Daten-Wirrwarr – warum Podcast-Analytics auf neutralen Boden gehören

Die Podcast-Branche professionalisiert sich zusehends und die Standardisierung wird besonders im Bereich der Reichweitenmessung massiv vorangetrieben. Downloadzahlen und die Menge an Abonnent:innen sind schon lange keine Analytics mehr, mit denen sich etwa Advertiser zufrieden geben. Es folgten daher die international verbreitete IAB2-Richtlinie und in Deutschland der aktuell laufende Beta-Test der agma (Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e.V.). Hier werden beispielsweise Preloads, Kleinstabrufe und technisch bedingte Downloads wie Abrufe durch Bots eliminiert.

Wie so häufig liegt aber auch hier der Teufel im Detail – denn es braucht mehr als eine standardisierte Messung, damit das Ganze wirklich das leistet, was es soll. Derzeit gibt es zwei große Herausforderungen:

Ein Analytics-Standard, der keiner ist:

Die IAB2-Richtlinie ist zwar immer weiter verbreitet, sie lässt jedoch einiges an Spielraum zu. So ist es durchaus möglich, dass sich die Zugriffszahlen für dieselbe Podcast-Folge bei zwei Hostern um 10 bis 15 Prozent unterscheiden. Die Podcast-Anbieter sind zwar unter anderem verpflichtet, eine Bot-Liste zu führen – wie genau, ist aber nicht fest definiert. Das führt dazu, dass die Analytics über verschiedene Anbieter hinweg nicht so vergleichbar sind, wie gerne suggeriert wird. Das wiederum ist ein Problem für Advertiser. Denn die wollen natürlich nur für echte Hörer:innen zahlen, nicht für zu lasch gefilterte Bots.

Daten, die nicht dir gehören:

Die unbefriedigende Vergleichbarkeit von Reichweiten ist eine Sache, eine andere ist die fehlende Möglichkeit die eigenen Analytics anbieterübergreifend zu exportieren – denn das bieten viele große Anbieter erst im hochpreisigen Segment an. Ein Wechsel zu einem anderen, womöglich besseren Anbieter wird den Podcaster:innen damit deutlich erschwert. Wer dennoch wechselt, muss sich in mühsamer Handarbeit die Daten zusammenstellen, um überhaupt noch eine Analytics-Historie zu haben.

Warum zum Beispiel bei einem führenden deutschen Hoster ein unkomplizierter Datenexport häufig erst in Premium-Paketen mit vierstelligen Monatsgebühren möglich ist, ist fraglich. Hobby-Podcaster:innen und alle außerhalb der Podcast-Top-50 bleiben dabei jedenfalls auf der Strecke.

Es gibt zwei Möglichkeiten kurzfristig etwas daran zu ändern:

Ein neutraler Reichweite-Standard, der zur echten Währung wird:

Die agma geht mit ihrem aktuellen Beta-Test schon in genau die richtige Richtung und hat dabei bereits verschiedenste Hoster als Unterstützer:innen an Bord. Das Besondere hierbei: Die Analysedaten werden durch die agma als externe Stelle erhoben und befinden sich somit auf neutralem Boden. Die Messung aller Podcasts bei allen Anbietern findet also unter den exakt gleichen Rahmenbedingungen statt und macht die Werte so komplett vergleichbar.

Auch die Art zu messen ist besonders hart und geht sogar über die IAB2-Richtlinie hinaus – dadurch ist es maximal realistisch und gleichzeitig so vertrauensvoll wie nie zuvor. Und durch die Trennung von Hosting und Analyse gehen auch beim Wechsel keine Daten verloren. Mehr noch – da als Grundlage die jeweiligen Logfiles herangezogen werden, können so Daten ohne Messunschärfen verlässlich erhoben werden.

Ein Open-Data-Standard für alle Anbieter:

Wie wäre es, wenn sich alle Anbieter darüber hinaus verpflichten würden, Analytics-Daten in einem Format abzulegen, das alle anderen lesen können (was derzeit tatsächlich nicht immer gegeben ist) – etwa als neu geschaffenes OPAF (Open Podcast Analytics Format)? Das würde den Import zu einem anderen Anbieter erleichtern. Keine:r würde sich einen vermeintlichen Vorteil verschaffen, indem ein Wechsel durch das Vorenthalten von Daten erschwert und so die Daten der Kund:innen gewissermaßen als Geisel genommen werden. Und das Wichtigste: Podcaster:innen können dort ihren Podcast hosten, wo sie sich am besten aufgehoben fühlen. So wie es für Konsument:innen heute völlig selbstverständlich ist, dass sie ihre Mobilfunknummer zu einem anderen, besser passenden Provider mitnehmen können.

(Vermeintliche) Standards sind dafür da, regelmäßig hinterfragt zu werden – schließlich ändert sich auch im Podcast-Business nahezu täglich etwas. Und was gestern noch gut funktioniert hat, muss heute neu gedacht werden. Für die Zukunft wünsche ich mir daher einen noch stärkeren Austausch zwischen den Anbietern, die sich über jeden Wettbewerbsgedanken hinweg für die Themen einsetzen, die einen echten Impact auf die Branche haben. Denn davon profitieren alle – Podcast-Anbieter ebenso wie Podcaster:innen.

Wenn ihr Lust habt, einen eigenen Podcast zu erstellen, schaut euch gern unseren Guide für Einsteiger an.


Image by greenbutterfly via Adobe Stock

Alex Jacobi ist fasziniert von Daten, Kreativität und Mensch-Maschine-Prozessen. Als Chief Exponential Officer seiner vier Unternehmen beschäftigt er sich mit „all things audio": Mit Wundervoices vertont er (FMCG-) Werbespots und Unternehmenskommunikation in 50 Sprachen, With love and data ist eine digitale Kommunikationsagentur für Audioinhalte, die Kreativität aus Daten generiert und mit Sonarbird ermöglicht er Verlagen und Radiosendern das Podcasting. podwatch.io gehört zu Deutschlands meistgeklickten Podcast-Rankings und ergänzt fortan das Portfolio im Bereich Analytics.


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