#WorkDriveBalance: Eine halbe Stunde – und die ganze Sache mit der Mobilität der Zukunft


Dieser Beitrag ist Teil einer Artikelserie Work-Drive-Balance, in der sich unabhängige Autoren mit dem von Porsche initiierten Thema der #workdrivebalance im neuen Panamera auseinandersetzen.


270.000 Menschen pendeln zu ihrer Arbeit nach Berlin. Ich bin einer von ihnen. Und ich mag das, meistens zumindest. Denn da gibt es diese eine halbe Stunde.

Mein Arbeitsalltag gleicht dem vieler Vorstadtbewohner: Ich bringe morgens meine Tochter zur Schule, fahre dann über Landstraße, Autobahn und durch die Stadt zur U-Bahn, mit der ich den restlichen Weg zur Redaktion zurücklege. Abends wieder in die U-Bahn, ein paar Meter zu Fuß zum Auto, ich steige ein. Und dann beginnt die eingangs erwähnte halbe Stunde.

Vorweg: Ich freue mich auf meine Familie und den gemeinsamen Abend, ich habe auch das Glück, bei meiner Arbeit in einem tollen Team interessante Sachen zu machen. Aber dazwischen brauche und genieße ich die Zeit, in der ich den Tag sacken lassen und sich die Vorfreude auf den Abend entwickeln kann. In dieser halben Stunde lasse ich den Tag Revue passieren, höre nebenbei in den Nachrichten, wie sich der Tag seit dem Radiohören auf der Hinfahrt entwickelt hat, nehme mir Dinge für den Abend vor und denke über Sachen nach, die ich tagsüber beiseite geschoben hatte.

Fahren

Manchmal mache ich das Radio aus und konzentriere mich einfach aufs Fahren, denn ich fahre einfach gerne Auto – ohne einer dieser Puristen zu sein, die das Autoradio abklemmen, weil sie ohnehin nur den Motor hören wollen. Bei den mehrstündigen Fahrten in die Heimat fahre ich zwar immer einige Zeit ohne Musik oder andere Ablenkung, aber ich lade mir vor der Fahrt auch immer mehrere Podcasts runter, die ich dann mit großem Gewinn höre und reflektiere.

fn2sjqiqmli-paul-schmuck
Image by Paul Schmuck (CC0 Public Domain)

Zurück zur halben Stunde: In den sechs Jahren, in denen ich nun diesen Weg fahre – zunächst in einem Youngtimer, den ich von einem älteren Herrn übernommen und dessen in meiner Vorstellung bedächtigen Fahrstil ich mir auch zu eigen gemacht hatte, mittlerweile in einem dieser mal belächelten, mal verhassten dunklen Kombis – ist die erwähnte halbe Stunde ein Indikator für vieles geworden: für das Wetter und die Jahreszeit, wie es beispielsweise von Tag zu Tag dunkler auf dem Heimweg wird. Und dann wieder heller.

Für mein Zeitmanagement: Bin ich auf Hin- oder Rückweg spät dran? Woran liegt’s? Für die eigene Verfasstheit: Ob ich dem Geschehen im Berliner Straßenverkehr mit Heiterkeit oder – beschönigend formuliert – Unmut begegne. Und als Indikator für das, was mich wirklich beschäftigt, was mir als Erstes oder immer wieder in den Sinn kommt.

Nachdenken

Manchmal denke ich aber auch einfach nach. Frei, ohne Bezug zum zuvor Erlebten. Ich denke darüber nach, in die Stadt zu ziehen, was mich allerdings diese halbe Stunde kosten würde. Darüber, ob ich statt des Nachdenkens und Radiohörens vielleicht die Zeit effektiver nutzen sollte: um mein Englisch zu verbessern (poor). Oder mein Französisch (pire). Möglicherweise gibt es ja auch Online-Kurse, die man weitgehend im Auto absolvieren kann. Vielleicht Wirtschaft, bislang nicht so mein Ding. Oder ich lerne eine dieser Sprachen, die vom Aussterben bedroht sind, da hätten auch andere etwas davon. Und bei zwei halben Stunden pro Tag, vielleicht dazu noch die Zeit in der U-Bahn, wären das 10 Stunden pro Woche, da müssten sich einem auch die sperrigeren Sprachen erschließen.

Andere Idee: Ich könnte mich in Achtsamkeit üben, derzeit reden so viele darüber. Wenn ich das nach einer flüchtigen Betrachtung richtig verstanden habe, würde ich mich anschließend wieder einfach mehr auf den Spaß beim Autofahren konzentrieren. Win-win.

