Crowdfunding Plattformen haben die Finanzierung unabhängiger Projekte in letzten Jahren komplett geändert. Das Produkt wird gekauft, um die Entwicklung damit überhaupt erst möglich zu machen. Da kein großer Geldgeber nötig ist, ermöglicht das auch vielen Nischenprodukten, umgesetzt zu werden.
Den meisten dürfte der Begriff Crowdfunding bereits geläufig sein, aber sicherlich nicht allen. Schließlich wird der Begriff erst seit 2011 wirklich benutzt. Der Begriff setzt sich aus den englischen Wörtern „Crowd“, also der Menschenmenge und „Funding“, der Finanzierung. Es handelt sich also um die Finanzierung eines Projekts durch eine größere Menschenmenge.
Statt eines einzelnen Produkts, könnt ihr aber auch das allgemeine Schaffen einer Person unterstützen. In diesem Falle handelt es sich meist um die Spende eines monatlichen Beitrags, die der Person hilft, die Ausübung seiner Tätigkeit zu finanzieren. Doch auch dabei gibt es oft einen Gegenwert. So können die Spender oft ein Stück weit Inhalte mitbestimmen oder bekommen exklusive Inhalte. Ob und welche Goodies kann stark variieren.
Wie funktionieren Crowdfunding?
Das zu finanzierende Projekt ruft ein Finanzierungsziel aus. Unterstützer können das Projekt mit Geldbeiträgen unterstützen und erhalten dafür einen Gegenwert – im Regelfall das fertige Produkt. Bei Erreichen des Finanzierungsziels wird das Projekt umgesetzt, bei Nichtgelingen erhalten die Unterstützer ihr Geld zurück.
Anschließend noch einige wichtige Begriffe des Crowdfundings:
Finanzierungsziel
In den meisten Fällen finanziert man dabei ein einzelnes Projekt, das der Unterstützer mit einem Beitrag unterstützt. Wird das Ziel nicht erreicht und das Projekt damit nicht umgesetzt, erhalten die Unterstützer das Geld wieder zurück.
Backer / Unterstützer
Als Backer oder Unterstützer bezeichnet man die Personen, die das Produkt über die Crowdfunding Plattform finanzieren.
Pledge / Beitrag und Belohnungen
Die Höhe des Beitrags, mit dem man das Projekt unterstützt. Meist gibt es unterschiedliche Beitragshöhen, mit denen ihr unterschiedliche Belohnungen erhaltet. So gibt es beispielsweise optionale Zusätze fürs Produkt oder die Möglichkeit, beim Kauf mehrerer Exemplare etwas Geld zu sparen.
Early Bird
Manchmal gibt es bei Kampagnen Early Bird-Angebote. Diese enthalten die gleichen Belohnungen zu einem niedrigeren Preis. Dafür sind sie in ihrer Stückzahl begrenzt. Damit belohnen die Ersteller eines Projekts die ersten Interessenten und kurbeln die frühe Sichtbarkeit des Projekts durch eine anfangs höhere Spendenbereitschaft an.
Stretch Goals
Im Gegensatz zu Early Bird-Angeboten, die den Anfang einer Kampagne ankurbeln, sind Stretch Goals in späteren Phasen der Finanzierungskampagne wichtig. Mit Stretch Goals wird das Produkt um zusätzliche Features oder Inhalte erweitert, sobald ein erweitertes Finanzierungsziel erreicht wird. Physische Produkte erhalten beispielsweise neue Farbvarianten und Computerspiele erweiterte Features.
Und sonst?
Die beliebtesten Crowdfunding Plattformen
Auch wenn noch eine sehr junge Methode zur Finanzierung, haben einige Plattformen bereits große Bekanntheit erreicht und sind im Internet schon zur Selbstverständlichkeit geworden.
Kickstarter
Kickstarter war im wahrsten Sinne des Wortes auch der Kickstart für das Crowdfunding. Wenn auch nicht das erste Portal seiner Art, führte Kickstarter die Schwarmfinanzierung erst richtig in die Breite. Das 2009 gegründete Unternehmen ist noch immer der erfolgreichste Crowdfunding-Anbieter.
Zu den erfolgreichsten Projekten gehört unter anderem die Pebble Smartwatch, die E-Paper-Technologie fürs Handgelenk bietet. Die Pebble Time erreichte über 20 Millionen Dollar durch die Finanzierungskampagne. Doch auch das wahnwitzige Kartenspiel Exploding Kittens (Provisionslink) und zahlreiche preisgekrönte Computerspiele wie Banner Saga (Provisionslink) oder Divinity: Original Sin 2 wurden erst durch Kickstarter ermöglicht.
