Können Mikrozahlungen Nachrichtenagenturen helfen?

Es gab einmal eine Zeit, in der der Unterschied zwischen einem wenig angebotenen, aber oft nachgefragten Gut, nämlich rechtzeitige und verlässliche Nachrichten, enorme Einkünfte für die Nachrichtenverlage einbrachte. Aber in den vergangenen etwa 15 Jahren hat die digitale, soziale und mobile Revolution diesen Unterschied zunichte gemacht.

Als Antwort darauf suchen die Verlage nach neuen Einkommensströmen. Besondere Aufmerksamkeit fiel in der letzten Zeit auf Mikrozahlungen: man zahlt einen relativ kleinen Betrag, um Zugriff auf einen vergleichbar kleinen Ausschnitt an Informationen, beispielsweise einen einzelnen Artikel, zu erhalten.

Die traditionelle Medienwelt besteht aus gebündelten Informationen mit vielen unterschiedlichen Inhalten, immer darauf bedacht, möglichst allen etwas anzubieten. Die digitale Welt wiederum ist eine ungebündelte. Sie erlaubt es jedem Einzelnen, eine Sache aus einer Milliarde angebotener Dinge auszuwählen. Sind wir bereit, dafür zu zahlen? Ja, manchmal – siehe iTunes.

Aber die Frage, die sich die Nachrichtenagenturen stellen, ist, ob personalisierte Nachrichten genauso wie personalisierte Unterhaltung Interesse und vielleicht sogar Einkommen generieren kann.

Bis jetzt wird an Initiativen für Mikrozahlungen lediglich gearbeitet. Die größte Aufmerksamkeit wird dabei einem niederländischen Service namens Blendle zuteil, der behauptet mehr als eine Million registrierte Nutzer in Europa zu haben, zudem dazu bereit, den US-Markt anzugreifen. Die meisten Angebote auf Blendle, die von unterschiedlichen Quellen kommen, kosten zwischen zehn und 90 Cent und werden mit einer Geld-zurück-Garantie angeboten: Man zahlt nur für Artikel, die man wirklich liest – und wenn einem nicht gefallen, kannst man seine paar Cent zurückverlangen.

Das professionelle Interface spricht Fans an, genauso wie der Fakt, dass es keine Werbeeinblendungen gibt (oder Clickbait, was die Werbung begleitet). Andere haben jedoch geradeheraus vorhergesagt, dass das Konzept zum Scheitern verurteilt ist. Nachrichtenkonsumenten wollen nichts bezahlen sagen sie, und selbst ein so kleiner Betrag ist nicht nichts.

Wer gibt den Ton an?

Aber vielleicht ist das Modell hier kein “iTunes für Journalismus”, wenn wir mit Journalismus den Content mit dem Siegel der großen Nachrichtenorganisationen meinen. Vielleicht kann eine Crowdfunding-Seite wie Kickstarter ein besseres Vorbild sein: die Möglichkeit, dass Nutzer ihr Geld in Ideen investieren, die sie verwirklicht sehen wollen und nicht in existierende Geschichten, die sie lesen möchten.

Experimente, die Journalismus crowdfunden, haben sich stark vermehrt. Eine Ausprägung ist im Grunde genommen eine Mitgliedschaft mit niedrigen Kosten, die es den Mitgliedern, oder Spendern, erlaubt, die Journalisten in die Richtung ihrer Interessen zu steuern. MinnPost, eine gemeinnützige Seite in Minnesota, nutzt diesen Ansatz zu ihrem Vorteil. Beispielsweise wurde im vergangenen Oktober begonnen, über neue Amerikaner, also die Gemeinschaften der Immigranten und Flüchtlinge im Staat zu berichten, basierend auf den Investitionsversprechen interessierter Spender.

In Schottland verfolgt eine neue investigative News-Seite namens The Ferret (zu deutsch: das Frettchen) ebenfalls Themen, von denen die Nutzer sagen, dass diese sie interessieren – Fracking war ein frühes Beispiel. Und in den Niederlanden erhielt de Correspondent mehr als eine Million Euro in nur acht Tagen für das Versprechen, Storys in hoher Qualität zu wichtigen Themen zu bringen, anstatt nur den “neuesten Hype” zu verfolgen.

