Proteste stören Googles Entwicklermesse Google I/O

Vergangene Woche fand in San Francisco die Entwicklermesse Google I/O statt, deren Eröffnungs-Keynote von zwei Demonstranten gestört wurde. Proteste gegen Google sind sicher nichts Neues, doch in der vergangenen Woche haben sie eine neue Qualität erreicht. Während der zweieinhalbstündigen Eröffnungs-Keynote zur Entwicklermesse Google I/O störten zwei Demonstranten die Veranstaltung, als sie ihrem Unmut Luft machten. Diese stammen von lokalen Aktivisten-Gruppen, die vor allem den, durch Tech-Riesen wie Google, stark beschleunigten Verdrängungsprozess der Anwohner aufgrund rapide steigender Mieten in San Francisco kritisieren.

Gestörte Idylle

Es ist nicht ungewöhnlich, dass bei Pressekonferenzen oder Aktionärsversammlungen von großen Tech-Unternehmen vor dem Veranstaltungsort auf Missstände aufmerksam machen wollen. Im Normalfall werden diese Aktivisten im Vorfeld bereits Sicherheitstests unterzogen und weitestgehend abgeschirmt, so dass die Veranstaltung ungestört über die Bühne gehen kann. Bei der Google-I/O-Keynote vor einer Woche, auf der Google in aller Ruhe den versammelten Entwicklern und Pressevertretern die neuesten Produkte vorstellen wollte, schafften es allerdings zwei Aktivisten in den Veranstaltungsort und in die Keynote, wo sie die Tech-Idylle störten.

Einer der Aktivisten rief lauthals „Ihr arbeitet für eine totalitäre Firma, die Maschinen baut, die Menschen töten“ in die Präsentation von Urs Hölzle, der nach kurzem Stocken allerdings professionell fortfuhr. Dabei bezieht er sich mit Sicherheit auf das von Google übernommene Unternehmen Boston Dynamics, das auch mit dem amerikanischen Militär zusammenarbeitet. Ob er allerdings diesen Umstand meinte, oder auf die verbreitete Verschwörungstheorie hinaus wollte, dass Google im Begriff ist, Skynet zu werden (oder bereits ist), ist nicht bekannt. Es fällt ohnehin schwer, einen Protest gegen Killer-Roboter auf einer Google-Veranstaltung ernst zu nehmen. Die andere Zwischenruferin dagegen hat mit ihrem Protest gegen die Verdrängung der Anwohner in San Francisco durch Tech-Unternehmen wie Google einen sehr wichtigen Punkt angesprochen und Google lautstark dazu aufgefordert, endlich ein Gewissen zu entwickeln.


Szene aus der Präsentation von Urs Hölzle auf der Google I/O:

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Boom Town San Francisco

Die Nähe zum Silicon Valley und der dort anhaltende Tech-Boom haben in San Francisco zu erschreckenden Entwicklungen geführt. Während das Schlagwort Gentrifizierung inzwischen in fast jeder größeren Stadt, in der die Mieten steigen, überstrapaziert wird, zeigt sich in San Francisco eine der extremsten Ausprägungen dieser Entwicklung. Die Mieten steigen in der Metropole vor allem so gewaltig, da viele große Unternehmen wie Google, Facebook und Co im nahen Silicon Valley ihren Hauptsitz haben und die vielen gutbezahlten Angestellten eben in die nächstgelegene Stadt ziehen. Zum Leidwesen der dort seit langem lebenden Anwohner. Diese werden immer öfter aus ihren Wohnungen und Stadtteilen verdrängt, so wie auch die Demonstrantin Claudia Tirado. Sie wohnt noch im Mission District, muss aber spätestens zum Februar 2015 ihre Wohnung räumen, da der Eigentümer, Jack Halprin, der mithilfe des umstrittenen Ellis Act das gesamte Gebäude räumen und vom Wohnungsmarkt nehmen will. Tirados Protest richtet sich gegen Google, da Halprin ein Anwalt des Unternehmens ist.

Erin McElroy, Aktivistin bei den Gruppen Eviction Free San Francisco und dem Anti Eviction Mapping Project ist die Organisatorin hinter den Protesten. Sie erhofft sich davon, dass Google Halprin dazu bringt, sein Vorgehen zu überdenken und einen Rückzieher macht. Doch die Problematik ist ganz so einfach. Tirado fordert zudem ganz offen, dass Google Stellung bezieht und zugibt, dass die eigenen Mitarbeiter an dem Verdrängungsprozess beteiligt sind. Google soll sich also in das Privatleben der Mitarbeiter einmischen und ihre Handlungen zurückpfeifen, wenn diese den Anwohnern der Stadt schaden. Auch wenn dies aus moralischen Gesichtspunkten zwar durchaus nachvollziehbar ist, sieht die Sache auf rechtlicher Ebene dagegen deutlich schwieriger aus.


NPR Tech Team Podcast über Ungleichheit in der Bay Area:

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Google ist nur der Anfang

Gegenüber The Verge hat Google erklärt, dass Tausende Angestellte in der Bay Area rund um San Francisco leben und dass man „gute Nachbarn“ sein wolle. Aus diesem Grund hat das Unternehmen seit 2011 mehr als 70 Millionen US-Dollar an lokale Projekte gespendet und die Angestellten haben in den Gemeinden mehrere Tausend Stunden ehrenamtliche Arbeit beigesteuert. 2014 werden diese Bemühungen mit der Bay Area Impact Challenge noch weiter ausgedehnt.

Doch das Problem, dass die gut bezahlten Angestellten die bisherigen Anwohner nach und nach aus den Wohnungen vertreiben, kann Google damit auch nicht aufhalten. Man kann allerdings auch nicht verlangen, dass Google die Angestellten schlechter bezahlt, oder anders in ihr Privatleben eingreift, wie es die Aktivisten fordern. Es bleibt höchstens zu hoffen, dass sich Google und seine Mitarbeiter and die, auf Bannern vor dem Veranstaltungsort verbreitete Aufforderung „Google: Don’t be evil!“ halten. Google ist allerdings auch nicht das einzige Unternehmen, das an dieser Entwicklung Schuld ist. Es ist abzusehen, dass auch Unternehmen wie Facebook und Co in Zukunft ein schärferer Wind aus Richtung der Demonstranten und Aktivisten entgegenwehen wird. Wenn es ihnen gelingt, die 900 US-Dollar für ein Google-I/O-Ticket aufzubringen um ihren Protest ins Herz des Unternehmens zu tragen, werden wir in Zukunft sicher noch öfter derartige Aktionen bei anderen Veranstaltungen sehen. Die Frage ist nur, ob und wie schnell sich dadurch etwas ändern lassen wird.


Video über Googles Bay Area Impact Challenge:

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Image (adapted) „Google“ by Carlos Luna (CC BY 2.0)


ist Wahl-Berliner mit Leib und Seele und arbeitet von dort aus seit 2010 als Tech-Redakteur. Anfangs noch vollkommen Googles Android OS verfallen, geht der Quereinsteiger und notorische Autodidakt immer stärker den Fragen nach, was wir mit den schicken Mobile-Geräten warum anstellen und wie sicher unsere Daten eigentlich sind. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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