Indiegogo
Indiegogo gab es bereits ein Jahr vor Kickstarter. Zwar nicht ganz so erfolgreich, zählt Indiegogo trotzdem noch immer zu den populärsten Crowdfunding Plattformen. Das ambitionierteste Projekt, ein Smartphone mit Ubuntu-Betriebssystem, sammelte stolze 12 Millionen Dollar – trotzdem nicht genug, um das mehr als sportliche Ziel von 32 Millionen Dollar zu erreichen.
Indiegogo ist auch bekannt für recht sonderbare Crowdfunding-Aktionen. So sammelte man ganze 702.822 US-Dollar um der Schulbus-Aufsicht Karen einen Urlaub zu spendieren. Nicht ganz so von Herzen, aber dafür sehr praktisch, ist der Stick-N-Find Bluetooth-Peilsender gewesen, der mit 931.870 US-Dollar in Produktion gehen konnte.
Patreon
Jack Conte gründete Patreon 2013 in erster Linie, um von seinen eigenen Videos auf YouTube leben zu können. Heute ist Patreon für viele YouTuber und Streamer kaum mehr wegzudenken. Das Prinzip ist simpel: Wahlweise für jeden produzierten Inhalt oder auf monatlicher Basis zahlen die Patrone einen unterstützenden Beitrag.
Ähnlich wie bei Kickstarter und anderen „klassischen“ Crowdfunding Plattformen ist es möglich, mehrere Beträge mit unterschiedlichen Belohnungen zu versehen. Meist handelt es sich um früheren oder exklusiven Zugang auf Inhalte oder Möglichkeiten, die Inhalte mitzubestimmen. Auch Danksagungen in den Credits von Videos sind üblich. Obwohl meist von Influencern genutzt, bietet Patreon die Möglichkeit verschiedenste Arbeiten auf längere Zeit zu unterstützen.
Startnext
Als deutsche Crowdfunding Plattform ist Startnext vor allem Anlaufstelle für Projekte, die vorrangig für den deutschsprachigen Raum gedacht sind. Zu den über Startnext finanzierten Projekten gehören unter anderem zahlreiche Musik- und Filmproduktionen. Doch auch der Einplatinencomputer Calliope Mini für Bildungszwecke an deutschen Grundschulen wurde mit mehr als 100.000 Euro erfolgreich finanziert.
Gegenüber den großen internationalen Crowdfunding Plattformen hat Startnext jedoch nicht nur einen Zielgruppenvorteil. Im Gegensatz zu Kickstarter bietet Startnext auch die Zahlung per Lastschrift, Sofortüberweisung und Vorkasse an. In Deutschland ist die Kreditkarte nicht so flächendeckend etabliert, wie in vielen anderen Ländern.
Steam
Die Internet-Vertriebsplattform ermöglicht kein Crowdfunding im klassischen Sinn, aber doch sowas in der Art. Viele Indie-Titel lassen sich auf Steam bereits weit vor Release, in einer sehr frühen Version, im sogenannten „Early Access“ erwerben. Ähnlich wie beim Crowdfunding ermöglicht der Early Access ebenso die Umsetzung eines Spiels, nur das schon eine gewisse Basis vorhanden ist. Oft wird Crowdfunding auch mit Early Access verbunden.
Der Nutzer erhält einen vorzeitigen Zugang auf eine frühe Version des Spiels, die meist regelmäßig mit neuen Features geupdatet wird. Der Spieler wird zum freiwilligen Tester, erlebt dafür aber den Entwicklungsprozess eines Spieles und kann mit seinem Feedback Einfluss auf die Weiterentwicklung nehmen. Manchmal entwickeln sich dadurch Spiele ganz anders, wenn die Spieler plötzlich Dinge im Spiel anstellen, die der Entwickler selbst nicht gedacht hätte.
Unabhängig
Einige Projekte setzen das Crowdfunding sogar ohne eine der großen Crowdfunding Plattformen um. Eines der bekanntesten Beispiele ist Minecraft. 2009, als sich Crowdfunding noch in den Kinderschuhen befand, programmierte der Schwede Markus „Notch“ Persson ein Spiel, das nicht nur das Open World Survival-Genre prägte, sondern auch 10 Jahre später noch viel gespielt wird und sich insgesamt 180 Millionen Mal verkaufte.
Entwickelt wurde das Spiel über weite Strecken nur von einer Person. Kaufen ließ sich das Spiel nur über dessen Homepage. Allein durch Mundpropaganda – und irgendwann natürlich auch Berichterstattung auf Gaming-Portalen – verkaufte sich Minecraft aber bereits bis Januar 2010 eine Million Mal. Das Spiel befand sich zu dem Zeitpunkt noch in der frühen Betaphase.
