Weg von WhatsApp: Der beschwerliche Umstieg auf Alternativen

Threema und Telegram boomen nach dem Kauf von WhatsApp durch Facebook – doch ob sie die Downloads in echte, aktive Nutzer verwandeln konnten, ist anzuzweifeln. Als am vergangenen Mittwoch Abend die Meldung über den Kauf von WhatsApp durch Facebook über das Internet hereinbrach, dauerte es nicht lange, bis Online-Medien auf der ganzen Welt Listen und Test zu WhatsApp-Alternativen präsentierten – manche sinnvoll, manche weniger. Besonders Threema (kostenpflichtig) der Schweizer Kasper Systems GmbH und Telegram (kostenlos) der russischen VK-Gründer Pawel und Nikolai Durow profitierten enorm von der Trotzreaktion vieler WhatsApp-User. Threema freute sich über eine Verdopplung seiner Nutzerzahlen auf 400.000 in nur 24 Stunden, Telegram will während des WhatsApp-Ausfalls am Samstag satte 1,8 Millionen Downloads verzeichnet haben.

Dass die rund um Datenverschlüsselung aufgebauten Messaging-Apps so regen Zulauf hatten, resultiert vor allem aus dem Reflex vieler: „Wenn sich die Datenkrake Facebook jetzt unsere WhatsApp-Chats kauft, dann ohne mich!“ Klar: Wie auch im Zuge der Instagram-Übernahme ist davon auszugehen, dass Facebook Daten von Nutzern seiner neuen Tochterfirma mit bestehenden Facebook-Profilen kombiniert, um so ein schärferes (und besser vermarktbares) Bild von den Usern zu erhalten. Wenn es schon keine Werbung direkt in WhatsApp geben soll, könnte Facebook den Nutzern in anderen Apps sehr wohl personalisierte Ads präsentieren. Das große Unbehagen gegenüber dem neuen WhatsApp-Eigentümer (nun ja, Fast-Eigentümer, die Wettbewerbshüter müssen den Deal noch absegnen) resultierte also in einem Boom der Alternativ-Apps, der allerdings relativ zu sehen ist: Denn pro Tag legt WhatsApp weltweit um eine Million Nutzer zu.

WhatsApp ist bequemer, Threema sicherer

Doch zwischen Download und Nutzung ist ein großer Unterschied, wie auch ich feststellen musste. Schon in der Nacht auf Donnerstag begannen Bekannte (ironischerweise auf WhatsApp) zu schreiben, wo man denn nun fortan privat chatten solle. Die Wahl viel schnell auf Threema – nicht zuletzt deswegen, weil viele Medien die Schweizer App ob ihrer Sicherheits-Features lobten. Also entschieden sich eine Handvoll Freunde, sich Threema zu kaufen – und sofort begannen die ersten Probleme. Leute fanden nicht sofort zueinander, weil Threema seinen Usern eigene IDs zuteilte und nicht jeder gleich sein Adressbuch synchronisierte; andere mockierten sich über die fehlende Möglichkeit, sich selbst ein eindeutiges Profilbild zuteilen zu können; und wieder andere konnten Threema gar nicht installieren, weil sie zwar ein Android-Smartphone, aber keines mit der erforderlichen Version 4.0 oder höher hatten.

Schließlich gab es auch Kritik am Logo, und ja, das ist ebenfalls relevant: Menschen legen auch auf App-Icons wert, die den Look ihres Allerheiligsten (das Smartphone) mitprägen und sie jeden Tag anschauen müssen. Und: Befreundete Nutzer auf der anderen Seite des Planeten kratzte die Diskussion über den Umstieg, die offenbar vor allem im Datenschutz-affinen Mitteleuropa geführt wird, überhaupt nicht – und whatsappen munter weiter.

Auch Telegram profitiert von der Kritik an Facebook und WhatsApp

Während nun der Freundeskreis damit kämpfte, seinen Weg von A (WhatsApp) nach B (Threema) zu finden, ging plötzlich die nächste Welle, diesmal mit Telegram, los. Vor allem ausgelöst durch das WhatsApp-Blackout am Samstag, installierten sich offenbar 100 Nutzer pro Sekunde die russische Messaging-App, bei der aber nicht ganz klar ist, ob sie wirklich so sicher ist, wie die Entwickler behaupten – was dann wiederum die auf Sicherheit bedachten Nutzer davon abhielt, auf Telegram zu wechseln. Und so findet man folgende Situation auf vielen Smartphones: Im Messaging-App-Ordner liegen nun Threema und/oder Telegram schön Seite an Seite neben WhatsApp, und wen man jetzt am besten wo erreicht, weiß man nicht so recht.

WhatsApp will man vorerst auch nicht deinstallieren, solange nicht endlich alle Freunde auf eine Alternative gewechselt sind. Nein, Mark Zuckerberg und WhatsApp-Gründer Jan Koum müssen keine Angst haben, dass ihnen künftig die Messaging-Nutzer weglaufen. Und wenn ja: Facebook kann Threema und Telegram dann immer noch einen Haufen Geld für die Übernahme anbieten.


Image (adapted) „spy-whatsapp-messages“ by Sam Azgor (CC BY 2.0)


ist seit 2006 publizistisch auf Papier und Pixel tätig. Er arbeitet in Österreich als Journalist und hat die beiden Sachbücher "Phänomen Facebook - Wie eine Webseite unser Leben auf den Kopf stellt" (2010) und "Digitaler Frühling - Wer das Netz hat, hat die Macht?" (2012) veröffentlicht. In seinem Blog “Jakkse.com” und in Vorträgen schreibt und spricht er gerne über die Menschen und ihr Internet – von Social Media über Mobile Business und Netzpolitik bis zu Start-ups.


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3 comments

  1. Der Umstieg von WhatsApp auf Threema (oder alternativ Telegram, wovon ich allerdings persönlich auch eher abraten würde), ist in der Tat keine leichte Sache. Das grundsätzliche Problem ist eigentlich folgendes:

    Solange Threema – oder eine andere App – die kritische User-Masse noch nicht erreicht hat, wird ein Umstieg für viele nicht von Erfolg gekrönt sein. Ich halte allerdings die Lösung mit einem partiellen Umstieg auf eine Alternative (aber nur EINE Alternative!) für durchaus sinnvoll. Wie das am besten realisiert werden – am Beispiel meiner eigenen Person – kann hier nachgelesen werden:

    http://www.blog-it-solutions.de/2014/whatsapp-alternative-threema-wie-man-den-umstieg-schafft/

    Viele Grüße
    Josef

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