Wie die Digitalisierung beim Kampf gegen die Plastikverschmutzung hilft

Die weltweite Verwendung von Kunststoffen nimmt ständig zu, und damit auch die Menge an Mikro- und Makroplastik, die in die Umwelt gelangt. Die mit Abstand größten Verschmutzungen finden sich in den Gewässern des Planeten und hier wiederum hauptsächlich in den Meeren. Dementsprechend sind auch die Auswirkungen hier am deutlichsten spürbar: Das maritime Ökosystem, die Meerestier und die Pflanzen sind in akuter Gefahr. Die Digitalisierung allerdings mit ihrem Nachhaltigkeitspotenzial kann beim Kampf gegen die Plastikverschmutzung auf unterschiedliche Weise helfen.

Plastik in unserer Umwelt

Die Verwendung von Plastik nimmt seit vielen Jahren und Jahrzehnten ständig zu. Wurden im Jahr 1976 beispielsweise noch nur 50 Millionen Tonnen Plastik weltweit produziert, waren es im Jahr 2002 schon ganze 200 Millionen Tonnen. Nicht einmal zwanzig Jahre später, im Jahr 2020 waren es 367 Millionen Tonnen – also fast doppelt so viel. Geht der Trend so weiter, nimmt die Flut an Plastikmüll, der aus der Nutzung von Plastikprodukten in der Umwelt landet ebenfalls zu.

Das größte Problem stellt dabei mit Abstand das Plastik, bzw. der Plastikmüll in den Meeren dar. Der Hauptweg, über den Plastik ins Meer gelangt, sind Flüsse, die als „Autobahnen“ für den Transport von Plastik vom Land ins Meer fungieren. Es wird geschätzt, dass rund achtzig Prozent aller Kunststoffabfälle im Meer vom Land stammen. Diese Schätzung legt gleichzeitig nahe, dass die Flüsse der Schlüssel zur Lösung des immer dringlicheren Problems der Plastikverschmutzung der Meere sind. Mit Hilfe der künstlichen Intelligenz ist man bereits heute in der Lage, Lösungsansätze dafür zu entwickeln. Doch dazu an späterer Stelle mehr.

Zunächst gilt die Frage zu klären: Warum ist es eigentlich so wichtig, die Plastikverschmutzung möglichst schnell und effektiv zu bekämpfen?

Das große Problem ist, dass der Plastikmüll nicht vollständig abgebaut werden kann. Er zerfällt zwar in den Meeren teilweise, aber nicht ganz. Plastikstücke unterschiedlichster Größe gelangen in die Mägen von Fischen, Muscheln, Seevögeln und anderen Meerestieren und können diese töten. Die Tiere, die überleben, landen mitunter später auf Tellern der Restaurants weltweit und damit kehrt das Plastik zu uns zurück – nur eben dieses Mal in unseren eigenen Körper.

Welche weiteren verheerenden Folgen die riesige Menge an Mikroplastik in den Meeren hat, kann heute noch gar nicht abgeschätzt werden. Doch auch die Politik ist sich der dramatischen Lage zumindest bewusst und ergreift teilweise Initiative.

Plastikmüll in Form von leeren Flaschen auf einem Strandabschnitt.
Die Plastikverschmutzung an Stränden ist teils immens. Doch auch im Meer selbst ist die Lage dramatisch. Bild: stock.adobe.com ©marina_larina

Wie die Politik vorgeht

Die UNO beschloss Anfang 2022 vereint gegen den Plastikmüll und die Plastikverschmutzung weltweit vorzugehen und einen Vertrag auf den Weg zu bringen. Das international rechtsverbindliche Übereinkommen soll bis 2024 verabschiedet werden und sich „mit dem gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen, einschließlich ihrer Herstellung, Gestaltung und Entsorgung“ beschäftigen. Über den Vertrag wurde auf der fünften Tagung der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA-5) verhandelt, die Anfang des Jahres stattfand.

Im Rahmen der UNEA wurde neben zahlreichen weiteren Initiativen auch der „Action Plan for a Sustainable Planet in the Digital Age“, also der Aktionsplan für einen nachhaltigen Planeten im digitalen Zeitalter vorgestellt. Dieser soll laut dem mitverfassenden UBA internationale Visionen und einen Zeitplan enthalten, „um den digitalen Wandel für die UN-Nachhaltigkeitsziele weltweit nutzbar zu machen. Unter anderem gehe es darum, Digitalisierung und Nachhaltigkeit gemeinsam zu gestalten, negative Auswirkungen zu vermeiden und die digitalen Innovationen in Richtung Nachhaltigkeit zu beschleunigen.“

Kleine Schritte in die richtige Richtung stellen auch Dinge wie die Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung dar. Sie ist seit dem 3. Juli 2021 gültig und beruht auf der EU-Richtlinie 2019/904. Ihr Ziel ist es ebenfalls, die negativen Folgen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt zu reduzieren.

Dafür ist ihr höchstes Ziel, dass weniger Einwegkunststoffprodukte verbraucht werden. Die „EWKKennzV“ kann genau dabei helfen, indem sie Kunststoff als wichtige Ressource besser sichtbar macht. Es lohnt sich daher auch, sich mit der Verordnung genauer zu beschäftigen, da gerade auch jeder Einzelne im Privaten bei Einkauf und Gebrauch auf die Kennzeichnungen der Produkte achten kann.

Die Wissenschaft wiederum und diverse Unternehmen werden künftig vermehrt digitale Technologien nutzen, um die Plastikverschmutzung in größerem Rahmen aktiv zu bekämpfen. Gerade der Einsatz der Künstlichen Intelligenz bietet dafür schon heute attraktive Möglichkeiten und lässt Visionen einer grüneren Zukunft entstehen.

