Künstliche Intelligenz: Verstehen, wie Maschinen lernen

Von „Jeopardy“-Gewinnern und „Go“-Meistern zur berüchtigten werbebezogenen Rassenprofilierung scheint es, dass wir in eine Ära eingetreten sind, in der sich die Entwicklung von künstlicher Intelligenz rasend beschleunigt. Aber ein vollkommen empfindungsfähiges Wesen, dessen elektronisches „Gehirn“ sich komplett mit komplexen kognitiven Aufgaben beschäftigen kann und dabei faire, moralische Beurteilungen aufrechterhält, ist jetzt noch schwer vorstellbar.

Leider rufen jetzige Entwicklungen eine generelle Angst hervor, wie künstliche Intelligenz in der Zukunft werden könnte. Die Repräsentation künstlicher Intelligenz in der jüngsten Popkultur zeigt, wie vorsichtig – und pessimistisch – wir sind, wenn es um Technologie geht. Das Problem mit Angst ist, dass sie lähmen und Ignoranz fördern kann. Zu lernen, wie künstliche Intelligenz im Inneren funktioniert, kann diese Bedenken lindern und eine verantwortliche und sorgenfreie Beschäftigung ermöglichen.

Künstliche Intelligenz basiert auf Machine Learning als elegantes und leicht zugängliches Werkzeug. Aber um zu verstehen, was Machine Learning bedeutet, müssen wir zunächst untersuchen, wie die positiven Aspekte des Potentials die negativen Aspekte wettmachen.

Daten sind der Schlüssel

Einfach gesagt, bezieht sich Machine Learning darauf, dass Computern beigebracht wird, wie Daten analysiert werden, wie man zum Beispiel einzelne Aufgaben mittels eines Algorithmus‘ löst. So werden für die Handschrifterkennung beispielsweise Algorithmen benutzt, um Buchstaben zu unterscheiden, die auf einer menschlichen Handschrift basieren. Die Datenspeicherungszentren nutzen Regressionsalgorithmen, um in einer quantifizierbaren Weise den Verkaufspreis eines gegebenen Vermögens zu schätzen.

Machine Learning beschäftigt sich letzten Endes mit Daten. Fast jede Gesellschaft generiert Daten so oder so, man denke an Marktforschung, soziale Medien, Schulfragebögen oder automatische Systeme. Die Anwendungen von Machine Learning versuchen, versteckte Muster oder Korrelationen in dem Chaos der großen Datenmengen zu finden, um Modelle zu entwickeln, die Verhalten voraussagen.

Daten haben zwei Kernelemente – Stichproben und Kenndaten. Ersteres repräsentiert individuelle Elemente in einer Gruppe, das zweite die Anzahl der Eigenschaften, die sie teilen. Schauen wir uns zum Beispiel soziale Medien an: Die Nutzer sind Stichproben und ihre Nutzung kann in Kenndaten übersetzt werden. Facebook zum Beispiel gebraucht unterschiedliche Aspekte des „Gefallens“ von Aktivitäten, die sich von Nutzer zu Nutzer ändern kann, als wichtige Kenndaten für nutzerdifferenzierte Werbung.

Facebook-Freunde können ebenfalls als Stichproben verwendet werden, während ihre Verbindung zu anderen Menschen als Kenndaten verstanden werden. So wird ein Netzwerk etabliert, in dem Informationsverbreitung erforscht werden kann. Außerhalb von sozialen Medien nutzen automatisierte Systeme, die in industriellen Prozessen als Überwachungswerkzeug verwendet werden, Momentaufnahmen des gesamten Prozesses als Stichprobe und nehmen Ausmessungen zur gleichen Zeit als Kenndaten auf. Dies erlaubt dem System, Anomalien im Prozess in Echtzeit festzustellen. All diese unterschiedlichen Lösungen basieren darauf, dass Maschinen mit Daten gefüttert werden müssen und auf der Lehre, dass sie ihre eigenen Prognosen feststellen können, wenn sie erst einmal strategisch die gegebenen Informationen beurteilt haben. Und das ist Machine Learning.

