Künstliche Intelligenz in Sword Art Online: Alicization

Der Anime Sword Art Online hatte es trotz seines Erfolgs nicht immer leicht bei den Anime-Fans. Gerade die erste Staffel litt unter unglücklichem Pacing und einigen unnötigen Anime-Klischees. Der Anime auf Basis der gleichnamigen Light Novel-Vorlage ist aber unbedingt einen zweiten Blick wert.

Nicht nur merkt man, wie die Vorlage über die mittlerweile 27 Bände umfassende Hauptserie an sich selbst gewachsen ist, sondern auch dass die Animationsserie die Geschichte zunehmend besser einfängt.

Animation und Soundtrack waren schon seit jeher gut und alles andere steigert sich also. Schon die zweite Staffel hatte mit Sinon eine starke Ergänzung für den Haupt-Cast, auch wenn sie dem Harems-Aspekt der Serie nicht gänzlich entging. Auch Kirito zeigt im neuen Spiel Gun Gale Online, dass das Spiel um Leben und Tod in der virtuellen Realität auch bei ihm Spuren hinterlassen hat.

Ausgerechnet der zunächst eher unscheinbare „Mother’s Rosario“-Arc ist es dann aber, der mir bislang die größte emotionale Breitseite eines Animes verpasst hat. Doch die dritte Staffel ist als ganzes noch etwas packender und erzählt den bislang größten Story-Arc, der 10 Light Novel-Volumes, bzw. 47 Folgen umfasst.

Sword Art Online: Alicization ist aber auch noch aus einem anderen Grund sehenswert. Es ist nämlich weniger die Virtual Reality an sich, sondern die Künstliche Intelligenz, der die Staffel plötzlich unerwartet aktuell macht. Das merkte ich erst kürzlich beim Rewatch der Serie, als ich beim Story-Arc ankam. Von daher auch eine Spoilerwarnung für den weiteren Artikel.

Die Serie ist aktuell in Prime Video (Provisionslink) und auf Crunchyroll verfügbar

Künstliche Intelligenz in Sword Art Online: Alicization

Sword Art Online: Alicization spielt nämlich in einer Online-Welt, die nicht als VR-Spiel erschaffen wurde, sondern vor allem als Labor für Künstliche Intelligenz. Mit einer Weiterentwicklung der VR-Hardware, die sich direkt ins Hirn einklinkt, möchte man die menschliche Seele erforschen, beziehungsweise künstlich erschaffen.

Nicht alles ist dabei wissenschaftlich ernst zu nehmen. Das sogenannte „Fluctlight“ folgt zwar tatsächlich einer Theorie zum menschlichen Bewusstsein, ist aber umstritten und für die Serie natürlich auch etwas vereinfacht worden. Auch das dort Künstliche Intelligenzen als Basis eine Kopie des Fluctlights von Embryonen erhalten, ist eher wissenschaftlicher Mumpitz.

Die virtuelle Welt als Trainings- und Forschungsumgebung für Künstliche Intelligenz ist dagegen schon um einiges spannender. Die künstlichen Seelen wurden hier nämlich in eine Welt gesetzt, die als einzelnes Dorf anfing. Man gab ihnen Regeln, die sie einhalten sollten, ließ sie ansonsten aber frei entwickeln und simulierte so über 300 Jahre dieser Welt, in der sich die Zivilisation natürlich stark ausgebaut hat.

Gerade in der aktuell rasenden KI-Entwicklung nähern wir uns bereits einem relativ ähnlichem Phänomen. Schon vor dem ChatGPT-Boom gab es einen Google-Ingenieur der behauptete, deren KI LamDA hätte eine Art Bewusstsein erlangt. Die US-amerikanische Universität Stanford veröffentlichte auch eine Studie, in der sie ein kleines virtuelles Dorf mit 25 KI-Bewohnern beobachtet haben. Die 25 Bewohner wurden von ChatGPT gesteuert und durch eine Datenbank war es auch möglich, dass sich über das Experiment soziale Strukturen entwickelten und festigten, während jeder Bewohner einem eigenen Alltag nachging. Es wurde sogar eine Valentinstags-Party veranstaltet von der zumindest das halbe KI-Dorf am Ende auch wusste und entsprechend reagierte.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

KI-Bewusstsein in Sword Art Online: Alicization

Im Anime ist das natürlich noch ausgefeilter. Hier hat man schließlich nicht nur versucht das Denken an sich menschlich wirken zu lassen, sondern tatsächlich die menschliche Seele virtuell zu reproduzieren. Entsprechend wirft die Staffel Fragen auf, die bereits lange ein beliebtes Thema im Genre sind: Ab wann ist eine künstliche Intelligenz mit einem Lebewesen aus Fleisch und Blut gleichzusetzen?

