Warum Design Thinking mehr als nur ein Buzzwort ist

Wie können wir herausfinden, was Kunden wollen? – Design Thinking! Wie testen wir, was die beste Unternehmensstrategie ist? – Design Thinking! Wie bekommen wir neue Ideen für unsere Marke? – Design Thinking! Egal was man mit seinem Unternehmen erreichen möchte, die Antwort scheint stets Design Thinking zu sein. Was steckt hinter dem Buzzwort und liefert es wirklich immer die besten Ergebnisse für Unternehmen?

Vom Startup bis zum DAX-Konzern, wer heutzutage nicht auf Design Thinking setzt, hat offensichtlich einen der größten Trends der Arbeit 4.0 verpasst. Allein auf Google liefert der Begriff mehr als 17 Millionen Ergebnisse. Wer in der modernen Arbeitswelt lebt, kommt offensichtlich um Design Thinking nicht herum. Warum eigentlich?

Design Thinking hat tatsächlich die Art und Weise, wie Unternehmen an Problemstellungen herangehen, komplett revolutioniert. Das Konzept wurde ursprünglich vom IDEOU-Institut der Universität Stanford entwickelt und hat seitdem die gesamte Arbeitswelt im Sturm erobert.

Das IDEOU-Institut erhält mittlerweile sogar so viele Anfragen zu dem Thema, dass die Mitarbeiter eine Verschnaufspause brauchen. Auf Nachfrage der Netzpiloten etwa hieß es vom Presseteam: „Wir haben das Glück, viele Anfragen zum Thema zu bekommen. Jedoch wurden mit Anfragen zu Touren und Interviews überschwemmt. Deshalb haben wir entschieden, dass es für uns jetzt wichtig ist, uns auf unsere Lehre und unsere Studenten zu konzentrieren.”

Wenn man sich einmal anschaut, welche Wellen das Konzept geschlagen hat, ist das verständlich.

Der Weg ist das Ziel

Design Thinking entstand ursprünglich im Silicon Valley, um Ingenieuren das Thema „Produktdesign” näher zu bringen. Der zentrale Ansatz dabei ist, sich nicht lediglich auf bestehende Informationen zu berufen, die man in der Vergangenheit gesammelt hat, sondern den Kunden der Zukunft im Blick zu haben.

Beim Design Thinking geht genau so sehr um Lösungen, wie um den Weg dahin. Daher wird Design Thinking als Prozess zur Lösungsfindung beschrieben. Dabei handelt es sich aber nicht um einen gradlinigen Prozess – vom Problem zur Lösung – sondern vielmehr um einen Kreislauf.

Dieser erfolgt in mehreren Schritten. Je nach Design-Thinking-Schule sind das vier, fünf, sechs oder sogar sieben unterschiedliche Phasen. Dazu gehören:

    • Empathie mit den Nutzern
    • Definition der Nutzerwünsche und -probleme und der eigenen Einsichten
    • Ideenfindung: Hier werden bestehende Annahmen hinterfragt, um so innovative Lösungen zu erhalten
    • Prototyp: Lösungen entwickeln
    • Testen: Die Lösungen werden in der Praxis getestet

Danach beginnt der Prozess wieder von vorne.

Um wirklich innovative Lösungen zu erhalten, arbeiten Teams interdisziplinär und ein wenig nach der Chaos-Methode. Dazu gehören kreative Ansätze wie Mind-Mapping und spielerische Herangehensweisen wie das Basteln von Prototypen. Kurz gesagt, es darf und soll sogar bunt und verrückt sein. Denn lineares Schwarz-Weiß-Denken fühlt selten zu Innovation.

So hat Design Thinking als Methode zur kreativen Lösungsfindung mehrere Vorteile. Erstens bietet der Fokus auf den Kunden eine nutzerfreundlicheren Ansatz. Zweitens ist es durchaus hilfreich, verkrustete Prozesse in einem Unternehmen aufzubrechen und so Raum für neue, kreative Ideen zu schaffen. Drittens können so Lösungen ausprobiert und konstant verbessert werden, anstatt jahrelang an der perfekten Lösung zu arbeiten, die Nutzer am Ende möglicherweise gar nicht wollen oder brauchen. Auch Fehler können so viel schneller erkannt und behoben werden.

