Internet in Kuba: In einem Land, das den Anschluss verloren hat

Der sozialistisch karibische Inselstaat scheint Lichtjahre entfernt vom globalen Netz. Unser Autor Jakob Steinschaden hat sich vor Ort angesehen, wie die Kubaner mit ihren stark eingeschränkten Netzzugängen leben und leiden. // von Jakob Steinschaden

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Rum und Tabak gibt es für die kubanesische Bevölkerung in Hülle in Fülle – aber Internet? Für die Bewohner der karibischen Insel unter sozialistischem Regime ist das Netz meistens unnerreichbar und oft Luxus. Die Wege, die sie gehen, um online sein zu können, sind dabei oft abenteuerlich und manchmal illegal. Die Lockerungen des US-Embargos lassen derzeit viele hoffen, dass sich die Situation verbessert – denn vor allem die Jungen wollen nicht nur Facebook und WhatsApp verwenden, sondern sich in der globalen Digitalökonomie behaupten können. Eine Reportage aus einem Land, das den Anschluss verloren hat und endlich am globalen Netz mitpartizipieren will.


Warum ist das wichtig? Kuba ist aus politischen und wirtschaftlichen Gründen eines der rückständigsten Länder in Sachen Internet. Die Bevölkerung hofft seit längerem auf eine bessere Versorgung mit dem Netz, die Lockerung des US-Embargos bietet nun die Chance dafür.

  • Kuba ist eines der am schlechtesten mit Internet versorgten Länder der Welt und zählt wegen Überwachung und Zensur laut „Reporter ohne Grenzen“ zu den „Feinden des Internet“

  • Die kubanische Regierung erschwert der Bevölkerung den Zugang zum Netz mit sündteuren Preisen – weswegen Kubaner oft auf abenteuerlichen und illegalen Wegen online gehen

  • Die Lockerung des US-Embargos lässt viele Kubaner hoffen, dass sie bald schnelleres und billigeres Internet bekommen. Vor allem im Tourismus ist das Web wichtig, um Marketing machen zu können


Auf der Straße vor dem Gran Hotel in der Stadt Trinidad an der Südküste Kubas steht ein Dutzend Einheimische, jeder mit Smartphone in Richtung Hotel-Lobby gewendet. Irgendwie ist das WLAN-Passwort des Tages aus der sündteuren Touristenburg nach draußen entfleucht und hat sich herumgesprochen. Die Kubaner, denen untersagt ist, sich Internetzugang im Hotel zu kaufen, nutzen die Gunst der Stunde und checken schnell E-Mails, Facebook, WhatsApp und News-Seiten, solange die Verbindung noch funktioniert. Die Situation ist skurril, für Kuba aber irgendwie auch typisch. Das sozialistische Land kann (und will) seine Bürgern bis dato nicht so einfach ins freie Netz surfen lassen, nur die wenigsten haben die Möglichkeit, einfach mal online zu gehen, wie wir es gewöhnt sind.

Und so wird ein Hotel-WLAN unverhofft zur temporären Internet-Oase, an der glückliche Kubaner ein wenig von jenen globalen Datenströmen naschen, von denen sie sonst abgeschnitten sind. Während drinnen in der Hotel-Lobby Netzzugang für Ausländer so selbstverständlich ist wie Air Condition, ist für die Kubaner draußen eine der seltenen Gelegenheiten, mal schnell im Netz zu schnuppern. Mir kommt der Spruch des Science-Fiction-Autors William Gibson in den Sinn: „Die Zukunft ist schon da. Sie ist nur ungleich verteilt.

Abgeschnittener Feind des Internet

Das Internet und Kuba, das ist schon eine höchst ungewöhnliche Beziehung. Auf meiner dreiwöchigen Reise durch den autoritär von einem sozialistischen Regime regierten karibischen Inselstaat habe ich die Kubaner und ihr schwieriges Verhältnis zum Internet näher kennengelernt. Der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) zufolge zählt Kuba mit nur etwa vier Prozent ans Internet angeschlossenen Haushalten zu den am schlechtesten vernetzten Ländern der Welt, Reporter ohne Grenzen (ROG) zählte Kuba in seinem letzten Jahresbericht neben China, Russland, Saudi-Arabien, USA und Großbritannien (letztere beide wegen NSA- bzw. GCHQ-Überwachung) zu den Feinden des Internet – wegen Überwachung, Zensur und dem Einsperren von Internetaktivisten, die im Netz ihre Meinung äußerten. Menschen in Kuba, die das Internet nutzen wollen, stecken in einer politischen und ökonomischen Zange: Zum einen will die autoritäre Staatsführung unter Raúl Castro die Bürger nicht ins freie Netz lassen, zum anderen hat das US-Embargo die technische Entwicklung des Landes quasi auf Eis gelegt.

