Recht auf Remix: Freiheit statt Kontrolle

Um die Akzeptanz für das Urheberrecht zu retten, muss es modernisiert werden und um ein Recht auf Remix ergänzt werden. Dieser Artikel ist ein Remix. In irgendeiner Form, sicherlich sogar streckenweise mit den gleichen Formulierungen, wurden die folgenden Gedanken zum Urheberrecht in der digitalisierten Informations- und Wissensgesellschaft schon einmal veröffentlicht. Ich habe diese Ideen konsumiert, durchdacht, die für mich überzeugendsten Argumente dann angenommen und seitdem sicher zigfach wiedergegeben. So wie auch in diesem Artikel. Everything is a Remix.

Dieser Umgang mit Ideen ist nicht neu. Gedanken sind grundsätzlich frei und beliebig kopierbar. Nur eine an sich blasphemische Vorstellung von „Urheberschaft“ als einer Art göttlicher Schöpfung eines Gedanken würde einen darauf kommen lassen, ein Verbotsprinzip zu etablieren, das zum Beispiel eine beliebige Zeichenfolge an Buchstaben und Sonderzeichen als schützenswert betrachtet und es verbietet „kongruente Zeichenfolgen in anderen Texte zu reproduzieren„, wie Pico Schlick in einem Artikel erklärt. Das Konzept einer „Urheberschaft“ macht für Schlick deshalb genauso wenig Sinn wie der Gedanke des „geistigen Eigentums“.

Dass man Eigentum überhaupt feststellen kann, hängt damit zusammen, dass es sich dabei in der Regel um Objekte handelt, die bei Überhändigung die Stelle im Raum wechseln und darum nicht an zwei Stellen im Raum gleichzeitig vorhanden sein können, erklärt Schlick den Gedanken einführend. Auf Ideen und Gedanken trifft das allerdings nicht zu. Nicht nur jeder Fachjurist weiß, dass so etwas für ‚geistiges Eigentum’ nicht gilt, aber die Juristerei genießt das Privileg, dass sie nicht erklären muss, was Geistigkeit eigentlich ist und kann trotzdem daraus einen juristischen Begriff machen.

Diese sinnleeren Begriffe einer „Urheberschaft“ und eines „geistigen Eigentums“ versuchen eine künstliche Exklusivität zu schaffen, die einzig und allein auf die monetäre Vermarktung von Nutzungsrechten abzielt. Dabei basiert Kreativität immer auf dem bereits Existierenden.

 

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Szene-für-Szene-Vergleich des Films „Jäger des verlorenen Schatzes“ mit 30 Abenteuerfilmen aus den Jahren 1919 bis 1973.  

In der Urheberrechtsdebatte stirbt zuerst die Kreativität

Das Urteil im Gerichtsprozess zwischen den Erben des vor über 30 Jahren verstorbenen Sängers Marvin Gaye und den Musikern Robin Thicke und Pharrel Williams zeigt, wie gefährlich das aktuelle Urheberrecht bereits geworden ist. Das Gericht hat nämlich die Grenze einer möglichen Urheberrechtsverletzung noch weiter ausgedehnt. Jetzt können schon sich ähnelnde Werke eine Verletzung des Urheberrechts darstellen. Denn Thicke und Williams haben für ihr Lied „Blurred Lines“ nichts von Gayes Song „Got To Give It Up“ kopiert, sondern einzig und allein die Komposition der Musik ähnlich gestaltet.

Ein an sich normaler Vorgang unter Musikern. Kompositionen, Arrangements und Aufführungen von musikalischen Werken sind in der Regel kollektiv gestaltet. Deshalb gibt es oft keine Noten von Kompositionen, denn sie werden nicht benötigt. Eine Aufschlüsselung des Kompositionsprozesses in seiner Einzelheiten ist deshalb auch gar nicht möglich. Die Komposition wird durch den Interpreten dargeboten, eine Überlieferung an andere Interpreten deshalb nicht vorgenommen. Thicke und Williams konnten deshalb nichts kopieren, sondern hatten einen von Gaye inspirierten Gedanken, den sie umsetzten. Die 7,4 Millionen US-Dollar Strafe trifft in diesem Fall keine armen Musiker, das wahre Opfer aber ist die künstlerische Kreativität, welche jetzt quasi per Gesetz verboten ist. Wer nach der Kommerzialisierung von Nutzungsrechten zuerst kam (beziehungsweise dessen Erbe), malt noch immer zuerst, oft aber mit den Buntstiften anderer, um im Bild dieses Vergleich zu bleiben.

Everything is a Remix

Wenn Thomas Elbel, der an der Hochschule Osnabrück Öffentliches Recht lehrt, hier auf Carta das Bild eines Elefanten im Raum dafür bemüht, gegen eine von der Europaabgeordneten Julia Reda angestrebte Modernisierung des Urheberrechts in Europa zu argumentieren, müsste er eigentlich den Blickwinkel ändern. Seine Vorstellungen basieren auf den bereits als sinnleer entlarvten Konstrukten von „Urheberschaft“ und „geistigen Eigentum“. Wer so argumentiert, und das räumt Elbel sogar offen ein, dem geht es nur um Kontrolle.

