didacta 2018: Mit Touchscreen statt Tafelbild in die Berufswelt von morgen

In der digitalisierten Berufswelt von heute, morgen und übermorgen kommen Schulabsolventen mit statischem Faktenwissen allein nicht weiter. Bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben Berufseinsteiger, die stattdessen wissen, wie sie mithilfe digitaler Tools und kreativer Herangehensweisen immer wieder neue Herausforderungen meistern. Wie Lehrer durch den Einsatz digitaler Kreativ-Tools die Problemlösungskompetenz des Nachwuchses fördern, ist daher ein großer Schwerpunkt auf der Bildungsmesse didacta 2018, die von heute bis zum 24. Februar in Hannover stattfindet.

Das Interesse an diesem Thema ist unter Lehrern anhaltend groß. Denn obwohl Lehrpläne und Schulbudgets vielerorts noch auf die ‚analoge‘ Unterrichtsgestaltung programmiert sind, suchen 8 von 10 Lehrern trotzdem nach Wegen, mehr Kreativtechniken und digitale Tools in den Unterricht zu integrieren. Dies ergibt die Studie „Kreative Problemlösungstechniken in Schulen“ von Adobe, die auf der didacta 2018 vorgestellt wird.

Realschullehrer Eyk Franz unterrichtet an der Waldschule Hatten in Niedersachsen Erdkunde, Geschichte und Sport immer öfter auch mithilfe digitaler Tools und Unterrichtsmedien. Am Adobe-Stand auf der didacta 2018 vermittelt der 51-Jährige in Tablet-Workshops, wie Lehrer in „Mikro-Fortbildungen“ mit digitalem Storytelling und Erklärvideos ihren Unterricht bereichern können. Er ist überzeugt: Nicht nur Schüler, auch Lehrer müssen sich noch stärker für die digitalisierte Berufswelt öffnen.

Netzpiloten (NP): Herr Franz, was können Sie Ihren Schülern am Touchscreen besser vermitteln als an der Tafel?

Eyk Franz (EF): Wenn ich sehe, dass viele Schüler per Social Media sich Wissen aneignen und dieses weitergeben, dann fällt mir oft auf: Es werden dort genau die gleichen Inhalte verhandelt wie in der Schule, aber eben auf viel ansprechendere und bleibende Weise. Die Brücke zu dieser Lebensrealität müssen wir als Lehrer schlagen. Diese Art von eigenverantwortlicher, kreativer Wissensaufbereitung wird auch in vielen heutigen Berufsbildern gefordert. Wollen wir Schüler darauf vorbereiten, und das ist schließlich unser Auftrag, dann können wir als Lehrer sie nicht weiterhin nur von der Tafel abschreiben lassen. Außerdem entfesselt dieser Ansatz das Potenzial mancher Schüler auf eine Weise, wie es andere Unterrichtsmethoden nicht können.

Eyk Franz didacta 2018
Realschullehrer Eyk Franz erklärt auf der didacta 2018, wie er mit Adobe Spark und andere Tablet-Apps die Kreativität seiner Schüler fördert. Image by Berti Kolbow-Lehradt
NP: Können Sie ein Beispiel für die kreative Arbeit mit digitalen Tools im Unterricht nennen?

EF: Nehmen wir ein Beispiel aus dem Geschichtsunterricht. Aufgabe der Schüler war es, auf multimediale Weise die Lebensumstände der Menschen während der Industrialisierung darzustellen. Eine Schülerin, die im Unterricht generell sehr zurückhaltend war, ist bei dieser Aufgabe geradezu kreativ explodiert. Sie hatte sich in der Video-Messaging-App einen Avatar erstellt, sich darin auf dem Borsigplatz in Dortmund gefilmt und mit Ruhrpott-Mundart aus der Sicht eines fiktiven Zeitzeugen über die Entstehung der Eisenbahn und der Stahlindustrie berichtet.

Der Avatar hat sie gleichzeitig geschützt und dazu ermutigt, aus sich herauszugehen. Das war für mich als Pädagoge eine beeindruckende Erfahrung. Virtuelle und reale Elemente in Erklärvideos und Webpräsentationen zu verbinden, ist für mich seitdem ein Paradigmenwechsel in der Unterrichtsgestaltung.

NP: Auf animierte Videos und Webpräsentationen gehen Sie auch in Tablet-Workshops ein, die sie auf der didacta 2018 am Adobe-Stand anbieten. Für welchen Unterrichtsstoff eignen sich diese Formate?

EF: Es gibt viele Anwendungsszenarien. Beispielsweise erstellen Schüler im Erdkundeunterricht mithilfe der Storytelling-App Adobe Spark animierte Videoclips, um sich auf kreative Weise mit dem aus geographischen Gründen für sie sehr abstrakten Thema Regenwald auseinanderzusetzen. Dabei filmen sich die Mädchen und Jungen vor einer grünen Leinwand, in die später mit einer zusätzlichen App eine Regenwaldkulisse digital hineinkopiert wird.