Untersee-Glasfaserkabel zwischen Nord- und Südamerika machen nicht in Kuba halt – immerhin hat der Staat 2011 einen Anschluss nach Venezuela und Jamaika gelegt, Verbindungen nach Haiti und in die dominikanische Republik sind geplant. Von diesem Zugang ans globale Internet profitieren derzeit aber nur Touristen und die Wohlhabenderen: In Kuba hat die staatliche Telekommunikationsbehörde ETECSA zwar etwa 150 Internet-Cafés in größeren und kleineren Städten eingerichtet, doch das Surfen dort ist für Kubaner sündteuer. Eine Stunde Internet kostet dort umgerechnet etwa 4 Euro – das ist bei einem durchschnittlichen Monatslohn von 16 Euro purer Luxus. Wer sich auf eine Stunde im staatlich kontrollierten Intranet mit regierungsfreundlichen Webseiten und den staatlichen E-Mail-Dienst Nauta.cu zufrieden gibt, kommt mit etwa einem Euro pro Stunde davon. Die kubanische Regierung kann so behaupten, dem Volk das heiß begehrte Internet zur Verfügung zu stellen, doch für die Mehrheit ist es einfach nicht erschwinglich.

Lockerung des US-Embargos lässt hoffen

Ich hoffe, dass sich die Internet-Situation mit den Obama-Ankündigungen verbessert„, sagt Lazaro, ein Fremdenführer, der eine Gruppe Touristen durch Kuba begleitet. Die US-Regierung, die kürzlich das seit 1960 andauernde Wirtschaftsembargo gelockert hat, will es einfacher machen, dass Telekommunikationsausrüstung und andere Technologien in den Nachbarstaat exportiert werden können. Das lässt viele Kubaner, vor allem die Jüngeren, frohlocken, bald besseres, günstigeres und vielleicht sogar mobiles Internet am Smartphone nutzen zu können. Denn diese Story, da hat die staatliche Propaganda dafür gesorgt, hört man immer: Die USA und ihr Embargo sind schuld, das wir keinen Zugang zum Netz haben. Dass das autoritäre Regime da auch ein Wörtchen mitzureden hat, das trauen sich die Kubaner nicht laut aussprechen. Denn wie aus WikiLeaks-Dokumenten hervorgeht, soll sich die kubanische Regierung besonders vor regierungskritischen Bloggern wie Yoani Sánchez („Generation Y„) fürchten, weswegen die staatliche Informationsbehörde jeden Inhalt zuerst freigeben will, der online veröffentlicht wird.

Und so sieht der Online-Alltag, sofern man ihn als solchen überhaupt bezeichnen kann, ziemlich düster aus. Die Mutigeren schlagen teilweise abenteuerliche Wege ein, um ins Netz zu gelangen. So werden einige Kubaner von Ausländern mit Satelliten-Internet via Telefon versorgt, während sich andere illegal in die Hotels für westliche Gäste schummeln und sich dort eine Stunde Zugang leisten. Die Schlauen unter ihnen schließen sich zu kleinen Gruppen von acht bis zehn Personen zusammen und teilen via WLAN-Hotspot den gemeinsam bezahlten Zugang. Eines braucht man im kubanischen Internet jedenfalls immer: Geduld. Auch in den teuersten Hotels kann es sein, dass die Verbindung lähmend langsam ist – Webseiten laden minutenlang, manchmal ist Google gesperrt, oft bricht die Verbindung einfach ab, Smartphones erkennen ihnen suspekte Sicherheitszertifikate nicht an.