Dass unabhängige Crowdfunding Projekte auch heute noch funktionieren, zeigt das Spiel Star Citizen auf spektakuläre Weise. Die Raumschiffsimulation startete zwar als Kickstarterkampagne, die mehr als 6 Millionen US-Dollar einbrachte, läuft aber seitdem als fortlaufendes Crowdfunding weiter. Neue Raumschiffe locken die Enthusiasten immer wieder zu neuen Spenden. Mittlerweile sind so 250 Millionen US-Dollar zusammengekommen. Das Spiel befindet sich noch immer in der Alpha-Phase mit ständig neuen Features, die hinzukommen.
Vorteile von Crowdfunding Plattformen
Mit dem Erfolg von Kickstarter konnte sich die Schwarmfinanzierung erstmals in der Breite durchsetzen. Ausschlagend sind einige große Vorteile des Crowdfundings.
Unabhängigkeit
Für kleine Unternehmen oder Einzelpersonen ist es schwierig, kostenintensive Projekte selbst zu stemmen. Meist brauchen sie Investoren oder Publisher, um die Finanzierung sicherzustellen. Diese wollen dann gerne auch ein Wörtchen mitreden. Am Ende ergeben sich oftmals schmerzhafte Kompromisse zur eigentlichen kreativen Vision.
Vor allem in der Videospiel-Entwicklung wird das besonders deutlich. Es sind oft sehr bekannte Programmierer, die ein eigenes Studio gegründet haben, weil sie ihre eigenen Ideen umsetzen wollen und im alten Studio und unter Vorgaben der Publisher nicht genug Freiraum bekamen.
Trotz der Dominanz der Konsolen sind diese Indie-Spiele zunächst meist PC-Spiele, Konsolenversionen folgen je nach Erfolg der Crowdfunding Kampagne. Auch spielerisch sind die Games meist ein Gegenentwurf zu den klassischen Produktionen. Wo Publisher Spiele immer mehr vereinfachen, sind die schwarmfinanzierten Spiele mehr auf die passionierten Spieler zugeschnitten, die sich lieber Komplexität wünschen. Eine Gruppe, die nicht ganz so klein ist, wenn man die Finanzierungssummen im Millionenbereich sieht.
Näher am Nutzer dran
Durch die Unabhängigkeit von externen Geldgebern ist man näher am Konsumenten. Da dieser das Projekt finanziert. Allein durch die Crowdfunding Kampagne erkennt man, ob man den Nerv des Nutzers trifft. Dazu kommt noch das Feedback, das man auf die bewerbende Social Media-Werbung und die Kampagnen-Updates bekommt.
Auch der Nutzer selbst fühlt sich dadurch viel mehr angesprochen. Es ist nicht irgendein Produkt, sondern eines, das man selbst ermöglicht. Darum ist die Beziehung zwischen Projekt und Unterstützer auch nach erfolgreicher und deutlich intensiver. Man informiert über aktuelle Fortschritte, gegebenenfalls dürfen die Unterstützer sogar noch einige Details bestimmen. Es entsteht fast von selbst ein Entwicklungsprozess, der viel näher am Nutzer ist, der sich brennend dafür interessiert.
Neue Berufe entstehen
Der Unterhaltungssektor hat sich gewandelt. Auf der einen Seite steht die alte Medienwelt: Radio, Fernsehen und klassische Redaktionen. Produktionen, hinter denen im Regelfall ein ganzes Team steckt und wo jeder sein festes Aufgabenfeld hat.
Auf der anderen Seite gibt es nun aber auch viele Einzelpersonen, die ihre Leidenschaft zum Beruf machen. Ob YouTube, Twitch, Instagram, Tiktok oder der eigene Blog – Jeder kann heute im Netz zum Unterhalter werden. Dass das Geld in den neuen Medien aber auch nicht gerade locker sitzt und man trotz gleicher Reichweite mit Werbung weniger verdient als in der alten Medienwelt, haben wir euch schonmal umfassend erklärt. Abonnements oder Patreon sind für viele Content Creator wichtig für die finanzielle Sicherheit.
Durch die zahlreichen Blogger und YouTube-Stars suchen aber auch Redaktionen verstärkt nach alternativen Möglichkeiten, um sich finanziell abzusichern. Das reicht von Bezahlschranken bis hin zum Crowdfunding. Teils entstehen sogar neue Projekte wie Buzzard, einer App die politischen Diskurs fördern möchte. Das Crowdfunding finanziert das erste Jahr als unabhängiges und werbefreies Medium.
