Dorfromantik Test – Carcassonne für Solospieler

Im Dorfromantik Test klären wir euch auf, warum sich aktuell viele nach mehr Dorfromantik sehnen. Dabei handelt es sich nämlich keinesfalls um einen Urlaubstrend, sondern um einen kleinen Überraschungserfolg auf Steam, der 2021 beim Deutschen Computerspielpreis kräftig abgeräumt hat (ähnlich wie dieses Jahr Omno, das wir ebenfalls getestet haben). Für mich begann die Reise bereits im Early Access, doch seit dem 28. April ist das Erstlingswerk von Toukana Interactive offiziell erschienen. Warum es für mich noch immer ein fieser kleiner Zeitfresser ist und ob das Spiel so entspannt ist wie sein erster Eindruck, erfahrt ihr hier im Test.

Wer übrigens das Spiel schon besitzt und auf der Highscore-Jagd ist: Wir haben auch einen Dorfromantik Guide, der euch wertvolle Tipps für ein punktereiches und langes Spiel gibt. 

Zen-Gaming für zwischendurch

Das Spielprinzip ist im Dorfromantik Test denkbar simpel. Wir starten mit einem hexagonalen Kärtchen in der Mitte und haben 40 weitere Karten, die wir nach und nach aneinander legen. Während das Startkärtchen eine reine Grasfläche ist, bestehen die anderen Karten auch aus Häusern, Feldern, Bäumen, durch die sich auch Flüsse und Eisenbahnstrecken ziehen können. Oft sind mehrere verschiedene Geländetypen auf einer Karte und wir müssen sie möglichst so andocken, dass sich an den Schnittstellen identische Landschaftstypen verbinden. Wald mit Wald, Häuser mit Häuser, Felder mit Feldern, Gras mit Gras. 

Das ganze klingt nicht nur ein wenig nach dem Legespiel-Klassiker Carcassonne, es fühlt sich auch optisch sehr ähnlich an. Dafür sorgt die handgemalt wirkende, leicht seitliche Draufsicht. Nur sind die Kärtchen hexagonal und die Landschaftstypen ziehen sich etwas bunter durcheinander. Oh, und wir müssen uns nicht mit anderen Spielern um Gebiete rangeln. Dorfromantik ist nämlich eine Einzelspielererfahrung, bei der wir uns weder um Mitspieler, noch Zeitdruck sorgen müssen. Wir haben dabei aber keine Entscheidungsgewalt über die nächste Karte, auch wenn wir zumindest die drei nächsten als Vorschau sehen.

Das klingt zunächst alles nach einem sehr entspannten Spiel. Das ist es eigentlich auch. Die entspannte Musik, die pastelllastige Farbpalette und das Spielprinzip eignen sich perfekt zum Runterkommen oder als Gaminghappen für zwischendurch. Doch da gibt es auch noch diese böse Punktezahl in der oberen rechten Ecke. Diese unbarmherzige Quantifizierung unserer spielerischen Fähigkeiten steigt mit jeder gelegten Karte und spornt uns zu einem immer größeren High Score an.

Gehirnjogging für Highscore-Jäger

Als ich mir Dorfromantik kaufte, wusste ich, dass es auch ein Taktik-Spiel ist. Trotzdem war ich im Dorfromantik Test überrascht, wie viel Gehirnschmalz es mir dann doch abverlangt. Der Clou bei der Sache ist nämlich: Sind alle Karten gelegt, ist das Spiel vorbei. Nach 40 gelegten Karten wäre also eigentlich Schicht im Schacht. Allerdings gibt Möglichkeiten, unseren Kartenvorrat aufzustocken.

