Mediathekenumschau vom 14. Oktober

In der Mediathekenumschau heute: Erinnerungen an einen alten Mann aus dem Kiez und was die Nachbarn damit zu tun haben. Außerdem: Der lange Weg zur Staatsbürgerschaft und Erotik bei den Öffentlich-Rechtlichen. // von Hannes Richter

Es ist so eine Sache mit den Mediatheken: Für viele Digital Natives sind sie schon Fernsehersatz – alles ist überall abrufbar. Doch nur auf Zeit: Gerade die öffentlich-rechtlichen Programme sind oft nach einer Woche wieder offline. Verlängertes Fernsehen statt digitales Archiv. Bevor sie verschwinden, fischen wir die besten Perlen aus der TV-Flut.

WAS MAN LERNEN MUSS: Werden Sie Deutscher

ZDF +++ Sendung am 15. Oktober: Dann also ein Gefühl. Es soll ja nicht um einen Debattenbeitrag sondern um einen sehenswerten Videotipp gehen, wie diesen ab morgen in der ZDF-Mediathek abrufbaren Dokumentarfilm von Britt Beyer. Für „Werden Sie Deutscher“ hat sie Teilnehmer eines Integrationskurses fast ein ganzes Jahr lang begleitet. Jeder Nichtdeutsche, der sich um einen deutschen Pass bemüht, muss diesen Kurs belegen. Auf dem Lehrplan stehen neben dem Absingen der Nationalhymne auch Umgangsformen und nationale Eigenheiten. Und zu denen zählen natürlich Pünktlichkeit („Zeit ist Geld“ schreibt der Lehrer an die Tafel.) und Ordnung. Und: freundlich Grüßen nicht vergessen! Über das Für und Wider solcher Kurse und anderer Hürden, wenn man ein richtiger Deutscher werden möchte, lässt sich trefflich streiten. Die spießige Überheblichkeit verursacht ein mulmiges Gefühl. 

HERR BUCHHOLZ IST TOT: Einer fehlt

arte +++ Sendung vom 10. Oktober+++ nur noch bis 17. Oktober anrufbar:  Im schicken Prenzlauer Berg in Berlin steht ein alter Mann Tag für Tag in einem Hauseingang, manchmal geht er auch die Straße auf und ab oder setzt er sich in die Bäckerei nebenan. Eines Tages, es ist Weihnachten, taucht er nicht mehr auf. Herr Buchholz ist in seiner Wohnung gestorben. Eine Nachbarin sammelt Spenden für eine Urnen-Bestattung, 3000 Euro kommen zusammen, bei der Beerdigung ist es voll. Die Regisseurin dieses bewegenden Dokumentarfilms wohnt selbst in der Straße, wie viele andere hat sie den Mann als eine Institution des Kiezes erlebt, er gehörte einfach dazu. Für ihren Film sprach sie mit Nachbarn und Ladenbesitzern und operiert dabei am offenen Herzen eines Stadtviertels. Alle haben ihre eigenen Erinnerungen an Herrn Buchholz, alle haben ihren eigenen Umgang mit dem Alleinsein und was es bedeutet, anderen zu helfen. Konfrontiert mit der Tatsache, dass Herr Buchholz acht Jahre lang ohne Heizung und Strom lebte, reagieren die meisten überrascht. Lesen und Schreiben konnte er nicht. Beim Bäcker hat der alte Mann immer einen Kaffee bekommen, die Kohle zum Heizen, die eine Nachbarin angeboten hat, lehnt er entrüstet ab. Die Wäscherei-Angestellte, die ab und zu mal ein gebrauchtes Hemd für ihn mit ins Paket gelegt hat, hält nichts von der Spendensammlung: „Ob er beerdigt wird und wie er beerdigt wird, ist doch egal, davon hat er nüscht mehr.“, sagt sie. „Die soll’n sich kümmern, so lange’se leben, und nicht wenn’se tot sind.“

NICHT FÜR MINDERJÄHRIGE: Tracks

arte +++ Sendung vom 12. Oktober: Nach dem Untergang von allerlei Erotikmagazinen ist es still geworden in der Softpornoecke der Privaten. Die Verbindung von richtigem Journalismus mit dem Kitzel des Schmuddeligen war in den Neunzigern Vorreitern wie Liebe Sünde überlassen. Heute übernehmen das die jugendlich gemachten Formate der Spartenprogramme wie das Popkultur-Magazin Tracks auf arte. Da muss es dann aber schon immer irgendwie cool ausschauen, wie das Porträt der Produzentin „alternativer Pornofilme“ Joanna Angel. Interessanter ist der Beitrag über die japanische „Bondage-Königin“ Naomi Tani (bei Minute 32:15), die in den 70er-Jahren mit etlichen „Pinku Eiga“-Filmen populär wurde. Dabei handelt es sich um ein japanisches Phänomen: Um die Zensur zu umgehen entwickelte sich ein eigenes Genre, dass mit amerikanischen oder europäischen Pornos kaum etwas gemein hat (der Artikel in der englischen Wikipedia ist sehr aufschlussreich). Auf der Themenseite im Netz gibt es noch mehr Hintergrund und Filmausschnitte.


Teaser by Paulae (CC-BY-3.0)]


Image by arte

wanderte schon früh zwischen den Welten, on- und offline. Der studierte Kulturarbeiter arbeitete in der Redaktion eines schwulen Nachrichtenmagazins im Kabelfernsehen, produzierte Netzvideos und stellte eine Weile Produktionen im Cabaret-Theater Bar jeder Vernunft auf die Beine, bevor er als waschechter Berliner nach Wiesbaden zog, um dort am Staatstheater Erfahrungen im Kulturmarketing zu sammeln. Er baute später die Social-Media-Kanäle der Bayreuther Festspiele mit auf und schoss dabei das erste Instagram-Bild und verfasste den ersten Tweet des damals in der Online-Welt noch fremden Festivals. Seitdem arbeitete er als Online-Referent des Deutschen Bühnenvereins und in anderen Projekten an der Verbindung von Kultur und Netz. 


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