Car-to-X: Wie durch Vernetzung unsere Autos smarter werden

Das Internet der Dinge hält in immer mehr Lebensbereichen Einzug. Während es im Smart Home vor allem den Komfortfaktor erhöht, kann es auf der Straße Zeit und Feinstaub sparen oder sogar Leben retten. Immer mehr neue Kraftfahrzeuge sind mit dem Car-to-X-Feature ausgestattet und stellen die Weiche für den vernetzten Straßenverkehr. Doch was ist damit aktuell möglich und worauf können wir uns in Zukunft freuen? Ich habe mir den Stand der Technik genauer angeschaut.

Die richtige Kommunikation ist alles

Unsere Autos werden immer intelligenter. Das liegt nicht nur an der Vielzahl an Sensoren, Kameras und Algorithmen, sondern auch an der Vernetzung mit anderen Verkehrsteilnehmern. Dabei hat die Entwicklung des neuen Mobilfunkstandards 5G einen entscheidenden Einfluss. Er erlaubt erst die nahezu latenzfreie Kommunikation der verschiedenen Fahrzeuge untereinander und mit der Infrastruktur wie Ampeln und Co. Autos können so schnell und verzögerungsfrei große Datenpakete hin und her senden. Mobilfunkantenne und Simkarte sind deshalb in den neuesten Modellen nicht mehr wegzudenken.

Besonders weit sind die Premium-Hersteller wie etwa Audi oder Mercedes-Benz. Daimler hat in den letzten Jahren ein smartes Kartensystem an den Start gebracht, um andere Verkehrsteilnehmer zu warnen. Die Fahrzeugsensorik ist so intelligent, dass sie etwa erkennt, wenn ein Fahrzeug auf winterglatter Fahrbahn rutscht. Sofort sendet das Fahrzeug die Informationen an einen herstellereigenen Server, der wiederum diese Information auf das Navigationsgerät der anderen Fahrzeuge ausspielt. Entsteht ein Stau, warnt das System in Echtzeit andere Verkehrsteilnehmer. Auch die Kommunikation mit Rettungswagen und Feuerwehr-Fahrzeugen ist möglich.

Reiten auf der grünen Welle

Auch Audi tüftelt am vernetzten Auto der Zukunft. Die ersten Entwicklungen lassen sich bereits in ausgewählten Städten testen. Mit dem Dienst “Ampelinformation” etwa gibt der Ingolstädter Hersteller ein spannendes Feature an die Hand, welches die Effizienz im Straßenverkehr verbessern soll. Das Fahrzeug kommuniziert mit den Lichtanlagen an Kreuzungen und zeigt im Virtual Cockpit an, wann sie auf grün schalten. Einmal in Fahrt errechnet der Bordcomputer mit welcher Geschwindigkeit die grüne Welle erreicht wird. Sinnloses Bremsen und Beschleunigen könnte somit bald der Vergangenheit angehören.

Volkswagen dagegen verzichtet beim neuen Golf 8 auf das 5G-Modul, sondern setzt auf den neuesten WLAN-Standard IEEE 802.11p. Der reicht bis zu 800 Meter auf dem Land und ermöglicht die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander. Damit ist der Hersteller unabhängig von Netzabdeckungen und kann auf den Betrieb eines dedizierten Servers verzichten. Möglich ist damit etwa das Warnen vor Pannenfahrzeugen, Stauenden und Unfällen. In naher Zukunft erkennen die Serienfahrzeuge auch Fußgänger und Radfahrer und warnen andere Verkehrsteilnehmer.

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Ferner bietet der bayrische Automobil- und Motorrad-Hersteller BMW in seinem Zusatzpaket Connected Package Plus die sogenannte “Real Time Traffic Information” an. In einem Abo-Modell erhält der Fahrende zusätzliche Verkehrs-Infos, wie etwa auch zu nahendem Querverkehr, um Zusammenstöße zu vermeiden.

Der gemeinsame Standard fehlt

Das alles hilft natürlich nichts, wenn sich nur die Fahrzeuge eines Herstellers untereinander verstehen. Zwar finden sich immer mehr Konzerne in Allianzen zusammen, allerdings gibt es noch keinen globalen Standard zwischen allen Unternehmen. Einer der Bündnisse besteht aus den Herstellern BMW, Daimler, Ford und Volvo nutzt die Kartendaten von Here und TomTom. Alle Verkehrs-Informationen senden die Fahrzeuge in Zukunft auf einen “neutralen” Server, der die Zwischenfälle in Echtzeit auf die Navigationsgeräte ausspielt.

