Wie Ego-Manager in geschlossenen Netzwerken scheitern

In der Organisationstheorie sind sie gut erforscht: Geschlossene Netzwerke punkten bei Kooperationen und Verlässlichkeit. Sie sind stabiler, aber auch inflexibler. “Einer durch ein festes Normengefüge abgesicherten, verlässlichen Kooperation steht somit der Nachteil mangelnder Anpassungsfähigkeit gegenüber”, erklären die Wissenschaftler Mark Ebers und Indre Maurer. Die Beharrungskräfte der Netzwerk-Akteure können negative Auswirkungen haben. Empirische Studien belegen, dass es Führungskräften in solchen Formationen nicht gelingt, neue Tätigkeitsfelder zu erschließen – hier sind Netzwerke mit offenen und losen Verbindungen überlegen.

Habermas und die Omnipräsenz der Ereignisse

Es wird immer schwerer, Vertraulichkeit und Privatsphäre zu bewahren. In einer vernetzten Ökonomie funktionieren die geschlossenen Einheiten und Absprachen hinter den Kulissen nicht mehr.

Man könnte es auch als Omnipräsenz der Ereignisse definieren oder als Strukturwandel der Öffentlichkeit im Sinne des Soziologen Jürgen Habermas. CEOs agieren zunehmend unter ständiger Beobachtung ihrer Stakeholder. “Alle Handlungen und unternehmerischen Entscheidungen werden von Mitarbeitern, Investoren und weiteren Interessengruppen kommentiert, diskutiert und interpretiert”, bemerkt der DAX-Flüsterer Alexander Geiser.

Kaminkarrieren reichen nicht

Es gibt kaum noch Ruhezonen, schon gar nicht in sozialen Medien, wo jeder Empfänger von Botschaften gleichzeitig auch Sender sein kann. Das passt allerdings nicht zur DNA der Führungskräfte in Deutschland, die sich als Betriebswirte, Ingenieure und Juristen in klassischen Laufbahnen hochgearbeitet haben. Das Ideal des neuen Managertyps sieht anders aus: Eine von Russell Reynolds Associates durchgeführte Studie zeigt, dass Führungskräfte, die Unternehmen erfolgreich bei Innovation, Digitalität und Kundenzentrierung begleiten, signifikant andere Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale aufweisen. Mit dem radikalen Umbau des Suchmaschinenkonzerns Google zum Digitalkonglomerat Alphabet haben sich Larry Page und Sergey Brin als Archetypen dieser “Productive Disruptors” erwiesen.

Sie vereinen Persönlichkeitsmerkmale und Managementfertigkeiten, die sich eindeutig von denen eines klassischen Executives abheben. Die Russell-Reynolds-Berater sprechen von einem Digitalquotienten (DQ) – analog zum Intelligenzquotienten (IQ) und zum emotionalen Quotienten (EQ). Manager, die über einen hohen DQ verfügen, sieht die Analystin Georgia Stegmann als Speerspitze und Erfolgsgaranten einer gelungenen digitalen Transformation. Sie sind flexibel, furchtlos, kompetent im Veränderungsmanagement und bereit, organisatorische Widerstände zu überwinden. Sie sind Meister darin, Chancen wie Risiken des digitalen Wandels zu erkennen und dieses Wissen zum Wohle des Unternehmens einzusetzen. Ein weiteres Ergebnis der Studie: In den USA finden sich “Productive Disruptors” häufiger als in anderen Teilen der Welt als CEO an der Unternehmensspitze. In Europa hingegen und insbesondere in Deutschland ist die aktuelle Manager-Generation schon biografisch nicht optimal für die neuen Herausforderungen gerüstet:

Stromlinienförmigkeit, Stallgeruch und Kaminkarrieren der Deutschland AG reloaded erweisen sich immer mehr als Hindernis für wirtschaftliche Prosperität. Ausführlich nachzulesen demnächst in der Frühjahrsausgabe des Wirtschaftsmagazins Boardreport mit dem Schwerpunkt “Kunst des Wechsels”, die Ende März erscheint.

Narzissten im Brennglas des Netzes

Das Notiz-Amt verweist darüber hinaus auf das Werk “Leadership in der digitalen Welt” von Peter Paschek. Der Autor behandelt das Auseinanderklaffen von Innen- und Außensicht der Top-Leute im Management. In den vergangenen 25 Jahren seien vor allem narzisstische Führungskräfte herangezogen worden, die die Interessen anderer besonders wenig achten. In den USA erlangen narzisstische Persönlichkeiten mit viel höherer Wahrscheinlichkeit einen Vorstandsposten als ihre nicht-narzisstischen Kollegen. Das Internet macht diese Defizite im Führungsverhalten sichtbarer – es fungiert wie ein Vergrößerungsglas. Wer als Egozentriker unterwegs ist, wird kaum Fähigkeiten zur offenen Kommunikation und Kritikfähigkeit mitbringen. Im Ego-Modus pflegt man eher das Bild des Machers, der alles im Griff hat. Management in einer komplexen und vernetzten Welt funktioniert so aber nicht mehr.


Image by “Mann-Cooperate” by Unsplash (CC0 Public Domain)


ist Diplom-Volkswirt, lebt in Bonn und ist Wirtschaftsjournalist, Kolumnist, Moderator und Blogger. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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