Die menschliche Intelligenz als Anfangspunkt

Jegliche Daten können in simple Konzepte übersetzt werden und jede Anwendung von Machine Learning, künstliche Intelligenz eingeschlossen, benutzt diese Konzepte als Basiskomponenten. Wenn Daten erstmal verstanden wurden, ist es Zeit, zu entscheiden, was mit den Informationen geschehen soll. Eine der bekanntesten und intuitivsten Anwendungen von Machine Learning ist die Klassifikation. Das System lernt, wie es Daten in verschiedene Gruppen aufteilt, basierend auf einem Referenzdatensatz.

Dies ist direkt verbunden mit den Arten von Entscheidungen, die wir tagtäglich treffen, wenn es um die Gruppierung von ähnlichen Produkten geht, beispielsweise bei Küchenutensilien, Schönheitsprodukten oder bei der Auswahl von guten Filmen, basierend auf den früheren Erfahrungen. Während diese zwei Beispiel komplett unabhängig voneinander zu sein scheinen, basieren sie auf einer essentiellen Annahme von Klassifikation von Prognosen, durch die sie als gut etablierte Kategorien definiert werden.

Wenn man zum Beispiel ein Tiegel mit Feuchtigkeitscreme nimmt, nutzen wir eine spezielle Liste von Kerndaten – die Form der Verpackung oder der Geruch des Produkts, um korrekt vorherzusagen, dass dies ein Schönheitsprodukt ist. Eine ähnliche Strategie nutzt man, wenn man einen Film auswählt, indem man auf die Kerndatenliste zugreift – beispielsweise der Regisseur oder ein bestimmter Schauspieler – um vorherzusagen, ob dieser Film in eine der beiden Kategorien gehört: Gut oder schlecht.

Indem man die unterschiedlichen Beziehungen zwischen Kerndaten, verbunden mit einer Menge an von Stichproben, festhält, können wir vorhersagen, ob der Film es wert ist, geschaut zu werden, oder besser gesagt, wir können uns ein Programm erstellen, welches dies für uns tut.

Um aber in der Lage zu sein, diese Informationen zu manipulieren, müssten wir schon ein Datenwissenschaftler sein, also erfahren in Mathematik und Statistik und mit einer ausreichenden Programmierfähigkeit, um Alan Turing und Margaret Hamilton stolz zu machen, nicht wahr? Nun ja, nicht ganz.

Wir alle wissen genug über unsere Muttersprache, um im täglichen Leben zurecht zu kommen, selbst wenn sich nur einige Wenige unter uns auf die Felder der Linguistik und der Literatur hinausbegeben. Bei der Mathematik ist es ähnlich: Sie befindet sich immer um uns herum, so dass wir beim Errechnen von Wechselgeld oder beim Abmessen von Zutaten für ein Rezept keine größeren Probleme haben. Ebenso ist für den bewussten und effizienten Umgang kein größeres Wissen in Machine Learning Voraussetzung.

Irgendwo dort draußen befinden sich sehr wahrscheinlich extreme gut qualifizierte und professionelle Datenwissenschaftler – mit ein wenig Anstrengung kann aber auch jeder von uns die Grundlagen erlernen und die Art und Weise, wie sie Vorteile von Informationen sehen und ergreifen, verbessern.

Algorithme dir deinen Weg

Schauen wir uns noch einmal unseren Klassifikationsalgorithmus an und denken wir über eine Möglichkeit nach, mit der die Art und Weise imitiert wird, wie wir Entscheidungen treffen. Wir sind soziale Wesen, wie ist es also um unsere sozialen Interaktionen bestellt? Die ersten Eindrücke sind wichtig und wir haben alle ein internalisiertes Modell, dass innerhalb der ersten paar Minuten, in denen wir jemanden kennen lernen, evaluiert, ob wir ihn mögen oder nicht.

Zwei Folgen sind möglich: ein guter oder ein schlechter Eindruck. Für jede Person sind unterschiedliche Eigenschaften – Kenndaten – wichtig – auch unbewusst – die auf etlichen Begegnungen in der Vergangenheit basieren – Stichproben. Diese könnten alles sein, vom Ton der Stimme zu Extraversion und vor allem die Einstellung zu Höflichkeit. Für jede neue Person, die wir treffen, registriert ein Modell in unserem Kopf diese Eindrücke und erstellt eine Prognose. Wir können dieses Modell zu ein paar wichtigen Sätzen von Eindrücken herunterbrechen, gewichtet nach ihrer Relevanz.

