Nervige Anrufe von Callcenter-Agenten

Wie leistet man erfolgreich Widerstand gegen Hotline-Terror und wehrt die telefonischen Heizdecken-Verkäufer ab? Eine Anleitung. Nervige Kaltanrufe von Callcenter-Agenten werden stets harmlos eingeleitet: „Hallo Frau/Herr xy, Sie sind jetzt schon seit Jahren ein treuer Kunde unserer Firma. Da haben wir etwas ganz Besonderes für Sie. Wir bieten Ihnen die fantastische Möglichkeit für ein Upgrade Ihres Mobilfunk-Vertrages, damit auch Ihre Familienangehörigen in den Genuss unserer unschlagbaren Flatrate-Preise kommen können.“

Zeigt man sich interessiert, folgt der Hinweis, dass man jetzt das Gespräch aufzeichnen wolle, um die „Qualität“ der telefonischen Services zu verbessern. Eigentlich geht es um die rechtsverbindliche Zustimmung für eine Vertragsänderung oder einen Neuvertrag. Die Verkaufstricks der Hotline-Agenten Was vom Hotline-Agenten runtergenudelt wird, klingt nicht wie ein Angebot, sondern wie die etwas verklausulierte Zustimmung zu einem Angebot. Stimmt man der Aufzeichnung nicht zu und verlangt ein schriftliches Angebot via E-Mail oder Post, stammelt der Hotline-Fritze dann irgendetwas über die technische Unmöglichkeit, von seinem Arbeitsplatz entsprechende Angebote zu verschicken oder vom bedauerlichen Absturz der firmeneigenen Server. Dümmliche Ausreden, um am Telefon die heißbegehrten Trefferquoten zu erzielen. Ein entsprechendes Telefonat führte meine Frau mit der E-Plus-Tochter Base. Sie stimmte einer Aufzeichnung des Gesprächs natürlich nicht zu – erste Empfehlung. Verlangte ein schriftliches Angebot – zweite Empfehlung. Und legte dann den Hörer auf – dritte Empfehlung. Das Ergebnis veröffentlichte meine Frau auf der Facebook-Seite von Base: „Die Methoden der unerwünschten Anrufe des Base-Callcenters gleichen denen von Drückerkolonnen. Noch ein solcher Anruf und ich kündige alle Verträge bei Base und melde dieses Vorgehen der Bundesnetzagentur.“ Als Antwort faselte ein Base-Mitarbeiter im rabulistischen Ton von einer „proaktiven Kontaktaufnahme“ seiner Firma, der man online widersprechen könne. Aha. Liebwertester Base-Gichtling. Nicht nötig. Deine proaktive Rechtfertigungslyrik kannst Du Dir sonst wo hinstecken. Ein Vertrag kam gar nicht zustande. Wir haben Eure Verkaufstricks durchschaut. Schwarze Schafe an jeder Ecke Der Kommunikationstrainer Markus Euler stellt die berechtigte Frage, wann dieser Schwachsinn endlich aufhört: „Ich weiß, es sind nur die schwarzen Schafe. Aber irgendwie blökt es an jeder Ecke so.“ Die Leierkasten-Truppe im telefonischen Kundendienst spielt schon seit Jahren die gleiche Musik: „Schön, dass ich Sie erreiche“; „Einmaliges Angebot“; „Kann keine Angebote versenden“, „Kann nicht durchstellen“, „Gilt nur heute und für Sie!“. Die Zeiten dieser hyperschwachsinnigen und verlogenen Akquise sollten wirklich der Vergangenheit angehören, fordert der Service-Experte Harald Henn. „Das ist ein unglaubwürdiges Geplappere. Ein guter Verkäufer begleitet den Kunden im Kaufprozess. Kaufen lassen, statt verkaufen.“ So sollte es jedenfalls sein. Abwehr im Social Web Im Social Web funktionieren die Heizdecken-Verkaufstaktiken ohnehin nicht. „Das monotone und gebetsmühlenartige Wiederholen von Verkaufsbotschaften stößt zunehmend auf Abwehrreaktionen; die Wirkung der Werbung lässt generell nach und das aggressive und unerlaubte Eindringen der Verkäufer mittels Callcenter hat der Gesetzgeber mittlerweile kräftig eingeschränkt“, weiß Henn. Es gibt also probate Mittel, sich gegen die Hotline-Drückkolonnen zu wehren. Die vierte Empfehlung funktioniert selbst bei Rufnummern-Unterdrückung: „Die Bundesnetzagentur, die seit 1. September 2009 als Kontroll- und Sanktionsinstanz im Spiel ist, hat perfekte technische Möglichkeiten, auch bei unterdrückter Rufnummer den Anrufer zu identifizieren, wenn der Anrufzeitpunkt einigermaßen eingegrenzt werden kann. Außerdem: Wenn ein Geschäft am Telefon zustande kommt, weiß Tante Erna spätestens nach Zusendung der Vertragsunterlagen und der Rechnung, wer dahinter steckt – und dann erfährt es auch die Bundesnetzagentur“, so der Ratschlag von Rechtsanwalt Michael Siegert, Spezialist für Datenschutz und Direktmarketing, im Interview mit NeueNachricht. Auf der Bundesnetzagentur-Website befinden sich Vordrucke, mit denen die Verbraucher unlauteres Telefonmarketing relativ einfach anzeigen können. Aber nach wie vor gilt für fast alle Netzbetreiber: Der Vertragsabschluss funktioniert ganz easy per Mausklick oder mit einem Hotline-Jawort; Kündigung oder Vertragsänderung ohne Upgrade-Gedöns nur auf handgemeißelter Marmortafel in fünffacher Ausfertigung. Mehr zu Themen des Netzes und dem digitalen Wandel gibt es auch vom European-Kolumnisten Lars Mensel in seinem aktuellen Artikel „Prism und Privatsphäre als Feature„.


Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf The European.

 

ist Diplom-Volkswirt, lebt in Bonn und ist Wirtschaftsjournalist, Kolumnist, Moderator und Blogger. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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