Vergangenheit und Zukunft

Oder, das bringt die Situation mit sich, über das Autofahren. Wie wird das Autofahren in fünf oder zehn Jahren aussehen? Wie werden sich meine Töchter eines Tages fortbewegen? Wie bereits erwähnt, fuhr ich früher einen Youngtimer und ertappe mich in der halben Stunde immer wieder bei dem Gedanken, wieder einen zu kaufen. Datenschutzrechtlich ja eine gute Idee. Nach heutigen Maßstäben konnte der Wagen nicht sehr viel: Er parkt nicht selbst ein und blendet bei Gegenverkehr auch nicht ab, er warnt weder vor Querverkehr noch vor dem Verlassen der Fahrbahn. Vom teil- oder vollautonomen Fahren gar nicht zu reden. Man kann mit ihm einfach nur fahren. Aber genau das mache ich ja gerne, wie gesagt: Einfach fahren.

Ich kann mir schwer vorstellen, in einem Auto zu sitzen, das die Verantwortung über mich und die anderen Insassen übernimmt. Aber: Ähnliches werden die Konservativen bei der Erfindung der Eisenbahn auch gesagt haben.

Ich kann mir ebenfalls schwer vorstellen, dass ich diese halbe Stunde dann so erlebe, wie ich es derzeit tue. Dazu gehört das Schalten, Lenken, Gas geben, Bremsen, die Interaktion mit Anderen und dergleichen mehr. Als Beifahrer oder in der Bahn komme ich nicht in diesen kontemplativen Modus, in dem ich am Steuer bin. Einige Freunde berichten, dass sie beim Joggen so drauf kommen; von der Philosophin Hannah Arendt erzählt man sich, dass sie mit geschlossenen Augen denkend auf der Couch lag. Beides nicht mein Ding. Ich möchte dabei fahren.

Die Akzeptanz des Fortschritts

Aber wenn wir über die Zukunft der Mobilität nachdenken, kann es nicht darum gehen, was mein Ding ist. Wenn ich an die Zeit denke, die wir im Stau verbringen, an übernächtigte Fahrer von Kleintransportern unter Zeitdruck, an die die oft polemisch aufgegriffenen, aber nachvollziehbaren Probleme von Gelegenheitsfahrern und letztlich an die vielen Unfälle, wird schnell klar, dass der Status quo nicht erhaltenswert ist.

Die hinreichend bekannten Fälle, in denen der Autopilot eine Kollision herbeiführte, sollten nicht den Blick darauf verstellen, wie viele Unfälle durch Alkohol, Unerfahrenheit, Ablenkung, Hektik, Poser-Gehabe und andere dem Fahrer zuzuschreibenden Umstände verursacht werden. So sehr ich das selbstständige Fahren mag und mich schon Gurtwarner oder Kaffeepausen-Vorschläge nerven: Langfristig hat der technologische Fortschritt im Straßenverkehr Menschenleben gerettet und wird es in noch stärkerem Maße tun. Dem sollte man auch nichts in den Weg stellen.

Man kann mit guten Gründen aus rechtlicher Perspektive dagegen sein, utilitaristisch betrachtet dafür und mit Kant wieder dagegen. Ich verkürze es mal: Sobald die Einführung eines technologischen Fortschritts wie die Fußgängererkennung oder der Autopilot mehr Menschenleben retten als kosten, bin ich derzeit dafür. Ich möchte nicht verantworten, dass jemand deshalb verletzt wurde, weil auch ich gegen die Einführung einer lebensbewahrenden Technologie gestimmt habe. Nur weil mir meine halbe Stunde traditionellen Fahrens wichtiger war.

Was nun? Vielleicht lege ich mir einen Hund zu und habe meine halbe Stunde während des Spaziergangs. Vielleicht ist die halbe Stunde im Auto sogar viel besser, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, dass das Auto selbst fährt? Okay, seien wir ehrlich: Das ist jetzt reiner Zweckoptimismus von mir. Ähnlich plausibel wie die Überlegung, dass der Brexit vielleicht auch etwas Gutes hat, über die ich in der halben Stunde auch schon sinniert habe. Oder Trump. Vielleicht hat ja auch die Wahl Trumps – ach, lassen wir das.

Genug nachgedacht: Blinker setzen, ich bin zuhause.


Image „Oberbraumbrücke“ by Paul Schmuck (CC0 Public Domain)


ist Redaktionsleiter bei politik-digital. Studium der Politikwissenschaft und der Philosophie. Beschäftigt sich mit der Digitalisierung der Gesellschaft und den daraus resultierenden ethischen Fragen. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , , , , , , , , , , , ,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert