geburtstag der deutschen Huffington Post hinwies und auch ein „bisschen Geduld“ einforderte, denn „die US-Vorbilder haben sich auch über Jahre zu dem entwickelt, was sie jetzt sind„. Doch bei der Huffington Post liegt der Fall ganz anders. Das Projekt hat nicht nur mit Burda einen wohl nicht wieder gut zu machenden Gründungsfehler, sondern auch vom ersten Tag an bewiesen, dass es mit dem von Arianna Huffington gegründeten US-Blog nur den Namen gemeinsam hat, ansonsten aber in keinster Weise Ähnlichkeit besteht. Burda hat sich in Huffingtons Familie eingeheiratet, das macht es aber noch lange nicht zu einem Huffington.

Arianna Huffington (Bild: Communitech Photos [CC BY-SA 2.0], via Flickr)
Arianna Huffington (Bild: Communitech Photos [CC BY-SA 2.0], via Flickr)

Es mag vergangenen Herbst noch wie ein schlechter Witz gewirkt haben, dass ausgerechnet Burda, welches sonst die vermeintliche Kostenloskultur des Internets und sowieso an allen Ecken des Internet anzutreffende Diebstahlsmentalität kritisiert, hierzulande die Huffington Post betreiben wird. Dazu kommt, dass auffällig viele Leute mit beruflichen Interesse bloggen, wie zum Beispiel diverse Politiker, die hier einfach die Reichweite für ihre Botschaften nutzen wollen. Außerdem werden Blogger bei der Huffington Post nicht bezahlt, durchaus aber die Focus.de-Redakteure, die mitschreiben. Für Tomorrow Focus sicher ein logischer Schritt, um auch von Bloggern nicht abgebildete Themen durch die eigenen Journalisten des einen Mediums auf der Seite eines anderen Mediums abbilden zu lassen. Spätestens hiermit geht aber der Zauber der US-amerikanischen Huffington Post verloren, die in der ähnlich dem politischen Systems zwei geteilten Medienlandschaft eine auffällige und dringend gebrauchte Alternative war. In Deutschland ist die Huffington Post nur ein weitere Kanal von Focus.de, also von Tomorrow Focus, also von Burda.

Und last but not least die nicht genutzte Möglichkeit, die eine „Mitgliedschaft“ in der Huffington-Familie mit sich bringt. Auf dem Hamburger Scoopcamp sprach zwar Huffington Post-Chefredakteur Sebastian Matthes von den Möglichkeiten eines internationalen Blogging-Netzwerkes, in dem von anderen Ablegern gelernt werden kann und die den Journalismus oft einengenden Sprachbarrieren überwunden werden, nur findet man davon rein gar nichts auf der deutschen Seite. Wo sind denn die Übersetzungen der besten Artikel über globale Themen aus den anderen Ländern, in denen die Huffington Post aktiv ist? Viel mehr findet man Artikel, ähnlich wie auf Focus.de, deren Themen man schon woanders gelesen hat, nur hier mit reißerischer Überschrift.

BuzzFeed hui, Huffington Post pfui?

Ich kann die Ansicht von Magdalena Rogl also überhaupt nicht teilen. Wenn Journalismus und Blogging mehr als Klickzahlen und Reichweite sind, dann läuft bei der deutschen Huffington Post gar nichts gut. Das sind zwei nicht zu verachtende Themen für Redaktionen, aber meiner Meinung nach verliert Sebastian Matthes in seinem Fokus darauf wichtigere Themen aus dem Blickfeld und verkennt die Gefahren für den Journalismus, wenn sich Redaktionen einzig und allein auf soziale Netzwerke verlassen. Und das Niveau der deutschen Huffington Post ist auch einem Jahr nach Start genauso niedrig wie zu Beginn, trotz des tollen Namens und des leuchtenden Vorbilds in den USA.

Sebastian Matthes hat mit Burda und dem Netzwerk der Huffington Post unglaubliche Möglichkeiten, noch vor dem meiner Meinung nach demnächst startenden Durchbruch des Blogging in Deutschland, ein vielleicht die Szene prägendes und motivierendes Medium auf die Beine zu stellen, aber von Innovation oder auch nur den Hauch eines respektablen Niveaus ist leider nichts zu spüren. Das ist leider meine ehrliche Meinung und ich hätte liebend gerne etwas anderes über die Huffington Post geschrieben, nur kann ich das leider nicht. Ich hoffe, dass ich das in einem Jahr nicht über BuzzFeed schreiben muss.

Am treffendsten hat der deutsche Medienjournalist Stefan Niggemeier im Interview mit Netzpiloten-Autor Jakob Steinschaden die Kritik an der deutschen Huffington Post zusammengefasst: „Es [Huffington Post Deutschland] ist keine Bereicherung des deutschen Medienmarkts. Die deutsche „Huffington“ Post macht nichts anderes, als Inhalte, die andere schon haben, nochmal zu überdrehen und eine übertriebene Überschrift zu geben. Diese Tricks, wie man eine Überschrift macht, die die Leute klicken, haben sie natürlich drauf, Respekt. Das ist bislang nur eine große Windmaschine.


Teaser & Image by t3n


ist Coworking Manager des St. Oberholz und als Editor-at-Large für Netzpiloten.de tätig. Von 2013 bis 2016 leitete er Netzpiloten.de und unternahm verschiedene Blogger-Reisen. Zusammen mit Ansgar Oberholz hat er den Think Tank "Institut für Neue Arbeit" gegründet und berät Unternehmen zu Fragen der Transformation von Arbeit. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , , , , , , , , ,

2 comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert