Wie zwei Nobelpreis-Gewinner uns lehrten, wie Unternehmen ticken

Eine der bemerkenswertesten Entwicklungen in der Wirtschaftstheorie ist die neue Art, wie wir Unternehmen betrachten. Wir sehen nicht länger eine vorgefertigte Form, die einen Prozess oder eine Technologie verwendet, um Material in Produkte zu verwandeln. Heutzutage denken wir bei Firmen an eine Verknüpfung von Verträgen zwischen Interessenseignern, Kreditgebern, Managern, Arbeitern, Kunden, Lieferanten und vielen mehr.

Diese Entwicklung führte uns dazu, die Unternehmensführung durch das Konzept der Verträge zwischen diesen Interessenseignern zu betrachten. Oliver Hart und Bengt Holmström haben das Fundament gelegt, das uns ermöglicht, dies zu tun. Die Gewinner des Nobelpreises für Wirtschaft des Jahres 2016 haben einige Hilfe geleistet, um diesen Beitrag anzuerkennen.

Während Verträge normale Praxis sind, sind sie prinzipiell nicht einfach gestrickt. Sie werden vielleicht zu einem Zeitpunkt entworfen, an dem die Ziele der Interessenseigner variieren (das sogenannte „Problem der Geschäftsführung“). Beispielsweise wenn die Aktieninhaber den Gewinn eines Unternehmens maximieren wollen, während die Manager vielleicht durch Fusionen und Aufkäufe ein Imperium errichten möchten.

Es gibt auch einen Umstand namens „asymmetrische Information“, bei dem die Aktionen einer Gruppe aus Interessenseignern nicht sichtbar für andere Interessenseigner in der Firma ist. Jeder kann die Berichte über die Vermögenslage lesen, aber die Interessenseigner können nicht direkt sehen, wie viel Mühe die Manager investieren, um Gewinne zu erzielen.

Aktieninhaber können dennoch einen Vertrag mit den Führungskräften des Unternehmens eingehen, der die Manager dazu anspornt, den Interessen der Aktieninhabern entsprechend zu handeln. Die Bezahlung kann von den wahrnehmbaren Maßnahmen der Firmenleistung abhängig gemacht werden. Auf ähnliche Weise können vielleicht Anteile und Aktienrechte miteingeschlossen werden. Durch den Nobelpreis wird dem finnischen Professor Holmström vom Massachusetts Institute of Technology  seine Demonstration, wie Aktieninhaber einen optimalen Vertrag für einen Geschäftsführer entwickeln sollten, dessen Handlungen sie nicht völlig überwachen können, anerkannt.

Verträge können auch unvollständig sein. Es ist entweder nicht möglich oder zu teuer, Verträge zu schreiben, die alle möglichen zukünftigen Ausgänge berücksichtigen. Es ist genau diese Unvollständigkeit der Verträge, die eine Erkenntnis für die Unternehmensführung liefert. Das geht durch die Forschungen durch Hart, einem britischen Professor, der in Harvard arbeitet, hervor.

Der Kern aller Dinge

Man nehme zum Beispiel ein einfach auszuführendes Bezahlsystem in einer Firma, in der die Aktieninhaber die Firma besitzen, aber in der die Kontrolle beim Management liegt. Die Beziehung bietet gleichermaßen ein Unternehmensführungs-Problem sowie asymmetrische Informationen. Wie zuvor bereits erwähnt wurde, bestünde eine Option für die Aktieninhaber darin, einen Vertrag aufzusetzen, der die Vergütung des Managers von wahrnehmbaren Ergebnissen abhängig macht, wie etwa vom Umsatz oder von dem Gewinn.

Aber Gewinne können von Faktoren beeinflusst werden, die außerhalb der Kontrolle des Managers liegen und ein Vertrag, der alle Kombinationen der Bemühungen des Managers und der äußeren Faktoren berücksichtigt, ist ungültig. Manager arbeiten üblicherweise zusammen, daher wird es sich vermutlich als schwierig erweisen, die Ergebnisse auf eine einzige Person zurückzuführen. Man kann Verträge aufsetzen, die die Gruppe bestrafen, wenn ein Produkt scheitert oder wenn sich eine Fabrik als nicht effizient erweist. Aber Holmström argumentierte, dass die Ungewissheit über die Gründe eines solchen Scheiterns bedeuten würden, dass eine Überwachung notwendig ist und dass die damit verbundenen Kosten daher unvermeidbar wären.