Nachteile von Crowdfunding Plattformen
Wie bei so vielen Dingen, gibt es auch beim Crowdfunding Nachteile, die auf den ersten Blick nicht sofort auffallen. Teilweise entstehen diese sogar aus den Vorteilen des Crowdfundings.
Keine richtige Unabhängigkeit
Klar, die böse Männer in den Anzügen sagen einem nichts mehr, wenn man sein eigenes Ding durch Kickstarter oder Patreon macht. Statt einer Abhängigkeit von wenigen gelangt man dafür in eine Abhängigkeit von vielen.
Da sind die Stretch Goals, die man gemacht hat, um nochmal in der Schlussphase der Finanzierung weitere Unterstützer zu locken. Teils werden diese erst durch den überraschenden Erfolg ausgedacht und müssen dann irgendwie noch hinzugefügt werden, ohne dass es dem Endprodukt schadet. Diese müssen womöglich erst neu ausgearbeitet werden. Das kostet Zeit, braucht mehr Manpower oder womöglich sogar beides. Und es ist nicht unbedingt mehr ganz die Vision, die ursprünglich im Raum stand.
Vielleicht gab es dann noch Abstimmungen oder gar Möglichkeiten, durch die Unterstützer selbst Inhalte einbauen. Vielleicht Namen von an sich unwichtigen Charakteren, die im Film vorkommen. Nur stören die Namen plötzlich das harmonische Gesamtbild. Auch als YouTuber macht man plötzlich nicht mehr den Inhalt, den man selbst machen möchte, sondern jenen, den sich die Premium-Nutzer wünschen. Schnell gibt man doch wieder einen Teil der Freiheit ab – wenn auch immerhin an jene, die das Produkt erfreuen soll.
Unsicherheit
Für die Unterstützer ist ein Crowdfunding-Projekt immer eine große Wundertüte, bei der man nie weiß, ob das Projekt am Ende auch das hält, was es verspricht. Denn so wie alles anfangs auf dem Papier klingt, muss es am Ende nicht zwingend sein.
In der Regel kann man vielen Projekten vertrauen. Die meisten Projekte pflegen ohnehin einen regen Informationsaustausch in ihrer Kampagne und holen sich damit auch stets das Feedback von ihren Backern ein. Trotzdem zahlt man das Produkt bereits in einer frühen Phase, in der es oft nur als Konzept exisitiert. Es gibt keine Reviews und auf dem Weg zum fertigen Produkt warten zahlreiche Hürden.
Das trifft auch Ersteller einer Finanzierungskampagne. Denn auch bei einer klassischen Finanzierung durch große Geldgeber, wird ein Projekt im Entwicklungsprozess dann doch mal teurer als geplant. Ursprüngliche Konzepte funktionieren nicht wie geplant, es muss auf teurere Materialien zurückgegriffen werden oder es ist schlicht mehr Zeit und Personal nötig. Bis zum fertigen Produkt gibt es viele mögliche Stolpersteine – nur kann man schwer von den Unterstützern plötzlich mehr Geld fordern.
Das kann am Ende bedeuten, dass ein Produkt aus Geldnot nicht den nötigen Feinschliff bekommt, sich doch noch Geld bei größeren Investoren geholt werden muss oder im schlimmsten Fall das Projekt eingestampft wird. Die Unterstützer erhalten dann zwar ihr Geld zurück, dafür sitzen die Projektgründer auf einem Schuldenberg.
Trivia
Historisch gesehen ist Crowdfunding aber nicht ganz neu. So wurden früher schon einige Bauvorhaben teils oder komplett über Spenden finanziert. Eines der bekanntesten Beispiele ist die Freiheitsstatue. Der Sockel wurde durch 160.000 Einzelspenden finanziert. Rund 80 Prozent dieser Spenden betrugen weniger als einen Dollar – zusammen genommen konnten diese Kleinbeträge jedoch viel bewegen.
Im Dezember 2011 startete die Firma Brainpool einen Spendenaufruf, um die Produktion des Filmes zur Kult-Serie Stromberg (Provisionslink) zu finanzieren. Das bis März geplante Ziel, dadurch eine Million Euro für die Produktion zu erhalten, war bereits nach einer Woche durch 3.000 Spender erreicht. Es handelte sich um die bis dahin größte mediale Crowdfunding-Aktion Deutschlands. Brainpool zahlte je verkaufter Kinokarte 50 Cent Gewinn an die Crowdfunding-Investoren aus, die zudem jeweils eine handsignierte DVD erhielten.
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Schlagwörter: Crowdfunding, Indiegogo, Kickstarter, Patreon, Startnext, Steam