Ganz selten ist, wenn eine kubanische Familie zu Hause Internet hat. Yinet und Julio, ein Ärztepaar aus Santiago de Cuba etwa, leisten sich den Online-Zugang via Einwählmodem übers Telefonnetz um etwa 100 Euro pro Monat, ein kleines Vermögen in dem armen Land. Die sündteure Verbindung ist unglaublich langsam, für das Versenden einer einzigen E-Mail brauchte ich einmal ganze 30 Minuten. Trotzdem zahlen Yinet und Julio für die Verbindung, die ihnen die ETECSA zur Verfügung stellt. Die beiden – er ist Internist, sie Kardiologin – verdienen im größten Krankenhaus der Stadt sage und schreibe 40 Euro pro Monat, weswegen sie sich mit der Vermietung von Zimmern an Touristen das Gehalt wesentlich aufbessern. Der Internetzugang in ihrem Gästehaus steht den Touristen zur Verfügung und ist auch jenes Mittel, mit dem die beiden erste zarte Marketing-Aktionen (Facebook, TripAdvisor, etc.) für ihre „casa particular“ machen. In Kuba ist das Internet im Prinzip der einzige Weg, Werbung für sein Geschäft zu machen, da Kommunikation im öffentlichen Raum dem Staat vorbehalten ist – statt Plakaten sieht man auf der Straße ständig die Parolen und Konterfeis von Che Guevara, Fidel Castro und Co. Die Präsenz in sozialen Netzwerken und Reise-Portalen, wo sich die Unterkunft von Nutzern weiterempfehlen lässt, ist da die einzige Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen.

Echte physische App Stores

So rückständig Kuba in Sachen Internet auch ist, zumindest bei der technischen Ausstattung ist die Bevölkerung ganz gut ausgerüstet. Laptops, Tablets und vor allem Smartphones (oft ältere Samsung oder LG-Modelle, manchmal iPhones der dritten oder vierten Generation) sind häufig und auch in entlegenen Dörfern in den Händen der Kubaner zu sehen. „Ohne Apps sind die Smartphones leider nutzlos„, meint Allesandro aus Havanna. Doch findige Geschäftsleute haben dafür eine Lösung gefunden: In kleinen Läden, oft mit dem Android- oder Apple-Logo gekennzeichnet sind, können Kubaner ihre Geräte jailbreaken und sich Apps aufspielen lassen. Für ein Entertainment-Paket, das etwa eine Taschenlampen-App, offline funktionierende Foto-Apps oder eine Handvoll Games beinhaltet, zahlen sie umgerechnet etwa einen Euro. Während man in der westlichen Welt App Stores als virtuelle Software-Läden kennengelernt hat, gibt es in Kuba also echte, physische App Stores, die zumindest Android-Handys mit Programmen versorgen können (iPhone-Besitzer haben wegen des strikten Apple-Ökosystems das Nachsehen). Selbst wenn die kubanische Regierung seine Versprechen wahr macht und der Bevölkerung WLAN-Hotspots zur Verfügung stellt, dürften die kleinen Software-Läden weiterleben. Denn Kubaner haben keine Kreditkarten, mit denen sie sich ein Konto in Apples App Store oder Googles Play Store anlegen könnten.

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In diesem „App Store“ können sich Kubaner Apps auf ihren Android-Smartphones installieren lassen.

Ob sich die Kubaner im Internet dann aber mit politischen Informationen und einer Außensicht ihres Landes versorgen werden, ist fraglich. Schon heute haben viele ausländisches Fernsehen via Satellitenschüssel am Dach, doch anstatt ausländischer Nachrichten laufen zumeist mexikanische Telenovelas, spanischer Fußball oder Hollywood-Streifen. Die Zensur, die beginnt zumeist im Kopf und nicht erst auf einer Webseite – das merkt man schon, wenn man mit den Einheimischen über Politik sprechen will. Ihren Inselstaat und seine Sozialpolitik loben sie in der Regel über alles, ehrliche Meinungen bekommt man nur selten und unter vier Augen zu hören. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort: „Wenn vier Kubaner an einem Tisch sitzen, ist einer von ihnen ein Spitzel.

Zumindest gibt es einige, die sich von den staatlich kontrollierten Informationen unterversorgt fühlen. Beim Gespräch mit Franklin in Santiago de Cuba kommt das Gespräch auf den möglichen Nachfolger von Raúl Castro – Gerüchten zufolge soll es der erste Vizepräsident des Staats- und des Ministerrats, Miguel Diaz-Canel, werden. Von diesen Gerüchten hat Franklin noch nie gehört, sie überraschen in sichtbar. Kopfschüttelnd meint er: „Ihr wisst mehr über Kuba als wir selbst, denn ihr habt Internet.


Teaser & Images by Jakob Steinschaden


ist seit 2006 publizistisch auf Papier und Pixel tätig. Er arbeitet in Österreich als Journalist und hat die beiden Sachbücher "Phänomen Facebook - Wie eine Webseite unser Leben auf den Kopf stellt" (2010) und "Digitaler Frühling - Wer das Netz hat, hat die Macht?" (2012) veröffentlicht. In seinem Blog “Jakkse.com” und in Vorträgen schreibt und spricht er gerne über die Menschen und ihr Internet – von Social Media über Mobile Business und Netzpolitik bis zu Start-ups.


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