Im Gegensatz zum KI-Experiment der Stanford-Universität unterscheiden sich die KI-Agenten im Anime wirklich nur dadurch, dass sie in einer anderen Welt aufgewachsen sind. Ihr Input ist auch nicht in Schriftform, sondern spricht die simulierten Körpersinne an, was ihnen eine mehrschichtigere Wahrnehmung erlaubt.

Die KI scheint nur noch durch, dass sie etwas zu streng die Gesetze ihrer Welt befolgen. Sie hinterfragen sie nicht, gelangen damit zugleich in eine absolute Unterwerfung, auch wenn es auf der anderen Seite noch keinen Mord in der 300 Jahre langen Simulation gab. Deswegen braucht es den Protagonisten, der den Stein ins Rollen bringen soll. Am Ende landet Serien-Held Kirito aber aus anderem Grund auf lange Zeit in der Welt und erstmals auch mit seinem realen Bewusstsein.

Bottom-up-KI

Top-Down und Bottom-Up sind Begriffe, die bereits durch KI-Vordenker Alan Turing ins Spiel gebracht wurden. Sie beschreiben die Art, wie eine Künstliche Intelligenz Entscheidungen trifft. Lange Zeit dominierten die Top-Down-Ansätze. Hier arbeitet die Künstliche Intelligenz nach festen Vorgaben. Die KI ist somit mehr ein klassisches Programm, dass innerhalb eines Codes verschiedene Möglichkeiten durchgeht. Der Ansatz eignet sich gut für Anwendungsbereiche, die klare Strukturen vorgibt. Zwar gab es auch im Top-Down-Bereich etwa immer bessere Handschrift-Erkennungen, aber der Ansatz war dennoch sehr schwierig, alle erdenklichen Handschriften zuverlässig zu lesen. 

Für komplexere Themen gibt es dem Bottom-up-Ansatz. Bei diesem wird die Künstliche Intelligenz mit einem neuronalen Netzwerk ausgestattet, das vereinfacht dem menschlichen Gehirn ähnelt. Dieses muss mit einer Unmenge von Daten gefüttert werden, um selbst nach und nach Muster in den Daten zu erkennen. Der Ansatz ist deutlich aufwendiger, weil er zum einen entsprechend viele Daten braucht, aber ebenso die Rechenpower und Personen die dafür sorgen, dass die zur Verfügung gestellten Lerndaten möglichst ausgewogen sind.

Im Anime dient das Projekt Alicization der Erschaffung der weltweit ersten Bottom-Up-KI. Die Story spielt im Jahr 2026. In der Realität befinden wir uns 2023 bereits in einem riesigen Rennen der Bottom-up-KIs. Einer der ersten großen Mainstream-Anwendungen waren KI-Upscalings durch Grafikkarten wie Nvidias DLSS oder AMDs FSR. Vielen war dabei aber nicht bewusst, welch eine Revolution eigentlich hinter den hochskalierten Bildern steckt. Erst mit ChatGPT, Midjourney und Co bekamen viele eine Ahnung, zu was die neue Generation Künstlicher Intelligenz in der Lage ist.

Dass die futuristische Geschichte also von der ersten Bottom-up-KI ausging, stellt sich bereits als falsch heraus. Allerdings erschien der erste Band des Story-Arcs bereits im Februar 2012, also vor über 11 Jahren. Umso spannender ist es zu sehen, wo die Realität die Fiktion überholt. Indes ist sie von einer Virtual Reality oder auch dem Metaverse-Ansatz der Welten noch meilenweit entfernt. 

Militärische Interessen in Sword Art Online: Alicization

Ein weiterer Aspekt der Staffel ist, dass sich hinter der Entwicklung der Technologie ein militärisches Unternehmen versteckt.