Design Thinking bringt Unternehmen dazu divers und kreativ zu arbeiten

Warum gerade jetzt so viele Unternehmen Design Thinking in ihre Arbeit integrieren, erklärt Falk Uebernickel, Professor am Design Institut der Universität St. Gallen: „Früher waren Probleme kompliziert, heute sind sie komplex. Während man früher Fachexperten brauchte, um ein Problem zu lösen, muss das Team heute interdisziplinär sein, damit man die ganze Vielschichtigkeit eines Problems verstehen kann. In vielen Unternehmen wird dieser Gedanke der Interdisziplinarität und Agilität jedoch noch nicht gelebt. Design Thinking bringt Unternehmen dazu, Projekte bewusst in möglichst diversen Teams mit unterschiedlichsten Fähigkeiten zu erarbeiten.“

So erfolgreich die Methode für viele vielschichtige Probleme sein kann, so sehr ist das Konzept auch zum Buzzwort geworden. Auch Falk Uebernickel hat das beobachtet: „Der Grund dafür ist, dass oftmals zu viel in die Methode rein interpretiert wird. Das schadet sowohl Design Thinking, als auch den Unternehmen. Ich beobachte zum Beispiel, dass die Methode für jegliche Art von Problemstellungen herangezogen wird, obwohl sich manchmal mit einem klassischen V-Modell bessere Problemlösungswege erarbeiten ließen.“

Darüber hinaus hinterfragt Design Thinking oftmals die komplette Struktur einer Organisation. Darauf sind nicht immer alle Unternehmen vorbereitet, wenn sie die Methode einführen. Deshalb sollte Design Thinking nach Ansicht von Uebernickel stets von Experten begleitet werden.

Falk Übernickel – Image by Marinela Potor

Design Thinking kann mehr

Dann kann die Methode zu wirklich spannenden Ergebnissen führen. So hat das Institut für Design Thinking der Universität St. Gallen in seiner 15-jährigen Arbeit nicht nur mit Studenten, sondern auch mit Unternehmen zusammengearbeitet und dabei zum Beispiel bereits vor acht Jahren eine Kreditkarten-App entwickelt, als ein solches Konzept noch völlig futuristisch klang.

Eine weitere Erfolgsgeschichte war die Zusammenarbeit mit einem deutschen Pharmakonzern, wie Falk Uebernickel berichtet: „Wir haben eine App entwickelt, die Patienten mit Multipler Sklerose dabei hilft, ihre Übungen zum Erhalt der Muskelkraft mühelos in ihren Alltag zu integrieren. Aus einer Datenbank kombiniert die App ein Bewegungsprogramm für die Patienten, angepasst an den jeweiligen Schweregrad der Erkrankung.“

Solch erfolgreiche, kundennahe Produkte wären ohne Design Thinking sicherlich nicht entwickelt worden. Genau das macht die Methode für sämtliche Unternehmen, vom Startup bis zum Konzern so spannend. Auch wenn Design Thinking sicherlich keine Lösung für sämtliche Probleme in einem Unternehmen liefern kann und soll, ist es dennoch mehr als nur ein Buzzwort.

Dennoch stellt sich die Frage: Wenn jeder das Konzept nutzt, kann es wirklich noch innovativ sein? Ja – glaubt Falk Uebernickel. Richtig angewendet, kann Design Thinking seiner Meinung nach ein leistungsstarkes Werkzeug sein und Mitarbeiter innovativer machen: „Letztendlich geht es bei Design Thinking nicht darum, dass das Konzept innovativ ist. Jeder Mitarbeitende sollte Design Thinking verstehen, damit sich sein Potenzial zur Innovationsfähigkeit bestmöglich entfalten kann. Wenn Design Thinking als Methode seine Innovativität verliert, wir im Gegenzug jedoch die Innovativität eines jeden Mitarbeitenden hinzugewinnen, dann steht wahrer Innovation nichts im Weg.“


Images by Marinela Potor

begann ihren journalistischen Werdegang bei kleinen Lokalzeitungen und arbeitete dann während ihres Studiums als Reporterin für den Universitätsradiosender. Ihr Volontariat machte sie bei Radio Jade in Wilhelmshaven. Seit 2010 hat sie ihren Rucksack gepackt und bereist seitdem rastlos die Welt – und berichtet als freie Journalistin darüber. Über alle „inoffiziellen“ Geschichten schreibt sie in ihrem eigenen Blog fest. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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