Leistungsschutzrecht: Google gewinnt, die Kleinen verlieren

Am 1. August tritt das neue Gesetz in Deutschland in Kraft – mit ungewollten Folgen.

Ab Donnerstag kann man sich sehr simpel vor Augen führen, welche Folgen das neue Leistungsschutzrecht für Presseverleger, das am 1. März verabschiedet wurde, nach sich zieht: Dazu muss man nur Google News in einem und Rivva.de in einem anderen Browser-Fenster aufmachen und vergleichen. Während man bei Googles News-Dienst wie gewohnt Anrisstexte, Vorschaubilder und Links zu den großen Nachrichtenseiten Deutschlands finden wird, ist die Suppe beim News-Aggregator Rivva.de ziemlich dünn.

Denn dort, so gab Macher Frank Westphal heute bekannt, müssen 650 Lokalzeitungen, Magazine und Blogs aus dem Index genommen werden. Ihre Inhalte werden künftig nicht mehr bei Rivva.de vorkommen, was schade ist – immerhin bin ich wie sicher tausende andere Internetnutzer auf diesem Weg auf interessante Storys gestoßen, die ich wohl sonst nicht entdeckt hätte.

Rivva Search und Social ereilt das Unvermeidliche”, schreibt Westphal, der Rivva.de alleine betreibt, wehmütig. “Es ist traurig. Der bürokratische Aufwand, um alle interessanten Quellen einzeln um Erlaubnis zu fragen, sprengt ein Ein-Personen-Projekt. Was fehlt, ist ein maschinenlesbarer Standard.” Westphal will nicht riskieren, dass er wegen der Verwendung der Nachrichten-Snippets (Vorschaubilder, Anrisstexte) Geld an den Urheber zahlen muss, so wie es das gesetz vorsieht.

Kaum Effekt für Google News

Für den Internet-Konzern Google hingegen, gegen den die Medienkonzerne Axel Springer und Burda das Leistungsschutzrecht (a.k.a. “Lex Google”) eigentlich vehement gefordert haben, bleibt vorerst alles gut. Denn anders als bei Rivva.de sind die Inhalte vieler deutscher Verlage weiterhin bei Google News wie gewohnt zu finden – zumindest vorerst. Ausgerechnet der Axel-Springer-Verlag (Bild.de, Welt.de) hat sich per Opt-in dafür entschieden, dass seine Inhalte weiter bei Google zu finden sind. Wie ein Konzern-Sprecher taz.de sagte, sei das aber nur “vorläufig”, weil man nach wie vor eine Verwertung anstrebe und sich vorerst aus “juristischen und technischen Gründen” dieses “Intermezzo” ergebe. Auch der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) empfielt seinen Mitgliedern, Google die kostenlose Nutzung ihrer Verlagserzeugnisse durch Google News „vorläufig“ zu gestatten. Derweil prüfe man die “Rahmenbedingungen einer Verwertungsgesellschaft”, mit der man dann gezielt Geld bei Google holen kann.

Noch kurioser wird die Sache, wenn man sich Online-Medien abseits von Springer und Burda ansieht. Denn die wollen den Leistungsschutz gar nicht in Anspruch nehmen, sondern weiterhin vom guten Google-Saft naschen. Nachrichten-Portale beziehen von Google im Schnitt 50 Prozent ihrer Zugriffe, weltweit liefert die Suchmaschine eigenen Angaben zufolge sechs Milliarden Klicks pro Monat auf Verlagsseiten. Sueddeutsche.de (offizieller Partner von Rivva.de), Spiegel Online oder Zeit Online etwa haben sich dafür entschieden, weiter bei Google gelistet zu bleiben.

Lösungsvorschlag für Österreich

In meinem Heimatland Österreich drängt der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) ebenfalls auf ein Leistungsschutzrecht und verspricht sich daraus ein paar Millionen Euro Einkünfte für die Verlage zur Mitfinanzierung von Journalismus, wird damit aber wohl bis nach den Wahlen im Herbst warten müssen. Bis dahin könnte man sich aber auch eine andere Lösung überlegen, die ich hier skizzieren will: Google und die Verleger sollten Google News gemeinsam kommerziell nutzbar machen. Wer Google News aufruft, wird bemerken, dass rechts neben den Nachrichten viel weißer Platz ist. Platz, den man für Google-Anzeigen nutzen könnte, die viel Geld abwerfen. Die Einnahmen daraus könnten sich Google und die Nachrichten-Seiten, die die Content liefern, teilen.

Neu erfinden muss man für diese Lösung nichts. Google hat auf seinem Video-Portal YouTube bereits ein Partnerprogramm, in dem sich Videoproduzenten (darunter Russ Media, Kleine Zeitung, Krone, Salzburger Nachrichten, Red Bull Medienhaus) und Google die Einnahmen aus der Werbung rund um die Clips teilen – und dabei bekommen die Google-Partner sogar mehr als 50 Prozent. “Das Gesetz ist nicht notwendig, da Verlage und Internet-Firmen auch so gemeinsam an Innovationen arbeiten können, wie das Google bereits in mehreren Ländern gemacht hat. Das gilt auch für Österreich”, hat Google-Österreich-Chef Markus Kienberger im Rahmen meiner Recherchen zu einem HORIZONT-Artikel zu mir gesagt. Jetzt kann die Branche zeigen, wie innovativ sie wirklich ist.


Image (adapted) „DSC_2579“ by Digitale Gesellschaft (CC BY-SA 2.0)

ist seit 2006 publizistisch auf Papier und Pixel tätig. Er arbeitet in Österreich als Journalist und hat die beiden Sachbücher "Phänomen Facebook - Wie eine Webseite unser Leben auf den Kopf stellt" (2010) und "Digitaler Frühling - Wer das Netz hat, hat die Macht?" (2012) veröffentlicht. In seinem Blog “Jakkse.com” und in Vorträgen schreibt und spricht er gerne über die Menschen und ihr Internet – von Social Media über Mobile Business und Netzpolitik bis zu Start-ups.


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