Blicken wir auf unsere eigenen technologischen Errungenschaften zurück, ist das eigentlich nur all zu naheliegend. Vieles was wir heute im zivilen wie selbstverständlich nutzen, hat seinen Ursprung im Militär. Mobiltelefone, GPS und das Internet – alles heute für uns unverzichtbar – haben ihren Ursprung im Militär. Ähnliches gilt auch für hochwertige Verschlüsselungstechniken oder medizinische Entwicklungsbereiche wie Exoskelette.

Ohne jetzt zu sehr in Richtung Verschwörungstheorien gehen zu wollen, ist es nicht völlig an den Haaren herbeigezogen, davon auszugehen, dass auch die Militärforschung bemüht ist, die Nase in der KI-Entwicklung vorn zu haben. Heute ist es natürlich etwas schwieriger. Nicht nur ist die Geheimhaltung in unserer ultravernetzten Welt schwieriger geworden. Als Konkurrenz gibt es internationale Gigakonzerne. Die größten Fortschritte der Raumfahrt scheint aktuell beispielsweise Elon Musks SpaceX zu machen. Seinem Internetdienst Starlink gehören außerdem schon 50 Prozent aller im Orbit aktiven Satelliten.

Trotzdem steht zumindest die hypothetische Frage im Raum: Was, wenn es Nationen gibt, deren Militär nochmals fortschrittlichere KI-Projekte haben, die zudem auch noch für eben militärische Einsatzzwecke gedacht sind. Die Serie verpasst dabei leider etwas die mögliche Tragweite. Sie sollen dort Japan unabhängiger durch moderne, unbemannte Waffensysteme machen. In Wirklichkeit würde eine hochentwickelte KI auch taktische Anpassungen in Echtzeit erlauben, wie es Menschen in diesem Ausmaß nicht möglich wäre. Und das weniger durch Invididuelle KI-Piloten, sondern mehr durch eine Schwarmintelligenz, die alle Daten schnell analysiert und reagiert.

Fazit: KI-Aspekt in Sword Art Online: Alicization nicht immer korrekt, aber spannend

Ich habe mir vom Anime Sword Art Online an sich keine wissenschaftlich fundierte Ausarbeitung des Settings erwartet. Der Anime ist Unterhaltung und das Light Novel-Format dem sie entstammt auch eher für seine Zugänglichkeit und eine jüngere Zielgruppe bekannt. 

Trotzdem überraschte mich die Alicization-Staffel beim zweiten Schauen dann doch. Trotz aller künstlerischen Freiheiten, nimmt man das Setting seit dem großen KI-Boom plötzlich ganz anders wahr. Dabei sah ich die selbe Staffel erst vor einem Jahr. Das spricht nicht nur für den Anime, sondern auch dafür, wie die technischen News der letzten Monate bereits an der eigenen Wahrnehmung gerüttelt haben. Das betrifft nicht nur Sword Art Online, sondern fast alle Filme oder Serien, in denen Künstliche Intelligenz auftaucht. Zumindest ich als Redakteur, der sich verstärkt mit dem Thema auseinander setzt, werden sofort Vergleiche zur Realität gezogen.

In vielen Bereichen merkt man zumindest, dass sich der Autor ein bisschen mit wissenschaftlichen Grundlagen auseinander gesetzt hat. Ich selbst wusste beispielsweise bis vor meiner Recherche für den Artikel nicht, dass das Fluctlight auf einer tatsächlichen Quantentheorie zum Gehirn basiert. Ich glaube hier reizt die Light Novel bereits langsam die Grenzen ihres Formats aus. Am Ende soll die Serie ja in erster Linie eines: unterhalten. Das tut sie bei mir auch jetzt noch zuverlässig, ohne dass ich mir wegen der Darstellung die Haare raufen müsste. Für die Art der Story ist mehr als genug Bezug zur Realität vorhanden. 

Prime Video abonnieren und Sword Art Online schauen (Provisionslink)


Image by aquria via IGDB

Das Internet ist sein Zuhause, die Gaming-Welt sein Wohnzimmer. Der Multifunktions-Nerd machte eine Ausbildung zum Programmierer, schreibt nun aber lieber Artikel als Code.


Artikel per E-Mail verschicken