Ticken Entrepreneure anders?

Was haben Entrepreneure, was andere Menschen nicht haben? Diese Frage fasziniert seit jeher die Finanzwelt und die Wissenschaft gleichermaßen. Was treibt jemanden an, völlig neue Wege zu gehen? Und wie schaffen es diese kreativen Denker, nicht nur neue Produkte auf den Markt zu bringen, sondern damit unsere Gesellschaft zu verändern?

Geschäftsmänner wollen Gewinne machen, Entrepreneure die Welt verändern

Entrepreneure ticken einfach anders. Das ist die einfache Antwort auf all diese Fragen. Dabei muss man zunächst den Entrepreneur, Gründer oder Unternehmer vom klassischen Geschäftsmann unterscheiden. Denn nicht jeder Mensch, der ein Unternehmen hat, ist auch automatisch ein Entrepreneur. Viele von ihnen sind schlicht und einfach Geschäftsleute. Ein Geschäftsmann will Geld verdienen. Ein Unternehmer dagegen möchte Dinge fundamental verändern. Während Manager etwa eine klare Zielvorgabe haben – nämlich Gewinne maximieren – definieren Unternehmer ihre Ziele selbst, in Form von vielen Möglichkeiten.

Unternehmerisches Denken vs. Geschäftssinn
Unternehmerisches Denken vs. Geschäftssinn via Effectuation.org (Quelle:Effectuation.org)

Diese Grafik zeigt, wie Entrepreneure sich von anderen Menschen unterscheiden. Sie denken nicht in Zielsetzungen, sondern in Problemstellungen. Wissenschaftler nennen dieses Mindset auch Effectuation.

Dieser Begriff ist vornehmlich von Saras D. Sarasvathys bahnbrechender Forschungsarbeit zum unternehmerischen Denken geprägt. Nach Sarasvathy wird den meisten von uns beigebracht, kausal-rational zu denken. Das bedeutet: Es gibt ein Ziel und verschiedene Wege, um zum Ziel zu gelangen. Wir lernen unser Leben lang, den optimalen – also den schnellsten, billigsten, effizientesten – Weg zum Ziel zu finden. Unternehmer wiederum ticken ganz anders. Sie werden oft von Idealismus angetrieben. Geldverdienen steht für sie oft erst an zweiter Stelle. Das erlaubt es ihnen auch, um die Ecke zu denken. Das ist es was Sarasvathy „Effectuation“ nennt. Die Society for Effectual Action definiert den Begriff folgendermaßen: „Effectuation ist eine Idee mit Zielstrebigkeit – ein Wunsch, durch die Schaffung von neuen Firmen, Produkten, Märkten, Dienstleistungen und Ideen, den Zustand der Welt und das Leben von Individuen zu verbessern.“

Vorsicht vorm Klischee „Entrepreneur“

Es braucht also einen ganz bestimmten Typ Mensch für solch unternehmerisches Denken. Effectuation ist dabei nicht alles, was einen Entrepreneur ausmacht. Studien haben gezeigt, dass Entrepreneure generell offener, selbstbewusster aber auch neurotischer sind als Otto Normalverbraucher.

Psychologischer Vergleich Entrepreneure vs. Angestellte.(Quelle: Barclays (PDF))
Psychologischer Vergleich Entrepreneure vs. Angestellte.(Quelle: Barclays (PDF))

Auch wenn es natürlich nicht DEN Entrepreneur gibt und Wissenschaftler immer wieder davor warnen, das Klischee des risikobereiten, kreativen, ehrgeizigen Unternehmers zu verbreiten, scheint es trotzdem etwas zu geben, das Forscher an Entrepreneuren fasziniert. Vielleicht liegt das gerade daran, dass Unternehmer anders denken, wir aber immer noch nicht ganz verstehen, warum. Das erklärt wahrscheinlich auch, warum es so viele oft auch widersprüchliche Studien zu diesem Thema gibt.