Manche Karten bringen euch zum Beispiel Quests. Diese erfordern dass die Karte Teil eines zusammenhängenden Gebiets wird, das beispielsweise eine bestimmte Anzahl Felder, Bäume oder Häuser enthält. Manchmal erfordern sie mindestens eine bestimmte Zahl, manchmal aber auch eine genaue Anzahl. Die Quest kann scheitern, wenn wir sie an ein bereits zu großes Gebiet legen, keine Möglichkeit mehr besteht dieses Gebiet zu erweitern oder wir beispielsweise eine Karte mit 3 Häusern dranlegen, obwohl wir noch exakt 2 benötigen. Für jede abgeschlossene Quests gibt es 5 neue Karten. Einige Quests hinterlassen außerdem Fähnchen. Schließt man das Gebiet ab, sodass keine Teile des gleichen Typs hinzugefügt werden können, gibt es auch für jedes Fähnchen fünf weitere Karten.

Wichtiger als die Quests sind allerdings perfekt gelegte Teile. Das bedeutet, dass ein Feld an jeder Kante an den passenden Gebietstyp anschließt. Das gibt zwar „nur“ eine neue Karte, ist auf lange Sicht aber wichtiger. Denn für die Quests benötigt ihr vor allem später weitaus mehr als fünf Karten. Ohne perfekte Anordnungen gehen einem also bald die Karten aus. Außerdem gibt es für jede passende Kante 10 Punkte – also bis zu 60 Punkte pro Karte. Eine Quest gibt einen lediglich einen Bonus von 100 Punkten. Somit war ich im Dorfromantik Test also immer auf der Suche nach dem perfekten Platz zum legen.

Ein Kärtchen und eine Lücke in Dorfromantik haben zwar die gleichen Geländetypen, aber an unpassenden Positionen.
Der Highscore lockt. Das Spiel spornt zu immer besseren Layouts an, damit wir unsere Punktezahl nochmal verbessern. Screenshot by Stefan Reismann.

Genug Langzeitmotivation im Dorfromantik Test?

Im Spiel lassen sich enorm viele Stunden versenken. Die ersten Runden sind nach wenigen Minuten vorbei, mittlerweile benötige ich oft zweistellige Stundenzahlen. Nicht nur meine Landschaften wurden immer größer, auch mein Spielverständnis änderte sich. Anfangs konzentrierte ich mich mehr auf das schnelle Abschließen der Quests, mittlerweile sucht mein Auge  vor allem nach perfekten Abschlüssen. Im Optimalfall findet man die passende Karte um ein Loch mitten in der sonst geschlossenen Landschaft perfekt zu füllen.

Mit wachsender Landschaft gibt es da immer mehr Kanten, an denen man probiert, ob das Teil denn genau passt. So vergehen auch mal Minuten, bis man eine einzige Karte legt. Manchmal ist es aber trotzdem besser, zumindest eine Quest abzuschließen und dafür eine nicht optimale Positionierung in Kauf zu nehmen. Vor allem Flüsse und Eisenbahnen machen einen das Leben schwer, weil sie weniger flexibel zu platzieren sind.

Eine weitere Motivation sind die „Belohnungen“ im Spiel. Dabei handelt es sich um Herausforderungen, die teils zu Beginn vorhanden sind, teils über Quests mit einer Krone drauf freigeschaltet werden. Diese schalten für uns neue Biome oder spezielle Kärtchen frei, die allerdings keinen spielerischen Vorteil bringen, sondern die Landschaft lediglich mit Ruinen; Tieren, Zügen und ähnlichem aufpeppen. Die dafür zu erfüllenden Ziele können dabei sehr unterschiedlich schwer sein. 250 Kärtchen hintereinander zu legen ohne dabei auch nur einmal unpassende Kanten zu haben ist eine echte Lategame-Herausforderung.

Kurz vor Release gab, gab es zudem neue Modi für Dorfromantik. Im schnellen Modus startet man mit weniger Karten und das Spiel endet nach 75 gelegten Karten. Der schwierige Modus gibt euch weniger Quests und gemeinere Karten. Als Challenge interessant ist aber auch der monatliche Modus. Dort gibt es jeden Monat neue Regeln und jeder spielt mit den gleichen Karten. Im eigenen Modus kann man sich zudem selbst Regeln zusammenstellen und den Seed mit anderen teilen. 

