#US2016: Online-Kommunikation im Vorwahlkampf

Die Kampagnen, mit denen sich die Bewerber um die US-Präsidentschaft in Stellung bringen, sind immer auch Leistungsschauen anderer Art: Dabei konkurrieren Online-Formate um die Gunst des Publikums respektive der Polit-Strategen. Noch bevor der Vorwahlkampf began, wurde mobiles Livestreaming als ein relevantes Instrument identifiziert. Aktuell ist nun der Foto-/Video-Messenger “Snapchat” angesagt. Laut New York Times ist die Killer-Anwendung aber das schnöde Texting, während sich beim Clinton-Konkurrenten Sanders die Unterstützer unter anderem via Reddit selbst organisieren.

Seit Bürger breiten Zugang zur Online-Kommunikation haben, hat jeder Wahlkampf um die US-Präsidentschaft ein entsprechendes Lieblings-Tool hervorgebracht, dem die Kampagnen-Macher jeweils das Potenzial zum Game Changer attestieren. Der Vorwahlkampf für die Wahl 2016 hatte noch nicht richtig begonnen, da spekulierte der ehemalige Obama-Berater Dan Pfeiffer: “If 2004 was about Meetup, 2008 was about Facebook, and 2012 was about Twitter, 2016 is going to be about Meerkat (or something just like it).” Eine besondere investigative Relevanz konnte das mobile Livestreaming bislang jedenfalls noch nicht entfalten. Vielleicht auch deswegen, weil der Bewerber um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, Donald Trump, seine kontroversen Sprüche sowieso vor dem größtmöglichen Publikum von sich gibt und dafür von der Partei-Basis auch noch Zustimmung erhält.

Post-TV-Kanal für junge Zielgruppen

Ebenso früh brachte sich Snapchat ins Gespräch, als im April ein CNN-Reporter für redaktionelle Inhalte, die in der App unter dem Titel “Discover” verfügbar sind, engagiert wurde. Hinzu kam eine Polit-Marketing-Fachkraft von Google. Nun gehört es auch für die Kandidaten zum guten Ton, sich dort mit eigenen Profilen zu präsentieren. Es kann aber auch Werbung in spezifischen Formaten geschaltet werden. Snapchat selbst positioniert sich als “best way to reach 13 to 34-year-olds”. Insofern ist das Engagement der Kampagne von Hillary Clinton dort folgerichtig: Zu ihren inhaltlichen Schwerpunkten gehört derzeit die Gebührenfreiheit von Community Colleges, die sie auch in anderen sozialen Medien zielgruppenspezifisch zum Beispiel mit einer Emoji-Umfrage kommuniziert. Clinton begründet ihre Affinität zu Snapchat schließlich noch ganz anders: In einem offiziell bei Twitter verbreiteten Video merkt sie an, ihr käme es ganz gelegen, dass die Botschaften nach kurzer Zeit wieder verschwinden würden. Damit nimmt sie Bezug darauf, dass sie während ihrer Amtszeit als Außenministerin auch dienstlich über einen privaten E-Mail-Account kommuniziert hat und inzwischen sogar dem FBI den Server übergeben hat.

Wired weist jedoch darauf hin, dass die Rede von der “Snapchat-Election” verfrüht sei. Denn der Dienst ist bislang die Antithese zu Plattformen wie Facebook, die durch die Bereitstellung von Nutzer-Daten den Kampagnen eine punktgenaue Ansprache spezifischer Zielgruppen entlang diverser Parameter (“Targeting”) ermöglichen.

Die Alternativen: Texting – Reddit – Open Source

Die New York Times diagnostiziert gar die Renaissance von Text-Botschaften “The killer app for the 2016 presidential campaign is not an app at all. It is not even new. Texting – that 1990s-vintage technology – has suddenly become a go-to vehicle for presidential campaigns when they need to get a message out as widely and quickly as possible, and with confidence that it will be read.” In dieser Perspektive gehen Kurzmitteilungen, vor allem weniger als andere Formate in der alltäglichen Informationsflut unter. Auch hier liefert die Clinton-Kampagne ein kreatives Anwendungsbeispiel: Wer auf eine ihrer Kurzmitteilungen mit “HEAR” antwortete, erhielt einen automatischen Anruf mit der Wiedergabe eines Fauxpas des Republikaners Jeb Bush.

Die Konkurrenz für Hillary im eigenen Lager rückt unterdessen übrigens die Relevanz von Online-Kommunikation für die Selbstorganisation der Kampagnen in den Fokus. Der parteilose Senator Bernie Sanders mobilisiert die Massen unter anderem mit einer Präsenz seiner Unterstützer bei Reddit, wie Politico in einer Reportage über den “Summer of Sanders” und die “Sander-istas” anerkennend berichtet. Und dann ist da noch der Urheberrechtsexperte und Anti-Korruptions-Aktivist Lawrence Lessig, der als “referendum president” kandidieren könnte. Er proklamiert hinsichtlich eigener Software und kreativer Inhalte schon mal “The First Open Source Presidential Campaign”.


Image (adapted) „Clinton Rally 109“ by Keith Kissel (CC BY 2.0)


 

ist Politikwissenschaftler und zu seinen Schwerpunkten zählen Erinnerungskultur 2.0, Netzpolitik und politische Online-Kommunikation. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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