Das BKA wirbt für die Vorratsdatenspeicherung

In einer aktuellen Stellungnahme betont das Bundeskriminalamt (BKA) die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung für die Verbrechensbekämpfung. Dabei versäumen es die Ermittler allerdings, harte Zahlen vorzulegen, die ihre Meinung untermauern. Auf die zahlreichen und berechtigten Kritikpunkte an der Vorratsdatenspeicherung wird nicht eingegangen. So bleibt der Eindruck eines reinen Propaganda-Textes, der lediglich Emotionen schüren soll, statt sachliche Argumente vorzubringen.

Vorratsdatenspeicherung – unabdingbar bei der Kriminalitätsbekämpfung?

In einem Text mit der Überschrift „Warum ist die sogenannte Vorratsdatenspeicherung so wichtig für die Polizei?“ (viele konservative Kräfte bevorzugen statt „Vorratsdatenspeicherung“ mittlerweile den euphemistischen Begriff „Mindestspeicherfrist“) nimmt das BKA Stellung zu der umstrittenen Überwachungsmaßnahme. Darin betont die Behörde, warum die Vorratsdatenspeicherung ihrer Ansicht nach so unabdingbar für die Bekämpfung schwerer Kriminalität ist.

Das Internet – ein Hort der Kriminalität?

In dem Text wird ein eher düsteres Bild von der Situation im Internet gezeichnet – ein Bild, das Angst schüren soll bei der Bevölkerung. Das Netz wird dabei als Hort der Kriminalität, als der viel zitierte „rechtsfreie Raum“, in dem sich vor allem Verbrecherinnen und Verbrecher treffen, dargestellt. Dieses Spiel mit der Angst ist wohl bekannt – Befürworterinnen und Befürworter von mehr Überwachung nutzen derartige Rhetorik gerne, um in der Bevölkerung das Bedürfnis nach mehr Schutz, auch unter Aufgabe individueller Freiheiten, zu wecken. Das so erzeugte Gefühl der Bedrohung ist dabei unabhängig davon, wie groß die Bedrohung tatsächlich ist.

Harte Zahlen? Fehlanzeige!

Die Argumente, die das BKA in dem Text liefert, sind dementsprechend auch eher weniger überzeugend. Die (wenigen) zitierten Zahlen sind kaum aussagekräftig. So findet sich beispielsweise die Aussage „Allein im Jahr 2017 konnten über 8000 Hinweise auf Kinderpornografie nicht weiter ermittelt werden, da die IP-Adresse nicht mehr gespeichert war“. Allerdings bleibt vollkommen offen, ob die betreffenden Fälle hätten aufgeklärt werden können, wenn die IP-Adresse gespeichert worden wäre. Womöglich nutzten die Täterinnen und Täter einen fremden Anschluss, ein öffentliches WLAN oder einen Anonymisierungsdienst. In diesem Fall hätte die IP-Adresse ohnehin nicht gereicht, um die Schuldigen zu identifizieren.

Auch die Möglichkeit von Maßnahmen, die weniger in die Grundrechte Unbeteiligter eingreifen, etwa eines sogenannten „Quick Freeze“, wird mit keiner Silbe erwähnt. Stattdessen wird ein merkwürdiges „alles oder nichts“-Szenario präsentiert: entweder, so suggeriert das BKA, Deutschland führt die Vorratsdatenspeicherung mit allen Konsequenzen wieder ein, oder eine effektive Strafverfolgung ist nicht möglich.

Harte Zahlen, wie viele Kriminalfälle ohne die Vorratsdatenspeicherung nicht aufgeklärt werden können, fehlen. Die einzige verlässliche Studie zu diesem Thema ist die des Max-Planck-Instituts. Diese kommt zu dem Schluss, dass durch den Wegfall der Vorratsdatenspeicherung keine statistisch signifikanten „Schutzlücken“ entstehen, die Aufklärung schwerer Verbrechen also nicht ernsthaft erschwert oder gar unmöglich gemacht wird. Diese fundierte wissenschaftliche Arbeit gälte es erst einmal zu widerlegen, wollte man eine ernst zu nehmende Argumentation für die Vorratsdatenspeicherung vorlegen. Da das nicht geschieht, bewegt sich die BKA-Stellungnahme eher im Bereich der Propaganda und des von den Überwachungs-Befürworterinnen und -Befürwortern bereits bekannten Spiels mit den Ängsten der Bevölkerung.

Die angebliche Harmlosigkeit von Metadaten

Dagegen wird auf die immer wieder vorgebrachte berechtigte Kritik an der Vorratsdatenspeicherung kaum eingegangen. Entsprechende Argumente sind eher eine Verharmlosung der Maßnahme. So wird an einer Stelle darauf hingewiesen, dass keine Kommunikations-Inhalte, sondern lediglich Metadaten gespeichert werden. Diese Aussage ist zwar in der Sache richtig, in ihrer Intention allerdings irreführend. Metadaten lassen umfangreiche Rückschlüsse beispielsweise auf die Lebensgestaltung und das soziale Umfeld zu. Ihre Speicherung ist daher alles andere als harmlos. Zu suggerieren, allein die Speicherung von Gesprächsinhalten sei gefährlich, ist schlichtweg eine Vorspiegelung falscher Tatsachen.

Propaganda in der Wissensgesellschaft

In der Summe lässt sich die jüngste Stellungnahme des BKA als reiner Versuch einer Meinungsmache für mehr Überwachung einstufen. Der Bevölkerung soll Angst vor Kriminalität im Internet gemacht werden, während Ängste vor ausufernder staatlicher Überwachung gleichzeitig klein geredet werden. Glücklicherweise verfügen mündige Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2018 über genügend Möglichkeiten, sich selbst zu informieren und diese Stellungnahme als die plumpe Propaganda zu durchschauen, die sie ist. Hoffen wir, dass möglichst viele Menschen diese Möglichkeit nutzen und sich entsprechend öffentlich gegen die Vorratsdatenspeicherung aussprechen.

schreibt regelmäßig über Netzpolitik und Netzaktivismus. Sie interessiert sich nicht nur für die Technik als solche, sondern vor allem dafür, wie diese genutzt wird und wie sie sich auf die Gesellschaft auswirkt.


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