Technologisches Wachstum ohne Stärkung des Ungleichgewichts?

Für viele Städte waren Technologiezentren nach der Finanzkrise der Schlüssel, um das wirtschaftliche Wachstum wieder in Gang zu bringen. In einem Zeitalter der Unsicherheit ist Wachstum im technologischen Sektor zum Motor für die Länder geworden, die den Schritt in die „Next Economy“ wagen wollen. In Großbritannien beispielsweise wird dem Technologie-Sektor nach optimistischen Schätzungen ein Wachstum in vierfacher Höhe des Bruttoinlandsprodukts prophezeit. Bis 2020 wird es voraussichtlich viel mehr Jobs in technologischen Berufen geben als in allen anderen Beschäftigungsgruppen.

Nach traditionellen Maßstäben eines erfolgreichen Wirtschaftssystems – Jobs und Gehälter – ist dies eine sehr  willkommene Entwicklung. Jedoch wird es immer offensichtlicher, dass Wachstum im technologischen Sektor mit einer zunehmenden wirtschaftlichen Segregation in Städten einhergeht. Und da es stimmt, dass große, erfolgreiche, wachstumsstarke Städte im Allgemeinen für eine hohe wirtschaftliche Segregation stehen, tritt dieser Effekt in Regionen mit Technologiezentren noch viel deutlicher zutage.

Den Nutzen vergrößern

Verschiedene Studien besagen, dass der Anteil an technologischen Berufen in einer Stadt positiv mit der ungleichen  Einkommensverteilung korreliert. Das heißt, je höher der Anteil an technologischer Beschäftigung in einer Stadt ist, desto ungleicher ist das Einkommen verteilt. In einfachen Worten ausgedrückt: Pessimistischen Analysen zufolge kommt ein technologieorientiertes Wirtschaftssystem nur einer kleinen Gruppe von Leuten zugute, die das Glück haben, sehr talentiert zu sein, während ein solches System für alle anderen keinen großen Nutzen bringt.

Dieser Trend geht aus den internationalen Technologiezentren hervor. Das technologische Wachstum in der Region rund um die San Francisco Bay hat die dortigen Immobilienpreise so sehr in die Höhe getrieben, dass sie längst nicht mehr im Einklang mit den lokalen Durchschnittsgehältern stehen und kleinere lokale Firmen vom Markt verdrängt werden. In London hat das technologische Wachstum die Lebenshaltungskosten in einigen Teilen der Stadt mittlerweile in die Höhe schnellen lassen. Zusammen mit einem Mangel an Wohnmöglichkeiten und Bürogebäuden hat dies dazu geführt, dass sich Firmen verkleinern mussten und Bewohner aus dem Zentrum verdrängt wurden.

Die Gentrifizierung ehemaliger Industriegebiete ist vor allem in den vergangenen Jahren zu einem echten Problem geworden. Die Einführung von zu vergebenden Entwicklungsrechten hat einen Wettbewerb zwischen dem Bedarf an Wohnmöglichkeiten und dem Bedarf an Geschäftsräumen geschaffen. Jedoch wird in einem aktuellen Bericht des Royal Town Planning Institute (RTPI) behauptet, dies sei nicht der Fall.

Der Einfluss von Technologieunternehmen auf eine Stadt wird von den Entscheidungen beeinflusst, die wir als Gesellschaft treffen. Die Frage lautet: Wie können wir, während die Technologie wächst, die entstandenen Entwicklungsmöglichkeiten einer größtmöglichen Anzahl an Leuten zu Gute kommen lassen?

Größere Chancen

Das Wachstum auf dem Technologiemarktsektor und seiner Ressourcen – und die Profitabilität zahlreicher Technologiefirmen – impliziert, dass diese Unternehmen mehr tun können, um die Herausforderungen der lokalen Wirtschaft zu meistern. Lokale und nationale Regierungen spielen dabei eine große Rolle. Auf Technologiewachstum zu setzen, kann für alle nützlich sein. Allerdings müssen politische Entscheidungsträger darauf achten, diese Absichten allen Akteuren zu Gute kommen zu lassen, sofern nachhaltige und langfristige Lösungen im Sinne der Stadt gefunden werden sollen.