Neue Studie zeigt: Entrepreneure haben „kundschaftlerische Hartnäckigkeit“

Eine neue Studie der Universität Trier versucht, darauf neue Antworten zu geben. In ihrer Arbeit legen die Forscher nahe, dass es grundlegende psychologische Unterschiede zwischen Entrepreneuren und anderen Menschen gibt. In einem Experiment mit knapp 450 Teilnehmern konnten sie feststellen, dass Gründern so etwas wie eine kundschaflterische Hartnäckigkeit inneliegt. Die Forscher nennen dies „exploratory perseverence“ und meinen damit eine grundlegende Offenheit beim Treffen von Entscheidungen. Diese „exploratory perserverence“ ist nach Meinung der Forscher eine grundlegende Eigenschaft von Unternehmern.

In ihrem Versuch zeigen die Wissenschaftler, dass Entrepreneure ihre ganz eigene Art haben, Entscheidungen zu treffen. Das gilt nicht nur für Geschäftsentscheidungen, sondern grundsätzlich. Damit zeigen die Forscher, dass Entrepreneure tatsächlich psychologisch anders gestrickt sind.

Zunächst brauchen sie oft viel länger, um sich zu entscheiden. Das liegt daran, dass Unternehmer gerne erst alle Fakten, Statistiken und Informationen sehen und abwägen möchten, bevor sie einen bestimmten Weg einschlagen. Gleichzeitig ist ihnen dabei auch klar, dass jede Entscheidung auch schief gehen kann. Der Studie nach haben Unternehmer für Fehlentscheidungen eine höhere Toleranz als andere Menschen. Das liegt laut Forschungsteam auch daran, dass Entrepreneure dieses Scheitern eher als Lernprozess begreifen und sie auch daraus wertvolle Informationen für zukünftige Geschäftsentscheidungen ziehen können.

So waren die Unternehmer in der Studie bereit, auch offensichtlich fehlerhafte Entscheidungen länger zu verfolgen. Während also ein typischer Mensch bei einer Fehlentscheidung schnell einen neuen Kurs einschlägt, warten Entrepreneure länger ab und schauen, wohin dieser fehlerhafte Kurs eigentlich führt.

Ein weiteres interessantes Ergebnis der Studie: Entrepreneure haben oft das Gesamtbild im Kopf. Sie denken bei Lösungswegen eher parallel als linear. Das heißt: Wenn es eine Auswahl an mehreren Optionen gibt, sind Unternehmer eher bereit, mehrere dieser Optionen zu betrachten und sie dabei auch immer wieder aus neuen Blickwinkeln zu prüfen. Denn es könnte ja sein, dass ihnen beim ersten Mal etwas entgangen ist. So sind Entrepreneure auch eher bereit, gescheiterten Ideen eine zweite Chance zu geben.

Auch wenn es also keinen typischen Entrepreneur gibt, Gründer ticken offensichtlich anders. Ihre Form zu denken ist nicht geradlinig und selten nur an finanziellen Ergebnissen orientiert. Sie sind im Grunde Idealisten mit einem riesigen Tatendrang. Während es also in vorigen Jahrhunderten oft die Entdecker waren, die uns neue Wege aufzeigten, sind vielleicht die Entrepreneure die Weltveränderer des 21. Jahrhunderts.


Image „Lissabon“ by stefy89 (CC0 Public Domain)


begann ihren journalistischen Werdegang bei kleinen Lokalzeitungen und arbeitete dann während ihres Studiums als Reporterin für den Universitätsradiosender. Ihr Volontariat machte sie bei Radio Jade in Wilhelmshaven. Seit 2010 hat sie ihren Rucksack gepackt und bereist seitdem rastlos die Welt – und berichtet als freie Journalistin darüber. Über alle „inoffiziellen“ Geschichten schreibt sie in ihrem eigenen Blog fest. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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