Kreativmodus für den Schönbau

Die Landschaften, die sich aus dem Legen der Karten ergeben, sehen auch sehr anschaulich aus, wenn man nicht alles so ganz perfekt legt. Trotzdem können gerade die etwas wirren Fluss- und Eisenbahngebilde das Auge etwas stören. Außerdem ist die Jagd nach dem nächsten Highscore nicht immer so entspannt, wie das Spiel auf den ersten Blick anmutet. 

Das von manchen erhoffte Zen-Gaming, das entspannte Spielen ohne irgendwelche Zwänge, bekommt ihr aber trotzdem in Form des Kreativmodus. An sich funktioniert es wie der klassische Modus. Wir haben einen Stapel an Karten, die wir nach und nach aneinander legen. Allerdings haben wir beliebig viele Karten und können Karten auf dem Stapel überspringen oder mit der Pipette ein Kärtchen duplizieren. 

Zwar kann man leider keine Wunschkarten direkt auswählen oder zusammenstellen, dafür aber die Landschaft auf bestimmte Biome beschränken und die Häufigkeit von Häuser, Wäldern und Co per Slider festlegen. Habt ihr im klassischen Modus ein Spiel beendet, könnt ihr die geliebte Landschaft übrigens in den Kreativmodus übernehmen. Im Kreativmodus ist noch etwas Luft nach oben, um schneller zur Wunschlandschaft zu kommen. 

Eine symmetrisch gestaltete Landschaft in Dorfromantik
Dorfromantik mit Zen-Gaming. Der Kreativmodus lädt dazu ein, symmetrische Fantasielandschaften zu erstellen. Screenshot by Stefan Reismann.

Fazit: Eigentlich ein perfektes Mobile Game

Ich hatte richtig Spaß im Dorfromantik Test. Manche Spielsitzungen wurden länger als ursprünglich geplant, weil es immer etwas gibt, dass man noch schnell abschließen möchte. Nach einer schwachen Partie hatte mich der Ehrgeiz außerdem oft gezwungen, sofort einen neuen Versuch zu unternehmen, bei dem ich mich besser anstelle. Selten hat ein so einfaches Spielprinzip so viel Raum zum knobeln gehabt. Trotzdem habe ich gemerkt, dass bei sehr langen Spielständen meine Sessions immer kürzer wurden, weil das Spiel irgendwann doch etwas zäher wird. Immer wenn die Karten zu neige gehen, kommt aber erneut Spannung auf, das Spiel irgendwie am laufen zu halten.

Dorfromantik ist ideal für Spieler, die ein Spiel suchen, dass sie auch mal für ein paar Minuten zwischendurch zum Abschalten spielen können. Aber auch ambitionierte Knobler und Optimierer kommen hier ganz auf ihre Kosten. Ist man erst auf Highscore-Jagd kann aus dem Gelegenheitsspiel auch mal ein Wochenende werden, bei dem man nicht viel Zeit für andere Spiele hatte. Da man das Spiel jederzeit unterbrechen kann, kann man einen Spielstand auf beliebig viele Sessions verteilen. Zeitdruck entsteht am ehesten bei den monatlichen Challenges, bei denen ich bereits gespannt bin, wie gut der Modus von der Community angenommen wird.

Womöglich kaufe ich mir Dorfromantik irgendwann sogar nochmal – zumindest wenn es auch auf andere Plattformen wie Switch oder Smartphone erscheint. Obwohl ich fast ausschließlich PC-Gamer bin, habe ich schon sehr früh den Gedanken gehabt, dass das Spiel perfekt für unterwegs ist. Die Grafik, das entschleunigte Tempo und das Prinzip des Kartenlegens eignen sich einfach perfekt für Gelegenheitszocker und Touchscreens. Bis dahin werde ich es aber sicherlich noch einige Male am PC spielen und mich ärgern, dass die Uhr mal wieder viel zu schnell geht.


Image by Toukana Interactive


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