Ein Krieg gegen Frauen

Wenn ich in der letzten Zeit einen Blick über den großen Teich wage, möchte ich mir kräftig die Augen reiben und hoffen, dass dies alles nur ein schlechter Traum sei: Eine schier unglaubliche Zahl an Ge­setzes­ent­würfen wurde in den letzten Monaten in den USA von überwiegend re­publikanischen Ab­geordneten auf den Weg gebracht, die nur auf eines ab­zielen: das Recht auf kör­perliche Un­versehrt­heit und aus­reichende gesund­heitliche Ver­sorgung von Frauen ein­zu­schrän­ken. Die US-Amerikaner_innen sprechen in diesem Kon­text schon von einem War on Women (“Krieg gegen Frauen”)…

Buttons für Abtreibungsrechte

So ist die teil­weise aus Bundes­mitteln finan­zierte Gesund­heits­organisation Planned Parent­hood, die sich als pro choice versteht und die nicht nur in Fra­gen Ver­hütung, Geschlechts­krank­heiten und Schwanger­schaft berät, son­dern u.a. auch Krebs­vorsorge­unter­suchungen anbietet, in mehreren Bundes­staaten stark unter Be­schuss.

Einer der wohl schwer­wiegendsten An­griffe auf re­produktive Rechte ist der im Januar ein­gereichte No Taxpayer Funding for Abortion Act (“Keine Steuergelder für Abtreibungen”), kurz: H.R. 3, der Ab­­trei­bungen enorm erschweren würde – noch mehr, als dies bereits schon der Fall ist.

Trotz der Ent­kriminalisierung von Ab­treibungen in den USA Anfang der 1970er wurde die Möglichkeit zum Schwanger­schafts­ab­bruch wenige Jahre später durch eine Zusatzklausel deutlich ein­geschränkt: Bundes­mittel dürfen seit jeher nur für Ab­treibungen verwendet werden, wenn sich eine Frau durch die Schwanger­schaft in Lebens­gefahr befindet, ver­ge­waltigt und/oder Opfer von Inzest wurde. Wer trotz­dem einen Schwanger­schafts­ab­bruch vornehmen lassen möchte, muss tief in die Tasche greifen und möglicher­weise sogar weit reisen, da in vielen Gegenden gar keine Ab­treibungs­kliniken existieren. Frauen, die keinerlei finan­zielle Mittel für einen Abbruch haben, können auf Hilfs­­pro­gramme wie Medicaid zurück­greifen (was allerdings nur in einigen Bundesstaaten überhaupt möglich ist).

Mit dem Gesetzesentwurf H.R. 3 bekämen Kranken­ver­sicherungs­gesell­schaften immer mehr Steine in den Weg gelegt, Schwanger­schaftsab­brüche über­haupt abzudecken. Firmen, die Versicherungs­pakete mit Option zur Abtreibung anbieten, würden indirekt dafür bestraft, z.B. durch das Aus­bleiben von Steuer­gutschriften. Auch die über 13 Millionen Frauen, die aktuell durch Programme wie Medicaid versichert sind, bliebe der Zugang zur Ab­treibung verwehrt.

Kurz und bündig heißt das: Das Gesetz würde Schwanger­schafts­ab­brüche fast unmöglich machen, ohne diese offiziell zu kriminalisieren.

H.R. 3 sah anfangs sogar vor, nur noch jene Ab­treibungen mit Bundes­mitteln zu zahlen, die als sogenannte forcible rape (“gewaltsame Vergewaltigung”) klassifiziert sind. Diese Neu­definition von Ver­gewaltigung hätte eine Hierarchie von sexueller Gewalt zur Folge, die letzt­endlich nur eines aussagt: Es gibt schreckliche Ver­gewaltigungen, und welche, die “nicht so schlimm sind“ – eine abstruse “rape rape” Argumentation, wie wir sie zuletzt von Whoopi Goldberg zum Fall Polanski gehört haben. Die einzig gute Nach­richt: Diese Passage wurde aus dem Ent­wurf gestrichen.

Dieser (nun leicht abgewandelte) H.R.3, auch genannt “Super Hyde”, wurde vor zwei Wochen durch das US-amerikanische Repräsentanten­haus bestätigt und nun dem Senat vorgelegt. Sehr wahrscheinlich wird Barack Obama ein Veto einlegen.

Auch wenn der Entwurf wohl niemals Gesetz wird, zeigt allein die Tatsache, dass aktuell eine Vielzahl ver­gleich­barer Gesetzes­entwürfe in den einzelnen Bundes­staaten diskutiert werden den großen Erfolg der seit Jahren wachsenden rechts­konservativen Dominanz der Abtreibungs­gegner_innen und Ver­ge­waltigungs­verharmloser_innen. Die Agenda der Konservativen offenbart das implizite Ideal einer Frau als Mutter und Ehefrau, deren eigene Be­dürfnisse und Gesund­heit die der (heterosexuellen) Partner­schaft und dem Nach­wuchs unter­geordnet sind. Der bis dato erfolgreiche Vor­stoß der so­genannten Pro Lifers zeigt, wie sehr reproduktive Rechte in den USA in Gefahr sind und Pro Choice Or­ganisationen zunehmend um Förder­gelder zittern müssen.

Und wer ist in besonderem Maße betroffen von diesem “Krieg gegen Frauen”?

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Das Guttmacher Institute erläutert die Zahlen zu Schwanger­schafts­ab­brüchen in den USA: Rund 40% aller US-amerikanischen Frauen, die eine Schwanger­schaft beenden, leben unter der Armuts­grenze. Davon sind überproportional Women of Color betroffen. Zurück­zuführen ist dies auf die sich stetig verschär­fenden sozialen Un­gleichheiten in ge­sell­schaft­lichen Be­reichen wie Gesundheit (Zugang zu Verhütungs­mitteln und bezahlbarer Krankenversicherung), Bildung (z.B. Sexual­auf­klärung) und dis­kriminierenden Struk­turen in der Erwerbs­arbeit.

Die vor einigen Monaten stark diskutierten rassistischen Anti-Ab­treibungs­werbetafeln mit der Aufschrift “Der gefährlichste Ort für ein afro­amerikanisches Kind ist der Mutterleib”, die erst nach massivem Protest wieder ab­genommen wurden, sind nur ein Beispiel für die vermehrten Attacken der vergan­genen Monate.

Viele Aktivist_innen be­fürchten, dass die an­haltenden Vor­­stöße gegen Ab­treibungs­­rechte und die immer wieder auf­­kom­menden Dis­­kussionen zur (Re-) Definition von Ver­­gewaltigung nur der An­­fang eines langen Kampfes gegen eine stetig wachsende rechts­konservative Kraft ist.


Autorin: Magda Albrecht wurde 1986 geboren und ist im Osten Berlins aufgewachsen. 2003 ging sie zum ersten Mal in die USA und besuchte eine High School in South Carolina. 2006 folgte ein BA-Studium der Nord­amerika­studien und Publizistik an der FU Berlin, im Rahmen dessen sie ein Auslands­jahr in den USA (Portland, OR) absolvierte und sich der US-amerikanischen Politik und Soziologie widmete. Zur Zeit studiert Magda an der HU Berlin Amerikanistik. In ihrer Freizeit ist sie pro­fessionelle Kaffee­trinkerin und Sängerin bei Totally Stressed, einer ArtRock Band aus Berlin.


Crosspost von maedchenmannschaft.net

Die Netzpiloten nehmen immer mal wieder Gastpiloten mit an Bord, die über ihre Spezialthemen schreiben. Das kann dann ein Essay sein, ein Kommentar oder eine kleine Artikelserie.


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