Für einige Menschen ist vielleicht Attraktivität sehr wichtig, wohingegen für andere einen guten Sinn für Humor oder die Tatsache, dass derjenige Hunde mögen sollte, ausschlaggebend ist. Jede Person wird ihr eigenes Modell entwickeln, das komplett auf den Erfahrungen basiert. Unterschiedliche Daten resultieren in unterschiedlichen Modellen, die mit unterschiedlichen Folgen eingeübt werden. Unser Gehirn entwickelt Mechanismen, die, während sie uns nicht ganz klar sind, festschreiben, wie diese Faktoren gewichtet werden.

Was Machine Learning macht, ist folgendes: Sie entwickelt präzise, mathematische Möglichkeiten für Maschinen, um diese Folgen zu errechnen – besonders in Fällen, in denen wir die Masse an Daten nicht einfach handhaben können. Jetzt gerade, und vielleicht mehr denn je, sind Daten riesig und langlebig. Zugang zu einem Werkzeug zu haben, dass aktiv Daten nutzt, um ein besonderes Problem zu lösen, so wie künstliche Intelligenz, meint auch, dass jeder diese erleben und ausnutzen sollte und kann. Wir sollten das nicht nur deshalb tun, damit wir nützliche Anwendungen herstellen, sondern auch, um Machine Learning und künstliche Intelligenz in ein besseres und nicht so negatives Licht zu rücken.

Es gibt noch etliche Ressourcen für Machine Learning, auch wenn sie einiges an Programmierfähigkeit voraussetzen. Einige bekannte Sprachen, die für Machine Learning maßgeschneidert sind, sind schon zugänglich – von Grundlagenkursen bis hin zu vollständigen Lehrgängen. Meist braucht man nicht länger als einen Nachmittag, um einzutauchen und brauchbare Resultate zu erhalten.

All dies bedeutet nicht, dass uns das Konzept von Maschinen mit menschlicher Denkweise nicht beschäftigen sollte. Mehr darüber zu erfahren, wie diese Denkweise funktioniert, wird uns die Macht geben, Vertreter einer positiven Veränderung zu sein – und zwar so, dass wir die Kontrolle über künstliche Intelligenz behalten, und nicht anders herum.

Dieser Artikel erschien zuerst auf „The Conversation“ unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) „Roboter“ by jens kuu (CC BY 2.0)


The Conversation

ist Postdoktorand und derzeit an der Universität Tokyo tätig. In seiner Forschung setzt er sich mit Machine Learning und künstlicher Intelligenz auseinander und wie Aspekte davon in chemische Verfahrenstechniken implementiert werden können.


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1 comment

  1. Bei Maschine-Lerning gibt eben nicht mehr der Programmierer vor, wie die Daten verarbeitet werden. Sondern nur eine Struktur, das neuronale Netz, mit dem die Maschine effizient lernt. Es ist nur seine Aufgabe, eine gut lernende Maschine zu entwickeln. Er kann NICHT mehr vollständig nachvollziehen, WIE die Maschine zu einem Ergebnis kommt. Er kann nur feststellen, dass sie in z.B. 99% der Fälle ein gutes Ergebnis bringt. Nutzer, nehmen wir an, Versicherungskaufmänner nutzen dann das System, gewöhnen sich an die fast immer gute Lösung. Und wenn in dem verbleibenden Restfehler Entscheidungen über Menschen falsch gefällt werden, gibts ein klein wenig Kollatetalschaden. Und der Kaufmann kann sich jederzeit raushalten, weil nicht mehr er die Entscheidungskompetenz hat. Das Problem ist nicht die Maschine, sondern der spätere Nutzer, der Kompetenz und Verantwortungsbewußtsein abgibt. Der wird nehmlich froh sein. Kompetenz ist mühevoll und Verantwortung sein persönliches Risiko.

    Ich weiß, wie simulierte neuronale Netze funktionieren. Und genau das beruhigt mich eben nicht.

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