Bei Kontrolle handelt es sich immer um eine Form der Überwachung, beim Urheberrecht über die Nutzung eines Werkes, was es zu einem Mittel der Herrschaft oder Gewalt über etwas oder jemanden anderen macht. Wer Kontrolle hat, bestimmt wer was wissen darf. In einer Welt, in der der Zugang zu Informationen existenziell ist, sollte die Gesellschaft deshalb auf Offenheit und Teilhabe setzen statt auf Kontrolle. Die nützt immer nur den Wenigen, die sie haben, aber nie der Gesellschaft. Dabei gibt es keinerlei Grundlage für die Kontrolle von Werken. Kopien sind allgegenwärtig und integraler Bestandteil menschlichen Daseins, jedes Original ist auch Kopie, jede Kopie auch Original.

 

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Kopien sind allgegenwärtig und integraler Bestandteil menschlichen Daseins, jedes Original ist auch Kopie, jede Kopie auch Original.  

In den kommenden Monaten wird die Debatte um die notwendige Modernisierung des Urheberrechts deshalb wieder Fahrt aufnehmen – besonders schön wird das nicht. Das hatten wir schon alles. Die deutschsprachigen Krimiautoren sahen sich schon bildlich abgeschlachtet, sollte es zu einer Reform des Urheberrechts kommen. Die sonst die Debatte mit den Zuschauern meidenden Tatort-Autoren schrieben gedankenlos einen offenen Brief, der die Debatte nur um eine neue Peinlichkeit bereicherte, genauso wie die „100 Köpfe“ im Handelsblatt oder der die Contenance verlierende Musiker und Schriftsteller Sven Regener. Das wird sich bald alles so oder ähnlich wiederholen. Es ist eben wirklich nichts neu unter der Sonne. Everything is a Remix.

Wir brauchen ein Recht auf Remix!

Doch all das Gezetere wird nichts nützen. Das Urheberrecht muss modernisiert werden, sich vor allem von dem Gedanken lösen, dass Geld alle Probleme löst. Eigentlich macht es eher mehr Probleme, besonders für Kreative. Der Rechtswissenschaftler Dan Hunter mahnt deshalb schon länger, dass wir nicht glauben sollten, „dass das Urheberrecht die einzige Möglichkeit oder vielleicht auch nur die beste Möglichkeit darstellt, um die Kreativität in unserer Gesellschaft zu beflügeln. Dank des Internets sind wir gerade an der Schwelle eines völlig neuen Verständnisses, um neue und andere Wege zu finden, die hier deutlich besser funktionieren könnten.

Hunter plädiert deshalb für eine vom Schaffen losgelöste Vergütung von Kreativen, denn „eine längerfristige Finanzierung ist viel eher dazu geeignet, die Schaffenskraft anzuregen, als dies eine kurzzeitige Entlohnung je könnte.“ Forscher des MIT untermauern diese Annahme mit ihren Forschungsergebnissen. Eine Pauschalvergütung müsste deshalb auch die Grundlage einer Vergütung in einem Recht auf Remix darstellen. Das schließt natürlich eine kommerzielle Verwertung nicht aus.

Im Manifest der Initiative „Recht auf Remix“ wird ein derartiges Gesetz deshalb als Bündel aus drei digitalen Kreativitätsrechten formuliert:

  • Das Recht, Werke bei der Nutzung zu verändern und das Ergebnis öffentlich zugänglich zu machen (Pauschalvergütetes Transformationsnutzungsrecht);

  • Das Recht, Remixes von bestehenden Werken zu erstellen und diese öffentlich zugänglich zu machen (Pauschalvergütetes Remixrecht);

  • Das Recht, gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung Remixes auch kommerziell zu verwerten. (Lizenzpflichtiges Remixverwertungsrecht).

Mit einem derartigen Recht auf Remix könnte die von Elbel gewollte Kontrolle durch eine Freiheit garantierende Rechtssicherheit ersetzt werden. Das würde nicht nur unserer Gesellschaft eine vernünftige Grundlage für den Umgang mit Informationen in einer digitalisierten Realität geben, sondern letztlich auch das Urheberrecht mit seinen wenigen positiven Effekten retten. Gesetze ohne Sinn verlieren an Akzeptanz, werden so wirkungslos und schließlich aufgrund des öffentlichen Drucks ersatzlos gestrichen. Das möchte niemand, denn nicht alles am Urheberrecht ist schlecht. Nur die Freiheit für Kontrolle opfernden Ideen gehören abgeschafft.

 


Dieser Artikel erschien zuerst auf Carta.info und steht unter CC BY 4.0.


Image (adapted) „Open source free culture creative commons culture pioneers“ by Sweet Chilli Arts (CC BY-SA 2.0)


ist Coworking Manager des St. Oberholz und als Editor-at-Large für Netzpiloten.de tätig. Von 2013 bis 2016 leitete er Netzpiloten.de und unternahm verschiedene Blogger-Reisen. Zusammen mit Ansgar Oberholz hat er den Think Tank "Institut für Neue Arbeit" gegründet und berät Unternehmen zu Fragen der Transformation von Arbeit. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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