Neuer Schub für die Debatte um freien Zugang zum Internet

Die deutsche Rechtslage verhindert den Ausbau öffentlicher Funknetzwerke. Der Gesetzgeber wollte das ändern, bisher ohne Aussicht auf Erfolg. Laut dem Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. gibt es hierzulande nur zwei frei zugängliche WLAN-Internetzugangspunkte je 10 000 Einwohner; in Schweden sind es zehn, in Südkorea sogar 37. Die Folge: In Deutschland, einem der wenigen Länder weltweit, stagniert die Internetnutzung. „Deutschland fährt bei der Verbreitung von WLAN-Hotspots im internationalen Vergleich derzeit noch mit angezogener Handbremse„, fasste der zuständige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Situation kürzlich zusammen.

Um das zu ändern, hat die Bundesregierung im März einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der das Anbieten kostenloser WLAN Zugänge erleichtern soll. Auch wenn dieser Entwurf bisher als Rückschritt bezeichnet werden muss, so zeigt zumindest die Debatte um die Novellierung, dass in der Gesellschaft langsam eine Auseinandersetzung mit dem freien Internetzugang und den Konsequenzen stattfindet.

Die zwei Gruppen öffentlicher WLAN-Zugangspunkte

Kommerzielle Anbieter stellen schon heute vielerorts einen öffentlichen Zugang zum Internet über Funk zur Verfügung. Kabel Deutschland verfügt nach eigenen Angaben über 750.000 solcher Zugänge, die Telekom über 300.000. Diese Anbieter ermöglichen einen überwiegend zeitlich begrenzten, kostenlosen Zugang. Nach Ablauf dieses Zeitraums, oft 30 Minuten, wird der Zugang kostenpflichtig.

Nicht-kommerzielle Anbieter stellen die zweite Anbietergruppe dar. Auf lokaler Ebene ermöglichen zum Beispiel die über 170 Freifunk-Initiativen mit über 12.000 Zugangspunkten eine dauerhaft kostenlose Alternative zu den kommerziellen Netzwerkanbietern. Der Zugang zum Internet (bei Umgehung der WLAN-Störerhaftung) ist nur eine Möglichkeit ein solches Netz zu nutzen. Freifunk geht über den Hotspot-Gedanken hinaus und die Netze bieten, im Gegensatz zu reinen Hotspots, einen öffentlichen digitalen Raum, in dem freie Inhalte zwischen den Teilnehmern auch ohne Internet verbreitet werden können.

Entwicklungsbremse WLAN-Störerhaftung

Bisher wurde die Entwicklung öffentlicher Netze durch die deutsche Rechtslage behindert. Wegen dem weltweit einzigartigen rechtlichen Konstrukt, der WLAN-Störerhaftung, haftet in Deutschland der Anbieter für Rechtsverletzungen, die über seinen Zugang begannen werden. Das schreckt viele ab, ihren Zugang zu teilen.

Obwohl angekündigt, ändert der neue Gesetzentwurf dieser Rechtslage erst einmal nichts. Die WLAN-Störerhaftung entfällt weiterhin nur für die kommerzielle Anbieter und die, die hohe Hürden für ihre Nutzer einbauen. Dabei privilegiert er kommerzielle Anbieter gegenüber privaten Anbietern, führt zu neuen technischen Hürden bei der Bereitstellung von öffentlichem WLAN, bringt mehr Rechtsunsicherheit für Anbieter, verursacht einen erhöhten Erfüllungsaufwand sowie Mehrkosten bei den Betreibern und ist nicht mit gängigen EU-Richtlinien vereinbar.

Das Land Nordrhein-Westfalen fasst diese Kritik in seiner offiziellen Stellungnahme zu dem Entwurf wie folgt zusammen: „Die vorgelegte Überarbeitung (…) würde das rechtliche Umfeld für Freifunk und freies WLAN so sehr verschlechtern, dass es kaum vorstellbar ist, dass solche Zugänge in Zukunft überhaupt noch bereitgestellt werden können„. Auch die Mehrzahl der übrigen 29 offiziellen Stellungnahmen äußern ebenfalls starke Kritik an dem Entwurf.

Bisher kein Schub für öffentlich zugängliches WLAN, aber ein Schub für die Debatte um Digitalisierung

Die Debatten um den Entwurf zeigen, dass die Herausforderungen der Digitalisierung, wie die Wahrung von Persönlichkeitsrechten und um die rechtliche Verantwortung in öffentlichen Netzwerken, aber auch um Datensicherheit und Datenschutz eng mit der Debatte um öffentlich zugängliches WLAN verbunden sind. Diese Debatten werden sehr emotional geführt und berücksichten meist nicht, dass Datensicherheit und freie Netze kein Widerspruch sein müssen. Darüber hinaus werden durch die im Entwurf genannten Maßnahmen weder der Schutz gegen kriminelle Akte in digitalen Netzwerken, noch die Möglichkeiten Urheberrechtsverletzungen zu verfolgen oder der Jugendschutz verbessert.

Deshalb dürfen diese Herausforderungen die konstruktive Auseinandersetzung mit den Chancen nicht einfach unterbinden, aber auch nicht das notwendige Bewusstsein für Datenschutz und Datensparsamkeit ausblenden. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem wir uns zwischen der Gestaltung der Digitalisierung und der reinen Abwehr der Konsequenzen der Digitalisierung entscheiden müssen. Das gilt auch für die Ausgestaltung der politischen Rahmenbedingungen und für die Auseinandersetzung mit dem Zugang zu digitalen Netzen.

Letztendlich kann den Herausforderungen nur durch eine konstruktive Abwägung und einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs sinnvoll begegnet werden. Am Ende, so die Hoffnung des Autors, werden die positiven Aspekte für mehr öffentliche WLANs überwiegen.

Veranstaltungshinweis: Wenn du mehr über freie Netzwerke und freifunk erfahren möchtest, dann triff vom 15.-16. Mai 20015 auf dem 11. Wireless Community Weekend die deutschsprachige freifunk Community mit internationalen Gästen in der c-base in Berlin. Es finden Vorträge, Diskussionen und Workshops zum Thema freie Netzwerke statt. Die Veranstaltung kostet keinen Eintritt und ist offen für alle Interessierten!


Teaser & Image „Freifunk Initiative in Berlin“ (adapted) by Boris Niehaus (CC BY-SA 3.0)


ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centre for Digital Cultures (CDC) an der Leuphana Universität Lüneburg und promoviert zum Thema Open Science. Als ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. und beim Förderverein Freie Netzwerke e.V. setzt er sich für die Öffnung von Wissen und IT-Infrastrukturen ein. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks. | Facebook, Twitter, Google+, Xing, LinkedIn


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