Führen im digitalen Zeitalter (Image by Gunnar Sohn)

Zufallsgenerator fürs digitale Management

Manager führen disziplinarisch – Leader haben Follower. So hat Harald Schirmer von Continental beim ersten Digital Leadership Summit in Köln die Polarität in der deutschen Wirtschaft zugespitzt. Dabei geht es nicht um die Frage „Wer hat den Größten“. Schirmer verortet eher Spannungsfelder im Top-Management. Führungskräfte agieren zwischen den Optionen Hierarchie-Netzwerk, Kontrolle-Vertrauen, Regeln-Handlung, Sicherheit-Transparenz.

Generaldirektoren meiden Transparenz und lieben Kontrolle

Wobei die meisten Manager im Generaldirektoren-Modus eher zu Hierarchie, Kontrolle, Regeln und Sicherheit neigen, auch wenn sie in der Öffentlichkeit das Gegenteil behaupten – etwa jener Zeitgenosse, der seine Karriere als CEO minutiös plant und künftig einen großen Sportartikel-Hersteller kommandiert. Stoßen solche Zeitgenossen auf die Realitäten der digitalen Sphäre, werden ihre Schwächen sichtbar.

Harald Schirmer erwähnte die Furcht eines Wirtschaftskapitäns, in einem Corporate Blog sichtbar zu werden. Das führe unter Umständen zu einer Flut von unangenehmen Kommentaren, die man nicht mehr steuern könne. Schreiben die Steuermänner des Top-Managements dann irgendetwas ins Netz, geschieht das genaue Gegenteil. Niemand interessiert sich für das über drei oder vier Kontrollstufen autorisierte Manager-Sprech. Fehlanzeige bei Blog-Kommentaren, Fehlanzeige bei Tweets oder Teilungen auf Facebook.

Der Kaiser ist nackt

Die Wichtigtuer der Deutschland AG, die sich über Seilschaften nach oben gearbeitet haben, stehen auf einmal in Konkurrenz zu den Normalos des Netzes. Sie sind nur noch ein Kaiser ohne Kleider. Insofern ist die Furcht vor dem Kontrollverlust in der digitalen Sphäre verständlich. Erfolgreiche Topmanager leben von Illusion des allwissenden Tatmenschen. Wer die Hosen runterlässt, macht sich verzichtbar. Schnell wird klar, wie wenig Können vorhanden ist.

Manager im Glücksmodus

Viele Protagonisten waren meist nur zur rechten Zeit am rechten Ort, so der Verhaltensforscher Chengwei Liu im Interview mit dem Harvard Business Management-Magazin:

Wir haben eine romantische Vorstellung von Anführern und denken, dass das Wohl der gesamten Gruppe, des gesamten Unternehmens oder gar der Nation von ihnen abhängt. Das tut es nicht. Forschungen zeigen, dass die Ernennung von CEOs den Erfolg von Unternehmen viel weniger beeinflusst, als die Finanzmärkte anfangs glauben. Topmanager können einfach nicht so viel ausrichten, wie wir es gern hätten.

CEOs per Losentscheid wählen

Chefs sollten daher per Zufallsverfahren ausgewählt werden, schlägt Liu vor. Anführer im antiken Griechenland wurden per Losentscheid rekrutiert.

Vieles weise darauf hin, dass dies auch für Unternehmen sinnvoll wäre. Zufallsmechanismen würden zu besseren Ergebnissen führen. Ein derartiges Vorgehen werde als fairer wahrgenommen, es kann Korruption verhindern und zu mehr Stabilität führen.

Unternehmen sollten zudem bedenken: Wer hochrangige Führungskräfte über die pseudo-rationale Bewertung von Leistung bestimmt, schafft Interessenkonflikte:
„Es kommt zu politischen Spielen. Die Bewerber arbeiten gegeneinander, um hervorzustechen, und schaden so dem Unternehmen. Ein Losentscheid macht dies überflüssig. Weil die Manager auf der höchsten Ebene ohnehin alle gleich gut qualifiziert sind, kann dies tatsächlich die beste Wahl sein“
, resümiert Liu.

Das Notiz-Amt hält das für einen klugen Ratschlag.


Image by Gunnar Sohn


ist Diplom-Volkswirt, lebt in Bonn und ist Wirtschaftsjournalist, Kolumnist, Moderator und Blogger. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , , , , , ,

1 comment

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert