„Das Meme Journal“ – Journalismus mal anders

Wie bekommt man Nachrichten an den jungen Konsument? Karsten Schmehl und Duygu Gezen haben eine Idee: Das „Meme Journal“. // von Tobias Gillen

Memes im Journalismus

Der Journalismus hat ein großes Problem: Die jungen Leute. Denn die sind auf den herkömmlichen Wege, nämlich durch das Kaufen einer Printzeitung am Kiosk, kaum mehr für Nachrichten zu begeistern. Und auch der Altersschnitt der Tagesschau dürften kaum ein anderes Bild zeigen. Grund genug also, sich um die Zukunft von Nachrichten Gedanken zu machen und zu überlegen, wie man junge Menschen für wichtige News begeistern kann.

Die beiden Journalisten Karsten Schmehl (Hessischer Rundfunk) und Duygu Gezen (Radio Bremen) versuchen sich auf Twitter und Facebook mit dem „Das Meme Journal“ an einer Lösung: Nachrichten werden in lustige Meme-Bildchen gepackt und mit Link zu einer Nachrichtenquelle veröffentlicht. Im Gespräch spricht Karsten Schmehl über das Projekt, seinen Medienkonsum und den schmalen Grat zwischen harten News und albernen Memes.

Tobias Gillen: Wie kommt man auf die Idee, Nachrichten als Memes zu teilen?

Karsten Schmehl: Das liegt, glaube ich, einfach an meinem Job und daran, dass ich total gerne Dinge einfach mal mache und ausprobiere. Normalerweise arbeite ich beim Hessischen Rundfunk, bin da Volontär und wandere durch alle Abteilungen. Und wie das eben so ist in einer Rundfunkanstalt: Man kümmert sich eben um Nachrichten. Für jeden Fernseh- oder Nachrichtensender überlegt man sich dann, wie man diese Nachrichten am besten verteilt. Und für Online habe ich dann überlegt, welche Möglichkeiten es dort gibt und mir die Frage gestellt, was ich eigentlich den ganzen Tag so konsumiere.

Und?

Im sozialen Web stoße ich oft auf Seiten wie 9Gag oder Imgur. Und kam dann auf die Idee, dass ich eigentlich was mit Memes machen muss. Dann hab ich ein bisschen gesurft und gedacht: Kann es etwa sein, dass es noch keine Nachrichtenseite gibt, die regelmäßig was mit Memes macht? Und so kam es, dass ich das probieren wollte.

Das bedeutet, dass das Projekt schon widerspiegelt, was du regelmäßig konsumierst – als junger Mensch?

Ja, total! Ich würde schon sagen, dass unter den Seiten, die ich mehrmals oder am häufigsten am Tag nutze, eben genau diese Sachen wie 9Gag oder Imgur dabei sind. Also Seiten, wo man sich den ganzen Tag unterhalten lassen kann. Das ist tatäschlich was, wo ich sagen würde, dass das eine neue Art der Kommunikation ist. Und vielleicht eine, die wir als Journalisten noch nicht ausprobiert haben. Eine weitere Inspirationsquelle ist übrigens der Facebook-Account von Seiten wie „Circus Halligalli„. Da hat sich etabliert, dass die Macher in Memes auf Kommentare antworten, aber auch die Nutzer mit Reactionfaces darauf reagieren. Da wird teilweise gar kein Text mehr geschrieben, sondern man antwortet sich nur noch in Memes.

Tobias Gillen: Bei „Circus Halligalli“ und in der normalen Web-Kommunikation muss man eher weniger auf Seriosität achten. Ist das nicht ein Problem, da ihr ja auch leicht seriöse Nachrichten „veralbert“ mit dieser Form der Bebilderung?

