Tablet-Müdigkeit: Warum man lieber „Smartphone first“ denken sollte

Marktzahlen zeigen, dass der Tablet-Markt schon seinen Zenith erreicht haben könnte, während großes Wachstum weiterhin im Smartphone-Bereich zu sehen ist. Dem Tablet wurde seit der Präsentation des iPad im Januar 2010 eine große Zukunft vorhergesagt. Den PC-Markt würden sie ruinieren, Zeitungen, Speisekarten und Schulbücher ersetzen, Navis im Auto und Displays im Flugzeug obsolet machen. Doch wie es derzeit aussieht, könnte der Tablet-Markt seinen Höhepunkt bereits erreicht haben.

Aus den aktuellsten Quartalszahlen von Apple geht hervor, dass im Vorjahreszeitraum 16 Prozent mehr iPads verkauft wurden. Während sich das iPhone weiter hervorragend verkauft und bereits 66 Prozent zum Umsatz von Apple beiträgt, scheint es am Tablet-Markt zu Ermüdungserscheinungen zu kommen. Visualisiert sieht das so aus:

Der angesehene Risikokapitalgeber Fred Wilson von Union Square Ventures (Tumblr, Twitter, Foursquare u.a.) etwa rechnet vor, dass der Tablet-Markt bei etwa 100 Millionen Stück pro Jahr stagnieren würde – so, wie der PC-Markt mit etwa 350 Millionen Stück pro Jahr seinen Plafond erreicht hätte.

Der Analyst Benedict Evans, tätig beim wichtigen Risikokapitalgeber Andreessen Horowitz (u.a. Facebook, Twitter, Pinterest, AirBnB), hat sich mit den iPad-Zahlen intensiv beschäftigt. Ihm zufolge würden PC- und Tablet-Markt stagnieren, während der Smartphone-Markt (im Wesentlichen iPhone und Android) weiter explodiert und kein Zeichen der Schwäche zeigen würde. „Tablets und Smartphones in eine Kategorie zu werfen, die mit PCs konkurriert, ist vielleicht der falsche Vergleich„, schreibt Evans. „Es wäre besser, PCs, Laptops und Tablets in einer eigenen ‚Big Screen‘-Kategorie zu denken, die alle mit Smartphones konkurrieren und für die die Marktchancen einfach kleiner sind als die für Smartphones„. Tablets würden mit der Zeit weiter Marktanteile bei PCs und Laptops wegfressen, während die echte transformative Kategorie das Smartphone sei, das auf dem besten Weg zu einer Milliarde verkauften Einheiten pro Jahr sei.

Große Smartphone reichen oft

Dass der Tablet-Markt offenbar an eine Wachstumsgrenze gestoßen ist, erscheint plausibel. Vor allem große Smartphones mit 5 Zoll oder mehr Display-Diagonale und HD-Auflösung machen die Anschaffung eines Tablets oft nicht notwendig. Ich habe mir 2010 das erste iPad gekauft, seitdem aber keinen Upgrade gemacht, weil ich das Tablet immer seltener zur Hand nehme. Auf der Couch als Second Screen reicht ein 5-Zoll-HD-Smartphone auch, und im Berufsleben kann mir ein Tablet-Computer einen Laptop oder einen PC nicht wirklich ersetzen – da braucht es nach wie vor eine physische Tastatur, einen großen Bildschirm und umfangreiche Software.

Die Erkenntnisse die Wilson und Evans über den Tablet-Markt formuliert haben, sind wichtig für alle Firmen, die „Mobile“ als Fixpunkt in ihrer Strategie stehen haben. Denn unter „Mobile“ sollte man nicht Smartphones und Tablets subsumieren, sondern diese getrennt denken. „Tablets sind nicht Mobile„, hat Facebook-Chef Mark Zuckerberg einmal gesagt, und in der Österreichischen Web-Analyse (ÖWA) etwa werden Tablets nicht der mobilen, sondern der stationären Nutzung zugerechnet. Wer Apps anbieten will – egal ob Zeitung, TV-Anstalt, Game-Publisher oder Service –, sollte „Smartphone first“ denken und sein Angebot dafür optimieren. „Designt und baut für das Smartphone„, rät Wilson. „Dort sind die Nutzer und werden es weiterhin sein„.


 


 

ist seit 2006 publizistisch auf Papier und Pixel tätig. Er arbeitet in Österreich als Journalist und hat die beiden Sachbücher "Phänomen Facebook - Wie eine Webseite unser Leben auf den Kopf stellt" (2010) und "Digitaler Frühling - Wer das Netz hat, hat die Macht?" (2012) veröffentlicht. In seinem Blog “Jakkse.com” und in Vorträgen schreibt und spricht er gerne über die Menschen und ihr Internet – von Social Media über Mobile Business und Netzpolitik bis zu Start-ups.


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