Künstliche Intelligenz zur Bekämpfung der Plastikverschmutzung

Der berühmte britische Physiker und Ingenieur William Thomson Kelvin sagte einmal Folgendes:

„Ich sage oft, wenn Sie messen können, worüber Sie sprechen, und es in Zahlen ausdrücken können, wissen Sie etwas darüber. [Aber] wenn du es nicht messen kannst, wenn du es nicht in Zahlen ausdrücken kannst, ist dein Wissen von dürftiger und unbefriedigender Art: Es mag der Beginn des Wissens sein, aber du bist in deinen Gedanken kaum bis zum Stadium von fortgeschritten Wissenschaft, was auch immer die Sache sein mag.“

Vereinfacht ausgedrückt: Nur, wenn sich etwas messen lässt, lässt es sich auch verbessern. Genau diese Devise kann in Bezug auf das aktuelle Problem der Plastikverschmutzung in der Umwelt genutzt werden. Denn es gibt zwar einige allgemeine Schätzungen über den Kunststoffanteil in Flüssen und darüber, welche Flüsse wie das Plastik in die Meere führen. Es fehlen allerdings genauere Querschnittsmessungen über den individuellen Beitrag der wichtigsten Wasserwege sowie Daten über saisonale und jährliche Trends.

Umfangreichere und größere Datensätze dieser Art könnten dazu beitragen, die kritischsten Bereiche zu ermitteln und damit eine solide Grundlage für die Förderung kostenwirksamer Maßnahmen schaffen. Mehr Daten würden außerdem dazu beitragen, die wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich zu fördern und die Bedeutung des Themas in der Politik noch weiter voranzutreiben.

Zudem wäre die Öffentlichkeit besser zu sensibilisieren, um so möglicherweise das Verhalten jedes Einzelnen in Richtung nachhaltigerer Entscheidungen zu beeinflussen. Der Bedarf an mehr Daten über Flussabfälle wurde inzwischen sowohl in der akademischen Welt als auch auf institutioneller Ebene erkannt.

Die jüngsten technologischen Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz könnten eine enorme Hilfe bei der Sammlung ebensolcher Daten sein. In den letzten Jahrzehnten wurden in den Bereichen künstliches Sehen, Objekterkennung und Objekterkennungsalgorithmen große Fortschritte erzielt. Selbst Smartphones der unteren Preisklasse sind heute in der Lage, eine genaue Google-Suche auf der Grundlage von Bildern und Fotos durchzuführen. Solche Fortschritte haben das Potenzial, den Bereich der Überwachung von Flussabfällen zu revolutionieren, die Skalierbarkeit der Projekte zu erhöhen und gleichzeitig die Kosten zu senken.

Verschiedene Projekte, die schwimmenden Mikroplastikmüll in Wasserstraßen auffangen sollen, lassen sich durch integrierte AI-Systeme unterstützen. Diese Systeme können etwa automatisch und kontinuierlich Bilder von Flussoberflächen erfassen, diese nach Objekten zu durchsuchen und erkannte Objekte in verschiedene Kategorien einordnen. Solche Kategorien sind dann etwa „organische Abfälle“, „Plastikabfälle“, und so weiter. Das Ergebnis dieses Prozesses sind oftmals nahezu in Echtzeit erfolgende Schätzungen der Menge und Beschaffenheit des schwimmenden Flussmülls und der Plastikverschmutzung.

Digitale Lösungen können aber nicht erst helfen, wenn Plastikmüll sich bereits als Verschmutzung in der Umwelt befindet. Vielmehr können sie auch schon Recyclingprozesse optimieren, um die weitere Verschmutzung zu reduzieren.

Besseres Recycling dank digitaler Lösungen

Mit Hilfe optimierter Recyclingverfahren sollen zukünftig weniger Kunststoffabfälle in die Natur gelangen und stattdessen wieder zu wertvollen Ressourcen verarbeitet werden. Die Digitalisierung und die moderne Automatisierungstechnik können in diesem Bereich einen wertvollen Beitrag leisten.

Die Technologien verbessern das Recycling, indem sie die Verwendung von Rezyklaten durch die Hersteller erleichtern, den Verbrauchern bessere Kauf- und Sortierentscheidungen ermöglichen und die Abfallbeschaffungsoptionen für die Recycler verbessern.

Beispiele für spezifische digitale Technologien, die derzeit eingesetzt werden und von denen erwartet wird, dass sie in Zukunft einen großen Einfluss auf die Effizienz der Abfallwirtschaft haben werden, sind:

  • die Robotik
  • das Internet der Dinge (IoT)
  • Cloud Computing
  • die Künstliche Intelligenz
  • umfangreiche Datenanalysen

Fortschritte in der Automatisierungstechnik führten beispielsweise dazu, dass pneumatische Sortierverfahren, die diverse Feinheiten des Abfalls detektieren können, mitunter bis zu einer Genauigkeit von 90 Prozent arbeiten – ein Wert, den menschliche Sortierkräfte nicht erfüllen können. Je mehr Geräte in Recyclingprozess außerdem über das IoT miteinander verbunden sind, desto leichter können etwa sensorengestützte Container Daten sammeln und sie zu zentralen Einheiten transferieren, um dort analysiert zu werden. Letztlich helfen umfangreiche Datenanalysen dann dabei, innerhalb dieser gesammelten Daten Muster zu erkennen, mit deren Hilfe sich weitere, bessere Recyclingprogramme entwickeln lassen.


Image by Es sarawuth via Adobe Stock

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