Es ist auf jeden Fall eine Herausforderung, vor der wir stehen. Und genau da trennt sich so ein bisschen die Spreu vom Weizen, welche Nachrichten wir überhaupt machen können, haben wir festgestellt. Geteilt wird es natürlich eher, wenn es witzig ist. Auf der anderen Seite ist es aber auch der Anspruch, dass wir eigentlich harte News machen wollen. Hier haben wir uns aktuell noch ein großes Fragezeichen notiert und müssen einfach ausprobieren, inwiefern man richtig harte Nachrichten in die lustigen Bilder packen kann. Das ist so einer der Punkte, wo ich eigentlich lieber wieder „BETA“ vor das „Meme Journal“ schreiben würde. Vielleicht gibt es mal einen Post, der vielleicht mal zu ernst oder zu witzig ist. Da würde ich alle unsere Follower einfach um Feedback bitten.

Hast du ein Beispiel für eine Nachricht, die ihr lieber nicht gebracht habt?

Im Moment gibt es eher Nachrichten, wo man nicht auf den ersten Blick eine Punchline findet, die wirklich in ein Meme passt. Eine Erfahrung ist also, dass wir festgestellt haben, dass man nicht zu viel voraussetzen darf und die Nachricht wirklich in das Bild reinpassen muss. Wenn man den Gag nur verstehen würde, wenn man den Hintergrund zu dem Thema kennt, funktioniert das alles nicht. Momentan nehmen wir also nur Themen, die wir auf ein, maximal zwei Sätze kürzen können.

Ihr schickt immer die Links zu den Nachrichtenseiten mit. Der Hintergrund ist also schon der Klick auf die News-Seite.

Genau, das ist unsere Idee. Wir wollen trotz Unterhaltung durch die Memes den Leuten die Chance geben, dass sie sich den ganzen Text anschauen. Wenn sie die Punchline interessiert oder sie gecatcht hat, könnte sie ja auch der Text, der von einem guten Journalist geschrieben wurde, interessieren. Aktuell haben wir eine Klickrate von drei bis fünf Prozent. Ob das viel oder wenig ist, wird sich irgendwann mal zeigen.

Wie löst ihr das Problem, dass es auch sein kann, dass Leute nur das Meme konsumieren, aber nicht auf den Link klicken und sich fälschlicherweise trotzdem informiert fühlen?

Das würde ich im Moment gar nicht als Problem sehen. Denn alle die, die momentan die Memes konsumieren, haben wahrscheinlich auch noch ein paar andere Nachrichtenseiten in ihrem Twitter-Stream. Von daher glaube ich nicht, dass wir die Leute, die unseren Inhalt konsumieren, uninformiert zurück lassen. Da gibt es viele andere Quellen, über die sie sich informieren

Was sagen die Kollegen beim HR zu eurem Projekt?

Das kann ich noch gar nicht richtig sagen, das Projekt ist ja noch sehr jung. Bisher habe ich von Kollegen aus meiner öffentlich-rechtlichen Anstalt aber nur Schulterklopfen bekommen, dafür, dass wir Dinge ausprobieren in unserer Freizeit.

Wie viel Zeit investiert ihr in das „Meme Journal“?

Im Moment haben Duygu und ich so eine Art Facebook-Messenger-Dauerleitung, um die Themen abzusprechen. Ich kann es gar nicht in Stunden ausdrücken, wie viel es ist.

Funktioniert das, ein Projekt nur noch über die Netzwerke zu machen und gar keine eigene Seite mehr zu haben? Oder plant ihr, das auch auf eine eigene Website zu verlagern?

Am Anfang hatte ich ein Tumblr-Blog, wo alle Memes reingelaufen sind. Das sollte dann quasi aussehen wie eine richtige Nachrichtenseite, nur eben ohne Text. Aber im Moment stecken wir eigentlich alle Energie da rein, die Memes zu basteln. Es kam eigentlich aus dem puren Aktionismus, dass wir erstmal nur mit Facebook und Twitter gestartet sind.

Vielen Dank für das Gespräch.

war von 2012 bis 2015 Autor der Netzpiloten. Seither arbeitet er als Geschäftsführer von BASIC thinking, schreibt Bücher und pflanzt dadurch Bäume. Zudem hat er das Online-Magazin Finanzentdecker.de gegründet. Am besten ist er über Facebook, Twitter und Instagram zu erreichen.


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