Der RTPI-Bericht behauptet, dass sich Städte, die einen Wachstum im Technologiesektor und die damit einhergehenden infrastrukturellen Herausforderungen der Städte feststellen, sich nicht ausschließlich auf die existierenden Planungs- und Steuerverpflichtungen stützen können. Stattdessen sollten die Behörden einen städtischen Technologieplan aufsetzen, der den potentiellen Mehrnutzen des Wachstums im Technologiesektor berücksichtigt.

Ein solcher Plan wäre für die längerfristigen städtischen Herausforderungen sowie für mögliche Angleichungen zwischen den Ressourcen von Technologiefirmen und den Herausforderungen der öffentlichen Politik perfekt geeignet. Nicht jedes Technologiewachstum umfasst neue Entwicklungen und ein Großteil des potentiellen Nutzens ist eher sozialer als finanzieller Natur. Außerdem können Maßnahmen in die Wege geleitet werden, um diesen Nutzen zu festigen, anstatt dass nur darauf gehofft wird, dass das technologische Wachstum auf das lokale Wirtschaftssystem überschwappt.

Eine offensichtliche Lösung ist es, den Mitgliedern der Gemeinden neues Wissen beizubringen. Eines der größten Probleme im Technologiesektor ist ein Mangel an Programmierern und Softwareentwicklern. Zahlreiche innerstädtische Firmenniederlassungen befinden sich in sozial benachteiligten Vierteln. Warum also sollte man nicht die umliegende Nachbarschaft nutzen und den Anwohnern die notwendigen Fähigkeiten vermitteln, die in de entsprechenden Firmen gefragt sind? Das Hackney Community College in London beispielsweise bietet eine Ausbildung mit lokalen Technologiefirmen an, um einerseits die Fähigkeiten der umliegenden Anwohner zu verbessern, und andererseits den Anforderungen des Sektors gerecht zu werden.

Eine andere Möglichkeit ist es, mit Technologieunternehmen in städtischen Regenerationsprojekten zusammenzuarbeiten. Technologiefirmen und Mitarbeiter bevorzugen leicht zugängliche, zu Fuß erreichbare Stadtviertel. Das ist eine gute Gelegenheit, um städtische Gebiete umzugestalten. In einigen Städten werden ehemalige Industriegebiete auf diese Weise auch ökonomisch transformiert. In gut geplanten Regenerationsprojekten werden die Sichtweisen der lokalen Gemeinde in die Planung mit einbezogen. Solche Beratungsprozesse sind ein wichtiger Bestandteil, wenn die Abwanderung lokaler Anwohner und Firmen zu verhindert werden soll.

Zudem können die Gemeindeverwaltungen ein Team beauftragen, das sich mit dem Sektor beschäftigt. Um das Wachstum im Technologiesektor anzuziehen und nutzen zu können, ist es wichtig, eine Idee davon zu bekommen, was Technologiefirmen von der Stadt erwarten. Der Startup-Beauftragte in Dublin und der Chief Technology Officer in Amsterdam sind zwei neuartige Positionen, die in diesem Zusammenhang interessante Modelle anbieten.

Dem Technologiesektor blüht vermutlich eine recht rosige Zukunft. Der Nutzen wird jedoch nicht immer fair aufgeteilt. Aber das Potential für gegenseitige soziale und wirtschaftliche Unterstützung zwischen einer Stadt und ihrem Technologiesektor ist groß. Dieses Potential sollte zu einer konstruktiven Zusammenarbeit heranwachsen, die ein wirtschaftliches Wachstum ermöglicht, von dem letztendlich alle profitieren können.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image „Zusammenarbeit“ by Peggy_Marco (CC0 Public Domain)


The Conversation

ist Dozent für ökonomische Geographie an der London School of Economics. Er ist verantwortlich für das Programm in der Master- und Bachelorstudiengängen für Geographie und Ökonomie. Sein Spezialgebiet ist die Städteforschung sowie die Auswirkungen ökonomischen und sozialen Wandels in der Stadt.


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