Unsere Verwaltung muss als digitale Plattform neu gedacht werden


Dieser Beitrag ist Teil einer Artikelserie, die sich im Vorfeld der Konferenz MSFT Explained (am 27. September in Berlin) mit Fragen der Digitalisierung unserer Gesellschaft auseinandersetzt.


Deutschland und seine Verwaltung digitalisiert sich. Amt für Amt, Behörde für Behörde und Ministerium für Ministerium. Inzwischen gibt es so viele digitale Leuchttürme, dass man, davon geblendet, gar nicht mehr die Digitalisierung erkennt. Die auf mehrere Ministerien verteilte Digitale Agenda der Bundesregierung ist Ausdruck dessen. Bisher ist in diesem Land nicht wirklich etwas passiert. Zukunft ist etwas, dass ohne uns passiert – und auch woanders.

Dabei besitzen wir alle, auch die politischen EntscheidungsträgerInnen im ganzen Land, eine Lösung für unser Digitalisierungsproblem. Seit über 10 Jahren haben wir Smartphones, die von der Rechenleistung her stärker sind als die Computer der NASA bei der Mondlandung im Jahr 1969. Aber es geht nicht darum, zu fragen, warum wir dann damit nicht mehr Glanzleistungen hinbekommen, sondern warum wir nichts wie Smartphones organisieren?

Wir brauchen eine Plattform für öffentliche Dienste!

Das Geheimnis hinter den Smartphones ist die Organisation der Dienste dafür. Nun rächt sich, dass die Bundesregierung nicht auf eine zentrale Position zur Digitalisierung der Verwaltung gesetzt hat, sondern jedes Ministerium hat machen lassen, was es wollte. Was wir bräuchten, ist eine zentrale Plattform, für die die Ministerien – und unter sehr offenen Umständen sogar wir BürgerInnen selbst (Stichwort: Open Data) – dann Dienste entwerfen könnten.

Das Prinzip kennen wir alle. Wer ein iPhone besitzt, hat sich auch schon einmal eine App von iTunes heruntergeladen, die nicht von Apple selbst ist. Genauso geht es NutzerInnen von Android oder einem Windows Phone. Airbnb und Uber zeigen uns seit Jahren, wie sie, ohne selbst die dafür nötigen Ressourcen zu nutzen, einen Service anbieten. Dienste wie Twitter und Facebook funktionieren nur durch von uns erstellten Content. Das alles sind Plattformen.

Sangeet Paul Choudary hat das in seinem Buch „Platform Scale“ unter dem Slogan „Ecosysteme sind die neuen Warenhäuser“ zusammengefasst. Andere Erfolgsfaktoren für Plattformen sind seiner Meinung nach, dass NutzerInnen die Inhalte selber produzieren, die Entwicklung durch die Vernetzung der NutzerInnen weiter angetrieben wird, Daten die neue Währung werden und Kuration eine neue Form von Qualitätsmanagement sind.

Insgesamt nennt Choudary zehn Faktoren, aber mit den fünf genannten Punkte kann man sich schon vorstellen, welchen Einfluss eine Plattform für Verwaltungsdienste haben kann. Hier finden Bürger die Dienste, die der Staat ihnen zur Verfügung stellen kann. Die dafür nötigen Dienste können direkt vom Staat designt oder von den BürgerInnen, die sie auf offenen Daten aufbauen können, stammen. Über Bundesländer hinweg würden Menschen davon profitieren.

Die zentrale Instanz, die die Plattform verwaltet, vielleicht einE StaatsministerIn bei der Bundeskanzlerin und BeauftragteR der Bundesregierung für Plattformzeugs würde kuratieren, welche Dienste auf der Plattform zugänglich gemacht werden können. Und die wären dann übrigens ohne Probleme für alle Menschen online erreichbar. Etwas weitergedacht, wäre das Konzept eines nationalen BürgerInnentums überflüssig.

Genug politisches Stückwerk – Zukunft jetzt!

Wir sind noch nicht soweit. In einigen Regionen wird zur medizinischen Versorgung in ländlichen Gegenden geforscht, in anderen nicht. Die Gründe dafür sind verschieden, genau wie die Verkehrsplanung in deutschen Städten oder der Zugang zu Informationen und Daten. Ob man demnächst Zugang zu innovativen Diensten haben wird, hängt davon ab, wo man wohnt. Der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes nützt da auch nichts.

Man kann sich mit politischem Stückwerk zufrieden geben, mit den föderalen Unterschieden zwischen den Bundesländern und dass es das ja früher auch alles nicht gab. Vielmehr sollte man aber versuchen, die Verhältnisse zu ändern. Das ist der eigentliche Sinn von Politik. Wenn Sie also in [ihr Wohnort] wohnen und es gerne so gut wie die Menschen in [woanders] haben möchten, fordern Sie es von der Politik, ihren Abgeordneten und ihrer Verwaltung.

Viel Glück.

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Image „Bundeskanzleramt“ by LoboStudioHamburg (CC0 Public Domain)


 

ist Coworking Manager des St. Oberholz und als Editor-at-Large für Netzpiloten.de tätig. Von 2013 bis 2016 leitete er Netzpiloten.de und unternahm verschiedene Blogger-Reisen. Zusammen mit Ansgar Oberholz hat er den Think Tank "Institut für Neue Arbeit" gegründet und berät Unternehmen zu Fragen der Transformation von Arbeit. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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