Volkswagen geht gemeinsam mit global agierenden Herstellern wie unter anderem GM, Toyota, Renault, Honda und Hyundai einen anderen Weg. Sie forcieren die Entwicklung eines Standards zur direkten Kommunikation der Kraftfahrzeuge untereinander. Das erscheint hinsichtlich des aktuellen Netzausbaus deutlich sinnvoller als der Einsatz eines 5G-Sendemoduls. Bleibt zu hoffen, dass auch die anderen Automobilhersteller die Dringlichkeit der Lage erkennen und entsprechende Systeme in ihre Fahrzeuge integrieren.

Marktdurchdringung und individuelle Signaturen notwendig

Das System steht und fällt mit der Anzahl der ausgerüsteten Fahrzeuge. Ein sicherheitsfördernder Effekt soll laut Experten erst ab einer Anzahl von 10 bis 15 Prozent der am Verkehr teilnehmenden Automobile sichtbar sein. Von den laut Kraftfahrtbundesamt aktuell rund 48 Millionen zugelassenen Fahrzeuge wären das 4,8 bis 7,2 Millionen Exemplare. Das dauert. Deshalb sind Nachrüstkits für alte Pkw zwingend notwendig. Selbst mit einer gesetzlichen Verpflichtung für die Automobilhersteller wären nach 10 Jahren gerade einmal 70 Prozent der Fahrzeuge mit der neuen Technologie ausgestattet. Keine technologischen Helferlein sind jedoch für Fahrradfahrer und Fußgänger geplant. Sie schauen weiter in die Röhre, obwohl die Entwicklung eines kleinen, smarten Navigationssystems für diese gefährdeten Teilnehmer notwendig wäre.

Ferner bemängeln Kritiker die geringe Fälschungssicherheit der gesendeten Signale. Wie auch im Datenverkehr müssten die Pakete Signaturen besitzen, um die Echtheit verifizieren zu können. Gleichzeitig muss aus Datenschutzgründen die Anonymität gewahrt bleiben. Ordnungsbehörden könnten problemlos Tempo- und Rotlichtverstöße im Nachhinein ahnden. Nicht zuletzt besteht die Möglichkeit, dass Hacker mittels gefälschter Datenpakete Schadsoftware in die Fahrzeugelektronik einschleusen. Hinsichtlich der zunehmenden Autonomie unserer Automobile eine lebensgefährliche Utopie.

Fazit Car-to-X: Die automobile Vernetzung rückt näher

Aufgrund der Corona-Pandemie gab es in 2020 so wenige Auto-Unfälle wie seit Jahren nicht. Mithilfe der Car-to-X-Kommunikation könnte dieser Trend auch in die Zeit nach der Reisebeschränkung hinein transportiert werden. Intelligente Sensoren, smarte Algorithmen und eine schnelle Kommunikation der Fahrzeuge untereinander verhindern brenzliche Situationen und sorgen für zusätzliche Sicherheit.

Allerdings sprechen die Modelle der Hersteller nur ihre eigene Sprache. Ein gemeinsamer Standard fehlt bislang. Zudem gehen bis zur notwendigen Marktdurchdringung Jahrzehnte ins Land. Auch die aufkommenden Sicherheitsbedenken sollten von den Herstellern ernst genommen werden. Schlussendlich ist der digitale Fortschritt jedoch nicht aufzuhalten. Es ist nur eine Frage der Zeit bis uns unsere Fahrzeuge sicher durch aufkommende Gefahrensituationen leiten werden. Eine Vielzahl an Menschenleben werden es danken.


Teaser by Daimler

arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Chemnitz und erforscht unter anderem 3D-Druckverfahren. Die technische Vorschädigung tut dem Interesse zum mobilen Zeitgeschehen und der Liebe zur Sprache jedoch keinen Abbruch – im Gegenteil. Durch die Techsite HTC Inside ist er zum Bloggen gekommen. Zwischendurch war er auch für das Android Magazin aktiv. Privat schreibt er auf jonas-haller.de über die Dinge, die das Leben bunter machen. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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