Der andere Ansatz dreht den Prozess sozusagen um und ist näher am bekannten Crowdfunding-Konzept – Journalisten schlagen Ideen vor, die sie gerne verfolgen möchten und die Nutzer unterstützen die, die ihnen gefallen. Artikel, die ihre Zielförderung erreichen, werden geschrieben, die anderen nicht. Das vielleicht innovativste Beispiel kam von einer britischen Seite namens Contributoria, unterstützt von der Guardian Media Group. Innerhalb eines Zeitraums von 21 Monaten zwischen 2014 und 2015 veröffentlichte Contributoria fast 800 Artikel über Themen von der städtischen Regeneration Beiruts bis hin zum Leben eines Buchmachers; die Journalisten verdienten dabei 260.000 Pfund, der größte Teil davon besteht aus kleinen individuellen Zahlungen.

Nachhaltigkeit

Trotzdem sind solche Experimente schwer zu halten. Contributoria wurde im Oktober 2015 geschlossen, wobei einer der Mitbegründer erklärte, dass Crowdfunding nur ein Teil des Puzzles sei. Was die Initiative wirklich zeigte, sagte er zu journalism.co.uk, war, dass die Menschen einen “unersättlichen Appetit haben… sich an dem Journalismus-Prozess zu beteiligen, inklusive der Art der Finanzierung”.

Vielleicht ist es das, was man bis jetzt von Mikrozahlungen mitnehmen kann. Der Wunsch danach, eine Stimme zu erhalten, ist weniger eine Frage der Bezahlung des Journalismus als der Wunsch danach, einen Anteil daran zu haben. Nachrichtenorganisationen hoffen inbrünstig, dass dieser Anteil finanziell ist, aber für die Nutzer ist das “Besitzen” viel wichtiger als die Zahlung.

Da sich Informationen oft wie Wildwuchs verbreiten, wollen die Konsumenten ein wenig Kontrolle darüber erlangen. Die digitalen Medien geben die Fähigkeit selber Reporter zu werden, aber vor allem wollen sie scheinbar Redakteure sein; die Türsteher, die entscheiden welche Nachrichten sie sehen werden, in dem sie einen Artikel in Auftrag geben oder ein investigatives Team in eine Richtung lenken oder jene Nischennachrichten-App nutzen, aber nicht diese.

Die richtige Mischung finden

Für Nachrichtenorganisationen sind daher Mikrozahlungen nur eine Option unter vielen in einer zerbrechlichen und zerschlagenen digitalen Umwelt – etwas, das man zu den Zahlungsströmen hinzugeben kann, wenn es nur ein kleines Budget an Zeit, Arbeit und Geld erfordert.

Auch wenn Experimente in eine gute Richtung zu gehen scheinen, ist die Ausbeute aus dieser Option grundsätzlich eher gering. Der größte Teil der Online-Nutzer zahlt heute nicht für digitale Nachrichten und hat auch nicht vor, dies zu ändern. Es gibt keine Hinweise auf eine massive Nachfrage der Nutzer, im vorneherein für den Inhalt einer Nachricht bezahlen zu können – und selbst, wenn sie bereit wären, der kleine Einkommensfluss würde von Tag zu Tag, je nach Angebot, stark schwanken. Das ist nicht das wünschenswerteste Finanzierungsmodell einer Organisation, die eine stabile finanzielle Basis benötigt, um ihre Mitarbeiter, die Infrastruktur und die Fähigkeit, die Mächtigen zur Verantwortung zu ziehen, zu finanzieren.

Die gegenteilige Option – den Konsumenten zu ermöglichen, die Richtung der journalistischen Untersuchungen zu steuern – scheint plausibler zu sein und die verschiedenen gemeinnützigen Unternehmen, die ich erwähnt habe, sind unter denen, die Beispiele aufzeigen, wie es funktionieren könnte. Aber Nachrichtenkonsumenten sind nicht die Einzigen, die gerne die Kontrolle haben. Journalisten tendieren dazu, sich sehr stark dem Unabhängigkeitsgedanken des Verlegers zu verschreiben – mit anderen Worten, sie wollen lieber selber entscheiden, was Nachrichten sind und was nicht. Ob sie gewillt sind diese Kontrolle zu teilen – und falls, was sie dafür im Austausch vom Nutzer erhalten können – bleibt abzuwarten.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) “Headlines…” by Thomas Leuthard (CC BY 2.0)


The Conversation

ist eine ehemalige Print- und Online-Journalistin, die seit Mitte der 90er Jahre journalistische Antworten auf digitale Technologien studiert. Sie interessiert sich besonders für die Auswirkungen der digitalen Medien auf journalistische Rollen, Normen, Verfahren und Produkte. Heute ist sie Professorin für journalistische Innovation an der City Universität von London.


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