Interview zur Killerspieldebatte

Interview mit Deef Pirmasens zum Thema Killerspiele. Deef ist Videospieler, Berater und schreibt als Autor unter anderem das Blog Gefühlskonserve. Dort finden sich Texte und Netzfundstücke zu Hörbüchern, Podcasts, Gedichten, Videos und natürlich auch Games. Wer mehr über Deef erfahren möchte, sollte das „Über mich“ in seinem Popkulturblog lesen.

deef_pirmasensIn wiefern läuft die politische Debatte über Computerspiele derzeit aus dem Ruder?

Videospiele stellen für einen großen Teil der Bevölkerung eine Neuheit dar und Unbekanntem gegenüber gibt es eine natürliche Skepsis. Das beschränkte sich nicht nur auf Medien wie z.B. das Fernsehen, sondern auch auf Inhalte wie Beatmusik und Rock’n’Roll. In den 80ern und 90ern waren die Powerrangers Teufelzeug, denen nachgesagt wurde, sie würden die Kinder verblöden. Gerade bei Videospielen fehlt derzeit eine sachliche Debatte.

Du hattest in deinem Blog mit einem öffentlichen Brief an die Politik eine Versachlichung der Debatte gefordert. Welche Reaktion gab es darauf hin?

Zum einen wurde der Beitrag viel kommentiert und in Blogs zitiert, zum anderen führte er zu Interviews mit dem Jugendmagazin der Sueddeutschen Zeitung jetzt.de und der Jugendsendung des Bayerischen Fernsehens „Südwild“. Der Radiosender Ego-FM lud mich in eine Talksendung zu Thema ein. Wenig überraschend war, dass es keine Reaktionen aus der Politik gab.

Du würdest Dir also wünschen, dass man seitens der Politik das Thema aufgreift?

Auf jeden Fall, die Politiker, die nachhaltige Politik betreiben, sollten dabei beachten, dass Videospiele in allen gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen zunehmend eine Rolle spielen. Millionen Menschen spielen. Esportler organisieren sich in Ligen wie herkömmliche Sportarten.

Von Gegnern der Videospiele wird gern ins Feld geführt, gewalthaltige Spiele würden zu einer Verrohung der Gesellschaft, insbesondere der Jugend, führen, kannst Du diese Aussage nachvollziehen?

Kaum. Laut der neusten Kriminalstatistik, die Bundesinnenminister Schäuble gerade vorgestellt hat, ist die Jugendgewalt in Deutschland im vergangenen Jahr signifikant zurückgegangen. Und das obwohl immer mehr Videospiele gespielt werden. Außerdem fehlt der wissenschaftliche Beweis für einen direkten, unmittelbaren Zusammenhang von Videospielen und realer Gewalt.
Darüber hinaus sehen wir an Rockmusik und Powerrangers, dass es sich bei solchen Sündenbockdiskussionen um Zeitgeistphänomene handelt. Menschen, die nicht mit Computern sozialisiert wurden, betrachten Videospiele aus Unkenntnis als etwas Böses und nutzen sie als einfache Begründung für Jugendgewalt und Amokläufe.

World of Warcraft ist in Verruf geraten, es würde den Lebensinhalt von Jugendlichen mehr und mehr dominieren. Wie stehst Du dazu?

Es gibt eine neue Untersuchung von Prof. Bernd Schorb von der Universität Leipzig, in der die vermeintliche Isolation von WOW-Spielern betrachtet wurde. Nach der Studie spielen 78% der Jugendlichen mit Freunden und Schulkameraden. Dabei fungiert WOW als sozialer Raum, in dem Freundschaften intensiviert werden.

Sollten Eltern die Empfehlungen der USK ernst nehmen?

Es gibt Videospiele für Kinder und Jugendliche und es gibt Videospiele für Erwachsene. Jugendschutz fängt zu Hause an. Die gesetzlichen Regelungen zum Schutze der Jugend funktionieren nur, wenn sich Handel und Eltern dran halten. Wenn ich meinem Kind Fernseher, Spielkonsole und/oder Computer ins Zimmer stelle, muss ich als Vater oder Mutter den Medienkonsum meines Kindes nachvollziehen können und in der Lage sein, Verbote durchzusetzen.

Kritiker halten die Regularien der USK für zu schwach und im Interesse der Industrie. Siehst Du dort Verbesserungsmöglichkeiten?

Die Anfeindungen gegenüber der USK halte ich für falsch. Gerade internationale Titel werden häufig auf Grund der USK für Deutschland in einer entschärften Fassung produziert. Titel, die trotzdem zuviel oder zu explizite Gewalt beinhalten, werden von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert, wenn die USK keine Freigabe erteilt. Die berechtigte Frage ist allerdings, warum man überhaupt USK und BPjM nebeneinander arbeiten lässt, statt die Alterseinstufung der Spiele in einer Stelle oder Behörde zu bündeln.

Was würdest Du Dir von Politikern für den weiteren Verlauf der Debatte wünschen?

Videospiele wie auch Comics gelten in Deutschland leider als Kindermedien, auch wenn sie erst ab 18 freigegeben sind. Politiker sollten sich mehr mit den Spielen auseinandersetzen, statt auf schnelle Antworten und Vorurteile reinzufallen. Counter Strike ist ein Teamspiel wie Völkerball. Natürlich kann man es geschmacklos finden, weil darin Spezialeinheiten Terroristen töten und umgekehrt. Wenn wir in Deutschland stolz auf unsere Meinungs- und Kunstfreiheit sind, dann müssen wir aber Erwachsenen auch Medien und Spiele zugestehen, die nicht jeder geschmackvoll findet. Alles andere wäre eine Geschmacksdiktatur. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das jemand wünscht.

Danke für das Interview.

studierte Soziologie, Psychologie und Betriebswirtschaft an der TU-Chemnitz. Sie ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Social Media. Privat bloggt Doreen unter http://www.finsblog.de über alles Mögliche und Unmögliche.


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