Mithilfe ihres eigenen Wissens zum Thema beschreiben die Schüler vor dem „Greenscreen“, was sie selbst oder der Betrachter der Filmaufnahmen in der Regenwaldkulisse sieht. Die Aufnahmen dienen als Basis für die Spark-Videoclips und werden durch Screenshots und Texteinblendungen ergänzt. Am Ende des Clips stellen die Schülerinnen und Schüler den Betrachtern Fragen zum Thema, die andere Schülergruppen beantworten. Auf diese Weise vertiefen die Schüler gegenseitig das Wissen zum Unterrichtsstoff.

Im Sportunterricht helfen Videoaufnahmen dabei, dass Schüler ihre Technik beim Hürdenlauf verbessern. Mit einer Kamera- und Videoschnitt-App wie Adobe Premiere Clip nehmen sich die Schüler gegenseitig auf und werten die Bewegungsabläufe aus. In anderen Fällen ermöglichen Apps für Bildretusche und Bildmontage wie Adobe Photoshop Fix und Adobe Photoshop Mix Schülern einen Eindruck davon, wie durch Bildmanipulation „Fake News“ entstehen können.

NP: Warum nutzen nicht alle Lehrer längst diese neuen Möglichkeiten?

EF: Es stimmt, dass viele Lehrpläne im Kern sich noch an „analoger“ Unterrichtsgestaltung orientieren. Das begünstigt die digitale Bildung natürlich nicht. Außerdem ist die Ausstattungslage in den Bundesländern sehr heterogen, je nachdem wie viel die Schulträger sich leisten können. Daher gibt es an manchen Schulen, wie die, an der ich unterrichte, mehrere „Tablet-Klassen“. Dann haben alle Schüler jederzeit ein Gerät zur Verfügung. Und dann gibt es Regionen, wo sich Schulen freuen, wenn eine Handvoll PC und LAN-Kabel installiert sind. Dabei muss der Einsatz digitaler Tools nicht teuer sein. Alle von mir im Unterricht verwendeten Apps sind kostenlos nutzbar. Ungeachtet dieser Hindernisse sehe ich aber auch, dass einige Lehrer unbegründete Vorbehalte gegenüber dem Einsatz digitaler Unterrichtsmedien haben.

NP: Welche Vorbehalte in der Lehrerschaft sehen Sie?

EF: Das ist sehr unterschiedlich. In manchen Fällen befürchten Lehrer, sie müssten künftig einen großen Teil ihrer Vorbereitungszeit auf das Produzieren von Erklärvideos verwenden. Das ist natürlich ein Missverständnis. Schließlich sollen die Schüler zu Produzenten werden, während Lehrer lediglich in der Lage sein sollten, sie dazu anzuleiten. Außerdem möchte ich Lehrer ermutigen, sich nicht davor zu scheuen, ihre digital erstellten Unterrichtsmedien zum Beispiel auf Schulservern zu teilen und dabei auch Fehler zu machen. Die Furcht vor Kritik ist unbegründet. Diese Art von Authentizität ist genau das, was Schüler wollen. Zu guter Letzt ist ein Teil der Skepsis in der Lehrerschaft auch auf die negative Signalwirkung zurückzuführen, die durch den falschen Einsatz von digitalen Medien ausgeht.

NP: Was meinen Sie mit „dem falschen Einsatz von digitalen Medien“?

EF: Damit meine ich eine Art Ersatzhandlung. Ein Beispiel ist das Instrument des Lückentextes, in dem Schüler fehlende Begriffe ergänzen müssen, um ihr Wissen zu prüfen. Statt diesen Text, wie früher, auszudrucken, schicken manche Lehrer Schülern den Lückentext als Datei zu, damit sie ihn am Tablet ausfüllen. Das ist für mich Humbug. Denn dabei entsteht kein Lerneffekt, der Problemlösungskompetenzen schult.

Kreativität setzen wir mithilfe digitaler Tools nur frei, wenn Schüler erworbenes Wissen eigenverantwortlich umsetzen. Und zwar in einer für den Empfänger angemessenen Form. Das ist ja das Szenario, dem Schüler in ihrem späteren Berufsleben begegnen.

Weitere Informationen zu den Workshops von Eyk Franz auf der didacta und sind hier zu finden.

Dieser Beitrag zur didacta 2018 entstand in Zusammenarbeit mit Adobe.


Images by Berti Kolbow-Lehradt


ist Freier Technikjournalist. Für die Netzpiloten befasst er sich mit vielen Aspekten rund ums Digitale. Dazu gehören das Smart Home, die Fotografie, Smartphones, die Apple-Welt sowie weitere Bereiche der Consumer Electronics und IT. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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