Man könnte die Leistung von Managern im Gegensatz zu ihren Kollegen beurteilen, um über die Vergütung zu entscheiden (der Geschäftsführer eines Supermarktes würde sich wahrscheinlich darüber freuen, wenn die Verkäufe um 10 Prozent steigen würden, bei den Aktieninhabern wäre dies weniger der Fall, wenn es bei anderen Geschäften bis zu 12 Prozent wären). Aber diese Herangehensweise würde immer noch nur dann funktionieren, wenn man den Einfluss von äußeren Faktoren auf die Leistung der Manager erfolgreich beseitigen könnte.

In diesem Fall, in dem einfache Verträge nicht einfach zu entwerfen oder durchzusetzen sind, bedarf es eines Mechanismus‘ – einer Unternehmensführung – die sicherstellt, dass die Interessen der nicht am Management beteiligten Aktieninhaber nicht untermauert werden.  Hart sieht die Unternehmensführung als ein Mechanismus an, um Rechte über die Kontrolle des nicht-menschlichen Vermögens einer Firma zwischen den Interessensvertretern zu verteilen.

Der Kredit ist fällig

Eine interessante Folge dieser Perspektive der Geschäftsführung ist der Grundgedanke der Schulden. Angenommen, die Interessenseigner eines Unternehmens sind hauptsächlich interessiert an kurzfristigen Gewinnen, während die Manager ein bombastisches Konstrukt eines Imperiums, das private Vorteile und Nutzen bringt, bevorzugen. Jeglicher Vertrag, der versucht, ein solches Unterfangen zu thematisieren, ist wahrscheinlich unvollständig, unfähig, die Verantwortung für sämtliche Einflüsse auf die zukünftigen Gewinne des Unternehmens zu tragen.

Dies eröffnet Möglichkeiten für einen bedeutenden Streit zwischen den Aktieninhabern und den Managern bezüglich ihrer Vergütung. Manager werden vielleicht eher behaupten, dass es trotz ihrer besten Bemühungen zu geringen Gewinnen kam, als aufgrund ihrer geringen Anstrengungen oder ihres Urteilsvermögens.

Wie können Schulden in diesem Fall helfen? Ein Schuldvertrag kann den Gläubiger dazu befähigen, die Liquidität einer Firma durchzusetzen, wenn es seinen Zahlungspflichten nicht nachkommen kann. Wenn die Firma gute Leistungen erzielt und diesen Pflichten nachkommen kann, bleibt die Kontrolle über das Vermögen der Firma bei den Managern. Wenn die Firma jedoch nicht die gewünschten Leistungen erzielt und den Kreditgebern das Geld nicht zurückzahlen kann, kann sie aufgelöst werden. Zum Zeitpunkt der Liquidation, nachdem den Kreditgebern das Geld zurückgezahlt wurde, verfügen die Aktieninhaber über die restlichen (oder über die verbliebenen) Rechte über die Finanzen der Firma – die Manager haben kein Recht über die Finanzen mehr.

In anderen Worten, wo die Verträge zwischen Aktieninhabern und Managern unvollständig sind, können Schulden, aus welchem Grund diese auch immer aufgenommen werden, eine Koordinierung der Ziele erzwingen. In den Worten von Hart und Sanford J. Grossman: „Manager können den Verlust ihrer Position nur verhindern, indem sie produktiver sind.“ Produktive Manager sind genau das, was die Aktieninhaber wollen. Die Kapitalstruktur eines Unternehmens kann daher zugleich dazu verwendet werden, um Manager zu disziplinieren und dazu, um Außenstehenden (Gläubigern) einen Ansporn zu geben, diese Disziplin durchzusetzen. Hart und Grossman untersuchten auch, wie Kontrolle bezüglich der mit den Wahlrechten verbundenen Arbeit ausgeübt wird.

Holmström und Hart liefern nicht alle Antworten, um das Problem, das mit einer schwachen Unternehmensführung verbunden ist, zu lösen. Sie veranlassen uns dazu, über ein Unternehmen als einen Mikrokosmos der Gesellschaft nachzudenken, in dem Interessensvertreter mit verschiedenen Zielen um Macht und Kontrolle konkurrieren. Ihre Arbeit hat uns geholfen, uns von verallgemeinernden Regeln über Dinge wie finanzielle Strukturen und Bezahlung fortzubewegen und hat uns dazu geführt, den Fokus darauf zu legen, diese Verträge und Mechanismen funktionstüchtig zu machen. Das ist ein sich verändernder Beitrag für die Forschung über Unternehmensführung.

Dieser Artikel erschien zuerst auf „The Conversation“ unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image „gears“ by MustangJoe (CC0 Public Domain)


arbeitete nach seiner Promotion an verschiedenen Universitäten in Bulgarien, Deutschland, Indien und Großbritannien. Seit 2014 forscht er zum Thema Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Sheffield.


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